JEREMIAS im Interview über ihr Debütalbum „golden hour“

JEREMIAS, golden hour, Pickymagazine

Titelfoto: Lucio Vignolo

Am Freitag ist das Debütalbum der Band JEREMIAS golden hour erschienen. Seitdem picky Tim im Mai 2019 die Debütsingle Alles vorgestellt hat, ist bei den Jungs ganz schön viel passiert. Die erste ausverkaufte Headliner-Show im Febraur 2020 kurz bevor uns die Pandemie überfiel, zwei erfolgreiche EP’s und einen Late Night Berlin Auftritt später haben JEREMIAS also endlich eine Platte mit elf schicken Songs am Start.  Grund genug, um ein Zwischenfazit zu ziehen. Picky Sofia hat sich zu diesem Anlass vorab virtuell mit Sänger Jeremias und Gitarrist Olli getroffen, um über das Projekt zu quatschen. 


JEREMIAS über ihr Debütalbum golden hour, Sehnsucht und die Freuden des Kunstschaffens

picky Sofia: Na, seid ihr schon aufgeregt? Ist ja nicht euer erstes Release, aber so ein Album ist bestimmt nochmal eine andere Nummer, oder?

Jeremias: Ich bin unglaublich aufgeregt – sehr gehyped, um es im Jargon zu sagen. Es ist wirklich für uns alle ein heftiges Ding.

picky Sofia: Wie habt ihr bisher das Feedback auf die Singles erlebt, das ja leider ausschließlich digital erfolgt ist?

Jeremias: Ich habe tatsächlich letztens darüber nachgedacht, was das für einen Unterschied macht. Klar ist: Wenn ich Songs performe, kriege ich unmittelbar eine Resonanz. Und diese Resonanz löst eine Energie in einem aus, die man in sich speichern kann und noch ein paar Tage mit sich trägt. Ein Kommentar, Like oder DM kann das in der Form nicht. Wenn viele Menschen auf einen Song reagieren, dann ist das natürlich wie so ein kurzer Hype, aber der verpufft sofort.

picky Sofia: Ich gehe mal stark davon aus, dass ihr euch trotzdem über die positive Resonanz gefreut habt, oder?

Jeremias: Na klar! Wir wünschen uns natürlich trotzdem in aller erster Linie auf Bühnen zurückkehren zu können und diese Songs live zu spielen. Um nochmal auf das Feedback zurückzukommen: Alles richtig geil! Wir haben jetzt von hdl bis ich mags ein schönes Wachstum erlebt. Immer mehr Leute haben uns auf dem Schirm gehabt, immer mehr Leute haben die Songs gefeiert und ich glaube, diese Dramaturgie, die wir seitdem erschaffen haben, findet jetzt am 28. Mai ein wunderschönes Finale.

picky Sofia: Cro scheint euch ja auch zu feiern, wie man aus seinen Instastories entnehmen konnte.

Jeremias: Ich gehe bei sowas immer bisschen an die Decke (lacht).

Olli nickt zustimmend

Jeremias: Olli ist da sicherlich bisschen entspannter und realistischer, aber so oder so war das richtig cool.

Anm. d. Verf.: Das Interview haben wir aufgezeichnet bevor auf dem Instagram-Kanal der Band und dem Profil von Cro Bilder aufgetaucht sind, die JEREMIAS zusammen mit Cro im Soho House in Berlin zeigen. Man darf also gespannt sein, ob da in Zukunft nicht vielleicht sogar gemeinsame Songs kommen…

picky Sofia: Kann ich mir gut vorstellen. Ich möchte mit euch auch ganz gerne über eure Album-Ästhetik und eure Visuals sprechen.

Jeremias: Ja, voll gerne!

picky Sofia: Ich würde nämlich jetzt mal als außenstehende Person behaupten, dass man schon den Eindruck gewinnen kann, dass die Single-Cover als Art Puzzleteile zu verstehen sind, die sich auf dem Album-Cover, auf dem ihr dann letztendlich alle gemeinsam zusehen seid, zusammenfügen. Wie konzeptionell geht ihr an sowas ran?

Jeremias: Es hat sich innerhalb der drei Jahre, die es uns als Band jetzt schon gibt, um uns herum eine Art Familie aus kreativen Köpfen gebildet. Ob das jetzt unser Management, oder Lucio ist, der für uns die Fotos macht. Dadurch hatten wir dann irgendwann dieses Bewusstsein dafür, dass es eben nicht nur Musik ist, sondern diverse künstlerische Bereiche, die aus unserer Musik mit hervorgehen. Ich schreibe den Text – dann bin ich Dichter. Man macht zu einem Song ein Foto und wird kurz zum Model. Dann dreht man ein Musikvideo und wird so zum Schauspieler und so weiter. Diesen ganzen Bereichen mussten wir uns erstmal bewusstwerden, sodass wir dann für das Projekt golden hour und dessen Gesamtbild von Anfang an eine Vision hatten. Sprich, immer dieses Orange-Rot als Maßstab und das sieht man eben auch auf den jeweiligen Cover-Fotos, die farblich auch dazu passen.

picky Sofia: Darfst du verraten, wo ihr die Bilder geshootet habt?

Jeremias: In einem verlassenen Gebäude in Chiarano in Venezien. Das Schöne ist, dass wir die Bilder dort gemacht haben, war nur zufällig – es war in der Hinsicht nichts geplant. Aber die Zufälle haben dann in sich ein stimmiges Bild ergeben, was auch der Anspruch an unsere Artworks von Anfang an war.

picky Sofia: Was löst der Zustand golden hour in euch aus?

Olli: Es ist emotional die intensivste Phase des Tages. Einfach nur von dem her, wie es aussieht. Während dieser Phase ist man direkt in einer Stimmung, die sehr inspirierend ist. Es ist eben nicht wie jetzt gerade ein grauer Nachmittag in Hannover im Nieselregen, sondern es hat einen Vibe wie wenn dein Zimmer um halb acht abends an einem Sommertag komplett orange ist. Das hat eine ganz andere Wertigkeit und ich glaube, dass es daher rührt. Aber auch das kam einfach auf uns zu.

Jeremias: Es war glaube ich tatsächlich so, dass wir im Sommer die Produktion mit unserem Produzenten Tim Tautorat gemacht haben und zwei bis drei Wochen davor gab es zufälligerweise mehrere Tage hintereinander, an denen immer golden hour war. Diese golden hour hat sich dann so dermaßen aufgedrängt, dass es irgendwann eine Frage der Zeit war, bis man sagt: „Okay, scheiße… Ich muss jetzt darüber schreiben, weil das so derart präsent ist.“. Und konzeptionell gedacht haben wir uns bewusst für diesen Album-Titel entschieden, weil eben jeder etwas damit assoziiert. Das Bild ist greifbar, die Farbe steckt in dem Namen, die Stunde steckt in dem Namen. Das löst in jedem Menschen eine gewisse Emotion aus und das war unter anderem auch Grund dafür, dass wir gesagt haben, dass wir die gesamte Platte so nennen wollen.

picky Sofia: Und es weckt auch bestimmte Erinnerungen in jedem Einzelnen an Momente, die in diesem Zustand erlebt wurden.

Jeremias: Absolut!

picky Sofia: Kommen wir zu euren Musikvideos. In den Credits ist zu sehen, dass ihr die Videos zu euren Singles für das Album zusammen mit Antemilio und Marc Carles gedreht habt. Die beiden kannte man bisher eher aus dem Deutschrap-Untergrund-Kosmos durch ihre Videos für BHZ. Wie kam da der Kontakt zu Stande?

Olli: Das kam über unser Label. Als wir uns angefangen haben zu fragen wie man das Album am besten visuell präsentiert und was für Videos man dreht, hat unser Homie und Ansprechpartner Maxi das vorgeschlagen. Er meinte, wir sollten das mal mit Leuten machen, die sonst noch nichts in unserem Genre gemacht haben, damit es von Anfang an gar nicht erst aussehen kann wie – das klingt jetzt gemein – irgendein anderes Indie-Musikvideo. So hab ich es zumindest in Erinnerung, dass das der Beweggrund dahinter war und man muss auch sagen, dass ab dem ersten Dreh von hdl eine richtig geile Freundschaft daraus entstanden ist und wir die Boys einfach super gerne haben. Wir waren zum Beispiel auch zusammen in Italien. Man hat sich über die Arbeit kennengelernt und relativ schnell eine gemeinsame Vision gefunden wie das alles aussehen soll. Die beiden haben maßgeblich dazu beigetragen und es hätte nicht schöner verlaufen können.

Jeremias: Das war auf jeden Fall der Hauptgrund. Es gab in uns zusätzlich auch Stimmen, die sich nach gleich enthusiastischen Menschen gesehnt haben. Wir wollten, dass so wie wir für Musik brennen auch gleichermaßen fürs Video gebrannt wird. Deswegen hatten wir Bock auf junge Leute. So wie wir mit der Musik gestiegen sind, sind die zwei mit ihren Videos gestiegen und das war dann voll der Grund zu sagen: „Ey, wir sind alle in einer Generation und fresh in diesem Game. Lass uns zusammenarbeiten!“. Das war unglaublich fruchtbar und die beiden sind auf jeden Fall über die Album-Grenzen hinweg Teil der Familie geworden. Ich gehe mal davon aus, dass die Zusammenarbeit weiter bestehen bleiben wird, weil es eben so Bock gemacht hat.

picky Sofia: Wo wir gerade bei Musikvideos sind: Was hat es mit der Zahl 443555 aus dem hdl-Video auf sich?

Jeremias: Hast du es nicht herausgefunden?

picky Sofia: Ich dachte anfangs es könnte eventuell der Leak des Album-Titels sein, aber das ergibt ja jetzt keinen Sinn mehr.

Jeremias: Ich kann es jetzt einfach droppen, ne? Also ich rufe in dem Video ja jemanden auf so einem alten Nokia-Handy an. Und wenn man damals einen Text eingeben wollte, musste man ja Zahlen drücken…

picky Sofia: Ohhhh (Anm. d. Verf.: Ja, ich hatte in der Sekunde einen klassischen Aha-Moment. Ich bin halt zu jung für den Scheiß…). Ich ahne, was jetzt kommt.

Jeremias: …Und wenn man 443555 eingibt, ergibt das die Buchstaben h,d und l.

picky Sofia: Boah, das ist auf jeden Fall ausgecheckt. Probs. Dann hätten wir das auch geklärt.

(alle lachen)

hier nachzuprüfen:

picky Sofia: Was würdet ihr eigentlich sagen, wie sich euer Sound im Vergleich zu den vorherigen EPs verändert oder weiterentwickelt hat?

Olli: Der Sound hat sich genauso weiterentwickelt, wie wir vier uns als Menschen weiterentwickelt haben. Bei der Du musst an den Frühling glauben-EP wollten wir alle, dass es super minimalistisch klingt. So nach dem Motto: Es muss immer ganz wenig sein, die Gitarre soll immer funky sein, es muss immer unisono sein, nur Kick und Snare dürfen bei den Drums was machen und so weiter. Diese Stilistik haben wir mit unserem Produzenten ausgearbeitet und haben die für uns komplett ausgeschöpft und entdeckt, was man damit alles so machen kann – ein bisschen auch noch auf der zweiten EP. Es fühlt sich für mich so an, als hätten wir uns auf golden hour mehr getraut und die Extreme noch weiter ausgereizt. Das, was sehr poppig ist, ist noch poppiger. Die etwas vermuckten, Soul- und Tanzmomente sind noch ausgereifter. Es ist also aus meiner Sicht eine sehr logische Entwicklung, verbunden mit einem wachsenden Selbstbewusstsein, weil man genauer weiß, wo man hinwill und wie man da hinkommt.

picky Sofia: Wieviel kommt vor diesem Hintergrund in der Produktion im Studio denn von euch selbst?

Olli: Es kommt schon viel von uns. Wir vier sind alle Hampelmänner im Studio. Jonas zum Beispiel liebt Drums einfach über alles und fängt dann erstmal an zwei Stunden lang nur die Snare zu stimmen und hat dann zig Ideen für irgendwelche Grooves. Dasselbe mit Jere, der sich in Synthies reinhängt, ich mich in Gitarrenverstärker reinfuchse und Beni in Bass-Sounds. Wir kommen immer mit einem richtig großen Batzen an Ideen an und Tim wird, so empfinde ich das immer, davon bisschen angefixt, weil er merkt, wie sehr wir dafür brennen und wie detailverliebt wir sind. Dann schaukelt sich das immer so gegenseitig hoch und jeder macht irgendwie alles. Es kommt zum Beispiel auch vor, dass Ben eine Percussion-Idee in den Raum wirft. Jeder darf, soll und muss seine Ideen einbringen und mitgestalten.

„Ich meine die Platte in der Platzangst und Dringlichkeit, die der Natur des Menschen innewohnt.“

Sänger Jeremias über golden hour

picky Sofia: Die Pandemie geht an keinem von uns spurlos vorbei. Inwiefern hat euch dieser Zustand während des Schreibens für das Album tangiert?

Jeremias: Unabhängig davon gibt auf jeden Fall Unmengen an Scheiß, der rumliegt (lacht). Von zehn Songs, die wir schreiben, schafft es vielleicht einer, dass ihn sich alle zumindest mal anhören, was aber immer noch lange nicht heißt, dass der dann gespielt oder aufgenommen wird. Ob es Songs dann letztendlich schaffen, ist von vielen Faktoren abhängig. Leider ist dieses Jahr durch die Pandemie ein sehr wichtiger Faktor für uns ausgefallen, nämlich der Live-Faktor. Wie gut kommt ein Song an? Wie sehr macht es Bock einen Song außerhalb des Proberaums zu spielen? Das war für uns auf jeden Fall immer so ein Kriterium, um zu schauen, ob ein Song eine nachhaltige Berechtigung hat.

Olli: Auch ein Pandemie-Effekt ist, und das geht jedem kreativen Menschen sicherlich so, dass Kreativität ja immer davon lebt, dass sich was verändert, dass man was erlebt, dass man Erfahrungen sammelt. Und die ersten drei, vier Monate von Corona waren dann vielleicht auch eine Erfahrung, die man vorher nicht hatte. Dann kann man irgendwie Corona-Songs schreiben und das kann man cool, kitschig oder unnötig finden, aber das hat man erlebt und wenn man das ausdrücken möchte, soll man das unbedingt tun. Aber wenn man auf Tour ist, mit Freunden saufen geht, irgendwo in die Sonne hinfährt, gibt einem das so viel, dass man mehr daraus schöpfen kann. Das hat sich im letzten Jahr auf jeden Fall etwas reduziert und trotzdem liegt so viel rum – was ich schön finde.

picky Sofia: Kann man überhaupt verhindern, dass solch ein Ausnahmezustand subtil in die Kunst mit einfließt? Lines aus weniger, wie etwa „Ich träum von Shows / Ich träum von dem, was noch nicht da war“ oder „Ich will, was grad nicht sein kann“, haben auf mich den Eindruck erweckt, als hättet ihr da das Thema lyrisch etwas verarbeitet. Sind das „Pandemie-Lines“?

Jeremias: Es ist eher eine „Ich bin Anfang 20“-Line. Die gesamte Platte kann man leider – es ist ein bisschen Fluch und Segen – auf die Pandemie beziehen, aber ich meine sie eigentlich anders. Ich meine die Platte in der Platzangst und Dringlichkeit, die der Natur des Menschen innewohnt. „Ich will, was grad nicht sein kann“ ist auf jede Generation und jeden Status von Mensch anwendbar. nie ankommen ist auf alles anwendbar. Natürlich werden solche Zeilen durch eine Lockdown-Situation besonders klar. Aber das immer mehr Wollen, diese Sehnsucht, ist Grundthema von golden hour und hat in aller erster Linie mehr mit der Natur des Menschen zu tun als mit Corona.

„Orange und Rot für immer“

JEREMIAS – golden hour

Foto: Lucio Vignolo

picky Sofia: Wenn du sagst, dass Sehnsucht ein zentrales Thema der Platte ist, gibt es dann noch mehr Thematiken, die ihr als Leitmotive für euer Album ausmachen würdet?

Jeremias: Sehnsucht nimmt auf jeden Fall viel ein…

(Jeremias überlegt kurz)

…Was mich auf jeden Fall immer beim Texten begleiten wird ist die Liebe. Man hat die Sehnsucht nach Freiheit, Sehnsucht nach einer anderen Stadt, nach anderen Menschen – das ist die eine Sehnsucht. Aber es gibt auch immer die Sehnsucht nach einer Liebe, nach – ganz pathetisch gesagt – einem geheilten Herzen. Grundsätzlich gibt es ein weiteres Motiv, was die Sehnsucht impliziert. Nämlich das Reisen. Die Platte beginnt mit dem Track sorry und die ersten Lines aus sorry sind:

„Wir fahren daran vorbei / Wir fahren an allem vorbei / Find okay, dass gar nichts bleibt / Ich will nie wieder heim“.

Zehn Songs später schließt das Album auf weniger ab, indem wir sagen:

„Bin ich ehrlich, will ich weg / Bin ich ehrlich mit dir / Wenn du magst, komm doch mit / Komm doch bitte mit“.

Man kann diese gesamte Platte also als Momentum, für uns als Band und Personen, wahrnehmen. Weil es ein kurzes Innehalten von dem ist, was wir die letzten drei Jahre gemacht haben und noch machen wollen. Dieses Innehalten der Reise in unserer bisherigen Geschichte und Laufbahn ist für die Platte ein weiterer übergeordneter Aspekt. Ein Debütalbum macht man nur einmal im Leben – logischerweise (lacht). Und betrachtet man die letzten drei Jahre ist golden hour in dieser Hinsicht eine Momentaufnahme, ein Zwischenfazit.

Symbolisch für die Reisen-Motivik steht das Musikvideo zu „nie ankommen“, hier nachsehen:

picky Sofia: Teilt ihr meine Ansicht, dass ihr innerhalb dieser letzten drei Jahre vom Indie-Geheimtipp zur Band mutiert seid, auf die sich gerade alle einigen können und kann man für diesen wachsenden Erfolg rückblickend Eckpfeiler ausmachen?

Olli: Wahrscheinlich gibt es konkrete Eckpfeiler wie wenn man zum Beispiel bei einer Bookingagentur unterschreibt und sich darüber freut, dass sich jetzt jemand darum kümmert, dass wir so viel wie möglich auftreten können. Doch wenn man da so drin ist, und das ist jeder von uns jeden Tag zu jeder Zeit, nimmt man das ganze eher als eine lineare Bewegung wahr und weniger als Step-by-Step-Ding. Es fühlt sich wie ein konstanter Weg an, der immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir sind noch nicht am Ziel.

Jeremias: Was auch immer das Ziel ist… Es ist aber auch ein heftiger Film und Rausch für uns, weil man eben nie eine Außensicht kriegt. Man muss auf jeden Fall auch festhalten: Auf unserer ersten Headliner-Tour waren wir regelrecht davon erschlagen, dass Leute ausschließlich für uns gekommen sind. Das waren damals so 300er bis 400er-Clubs, die dann plötzlich restlos ausverkauft waren. Ich weiß noch, wie wir diese Tour so ca. ein halbes Jahr vorher angekündigt hatten und bis einen Monat vor Beginn alle mega angepisst waren, weil sie sich nicht so gut verkauft hat. Und dann im Januar war das auf einmal wie so ein rollender Stein, bis plötzlich alle Städte ausverkauft waren. Das war schon so ein Punkt, an dem wir gemerkt haben: „Wow, okay. Da gibt es ein Interesse an uns“. Wir haben bei Late Night Berlin gespielt, das sollte man auch nicht leugnen. Damit ging natürlich von außen auch nochmal eine andere Aufmerksamkeit einher. Ein anderer Fokus wurde auf uns gesetzt. Es fühlt sich so an als wäre das Bild von außen ab dem Zeitpunkt scharf gestellt worden.

Das scharf gestellte Bild – JEREMIAS Anfang März bei Klaas Heufer-Umlaufs Late Night Berlin. Foto: Lucio Vignolo

picky Sofia: Ich verstehe, was ihr meint. Gibt es eigentlich einen Song auf den ihr besonders stolz seid?

Jeremias (zu Olli) : Say it!

Olli: Ich glaube, weniger ist tatsächlich unser aller Liebling. Natürlich finden wir jeden Song richtig geil, aber auf den sind wir irgendwie am stolzesten.

picky Sofia: Ach krass, woran liegt das denn?

Jeremias: einfach und weniger sind anders als die normalen JEREMIAS-Tracks. paris oder nie ankommen sind für unsere Band typische Songs und irgendwo die Konsequenz aus dem, was wir die letzten Jahre gemacht haben. Mit weniger und einfach überraschen wir und vielleicht haben sie auch deswegen einen besonderen Fokus.

Olli: Wenn man zu viert Musik macht und jetzt mittlerweile am dritten Release angekommen ist, tut es auch gut sich selbst mal musikalisch zu überraschen. Keiner von uns weiß jetzt genau, wie die nächsten Songs klingen werden, die wir machen. Ich glaube, das Schöne an Kreativität ist, dass nichts vorgegeben ist und es alles werden kann. Diese kreative Freiheit ist irgendwie richtig geil.

picky Sofia: Was wünscht ihr dem Album selbst?

Jeremias: Man kann dem Album nur eine gute Reise wünschen und hoffen, dass es in vielen Seelen ankommt. Ich glaube, mehr darf und sollte man davon nicht erwarten. Aber wenn etwas gehofft werden kann, dann doch, dass es die Menschen da draußen dermaßen berührt wie es uns berührt hat dieses Album zu machen.

picky Sofia: Wie bei jedem Pickymagazine-Interview, gibt es jetzt für euch einen Blank-Space, in dem ihr loswerden könnt, was auch immer ihr wollt.

Blank-Space à la JEREMIAS:

Jeremias: Es ist so ein geiles Privileg das zu machen, was wir gerade machen. Ob es erfolgreich ist oder nicht, spielt in diesem Sinne eine untergeordnete Rolle. Es ist einfach so eine pure Freude sich mit dieser Masse an Kunst und Kreativität tagtäglich auseinanderzusetzen – ich könnte mir nichts anderes für mich und für uns vorstellen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns als Band, Lucio und unser Management gefunden haben. Trotz dieser Scheiß-Zeit haben wir uns ein Zuhause erschaffen, indem wir unseren Seelen guttun, darüber bin ich sehr glücklich. Und weißt du, was das Allerschönste ist?

picky Sofia: Hau raus.

Jeremias: Es geht nach der Platte weiter. Am 28. Mai ist das Ding durch und dann geht’s weiter. Immer weiter. Es gibt nichts schöneres! Das Leben kriegt nur dadurch einen Wert, dass man irgendwann stirbt. 

picky Sofia: Olli, möchtest du nach diesem deepen Schlusswort noch etwas in deinen Blank-Space pfeffern?

Olli: Tja, schwierig jetzt (lacht)

…Ich fühl mich irgendwie so verantwortlich, weil ich das Gefühl habe, dass wir in einer Position sind, aus der wir Leute positiv mitziehen müssen. Deswegen möchte ich euch Folgendes mit auf den Weg geben: golden hour ist in einem Rausch der Kreativität entstanden und ich finde es wichtig zu sagen, dass jeder dieses künstlerische Potenzial in sich trägt. Jeder hat die Möglichkeit kreativen Output zu schaffen, auf den er stolz sein kann. Stolz und glücklich über das zu sein, was man erschaffen hat, sollte immer die größte Motivation sein. Die Kunst und die Kreativität ist der Antrieb hinter allem.

picky Sofia: Ich danke euch, für diesen philosophischen Input und für eure Zeit. Alles erdenklich Gute fürs Album, haltet durch und viel Erfolg für die im Sommer anstehende Open-Air-Tour!

Jeremias: Danke dir, hat Spaß gemacht.

Olli: Danke zurück.

Foto-Credits gehen raus an the one and only Lucio Vignlolo.

Die Rechte für die Single- und das Albumcover liegen bei Universal Music

golden hour ist auf sämtlichen Streamingplattformen verfügbar und kann physisch bestellt werden (hier klicken)


DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN: