Viel analoge Elektronik, Schmerz und Nahbarkeit: Das düstere Debüt von GAST

GAST live im Kultur Kiosk Stuttgart (Fotos im Artikel: Luise Saenger, Tim Welz)

Mit den Worten „Tanzen während man weint“ beschreibt sich die Post-Punk Band GAST selbst ziemlich treffend. Trotz nur einer veröffentlichten Single hat das Duo schon seinen Weg in die Szene gefunden und spielte live an der Seite von Urbannino oder Konstantin Unwohl. Ihre self-titled EP, die morgen erscheint, baut nun ein Klangkarussell, das sich in rasantem Tempo um die dunkleren Seiten des Lebens dreht.

Dass gerade Süddeutschland momentan eine betrachtliche Menge an Künstler*innen hervorbringt, die sich zu einer neuen, nostalgischen Richtung gesellen, ist kein Geheimnis mehr. Mit GAST, stammend aus Tübingen, kriecht nun noch ein Vertreter aus dem Untergrund ans Licht. Angetrieben von alten Drummachines und Gitarren, die im Gehörgang widerhallen, haben die Bandmitglieder Tim und Linus angefangen Musik zu machen. Ihre Texte sind melancholisch, roh und nahbar – hier wird nichts beschönigt und das ist auch gut so. Wenn man jetzt ihr Pseudonym auf Spotify eingibt, taucht aber nur ein einziger Song auf, jegliche NNDW-Playlist ziert er trotzdem schon.

fallen“ heißt das gute Stück und gibt einen bitteren Vorgeschmack auf das, was GAST in ihrer EP von sich preisgeben. Der Beat beginnt voll Energie, darüber legt sich eine Stimme, die sanfter klingt als erwartet. Sie singt von einer langen Nacht und dem Wunsch, endlich nicht mehr wach sein zu müssen. Doch noch ist die Nacht nicht vorbei, das Lied stolpert weiter, bis es kurz innehält – um dann in einem Wirrwarr aus Synthiesounds wieder Fahrt aufzunehmen. All das durchzieht ein kratziges Gitarrensolo, das kaum aus dem Kopf zu bekommen ist. Der darauffolgende Song „fliegen“ scheint nicht nur vom Titel her Ähnlichkeiten aufzuweisen. Auch hier bäumt das Instrumentale sich auf und endet dann in einer dynamischen Soundmasse. Aber die einzelnen Komponenten wirken nicht so präzise übereinandergelegt, die Idee verliert sich zum Ende hin. Andererseits unterstützt genau das die im Text geschilderte Panik des Sich-Im-Kreis-Drehens, welche in cleveren, dunklen Metaphern verbaut ist. Am Ende bricht man dann doch aus und lernt das Fliegen.

„Starr‘ in den Wald aus Vision, starr wie ein Reh vor der Flucht, ich glaube man fühlt sich so lebendig nur vor dem Tod“

GAST – fliegen

Das Lied, was am meisten hängenbleibt, trägt den schönen Namen „straßenzügelichterketten“. Auch hier kommt eine Menge an Geräuschen von analogen Synthesizern zusammen, aber irgendwie harmonieren sie perfekt in ihrer Unterschiedlichkeit. Die Melodie schwebt dabei über allem und gräbt sich förmlich ins Gedächtnis. Es geht um vergessen wollen und nicht vergessen können, gespiegelt im trüben Leuchten einer Großstadt. Zeilen wie „Ich mal an meine Schädeldecke Bilder/Und schreib Lieder über Liebe/Aber lüge wie gedruckt“ sind nur ein Bruchteil von dem, was die düstere Ästhetik der Lyrics von GAST zeichnet und sie so nahbar macht. Verzerrungen im Gesang unterstützen die Stimmung vollends. Die Band hat es traurigen Eurodance genannt und das kann ich so unterschreiben, im besten Sinne.

Schlussendlich grenzt das Debüt der Tübinger Newcomer an der Reizüberflutung, aber es lohnt sich. Durch das Mitzucken der Muskeln im Rhythmus der Musik wird sofort spürbar, dass die Songs auch live funktionieren. Die Stärke von GAST liegt einfach in der Weise, wie sie Sounds verweben und melancholische Welten in ihren Lyrics erschaffen, in denen man sich wiederfindet. Sie scheinen in die Vergangenheit zu blicken und gleichzeitig nach vorn zu rennen. Kurzgesagt, man tanzt wirklich während man weint. 

Die Debüt-EP von GAST erscheint am 18.11. auf allen digitalen Plattformen: