Sören Geißenhöner alias Es brennt (Foto: Christoph Eisenmenger)
Es brennt (Sören Geißenhöner, Magnus Wichmann) haben am Freitag “Schon Okay” veröffentlicht. Die Single ist der erste Re-Upload einer Reihe von Songs, die das Duo letztes Frühjahr unzugänglich gemacht hatte. Wie’s überhaupt dazu kam, wie die beiden die Rückkehr zur DIY-Attitüde geschafft haben und was die Philosophie hinter Es brennt ausmacht, erfahrt ihr hier.
Zum aller ersten Mal rückten Es brennt mit ihrer Single “Antidote”, die ich u.a. in der Instagram Story von Blush Always entdeckte, in mein Wahrnehmungsfeld. Daraufhin durchforstete ich die Diskografie des Duos, die bisher bloß einen weiteren Song, “So naiv sind wir nicht”, offenbarte. Der Eindruck sollte aber täuschen: Sören Geißenhöner (Gesang) und Magnus Wichmann (Produktion), die beiden kreativen Köpfe hinter Es brennt, verbindet nämlich eine langjährige Freundschaft und gemeinsame musikalische Laufbahn voller Tiefen und Höhen, von Entfremdung und Selbstfindung, zwischen Rap und Indie. Wem die Band I Salute ein Begriff ist, wird die beiden Gesichter wohl noch vor Augen haben. Es brennt heißt ihr aktuelles Projekt und markiert die Rückkehr zur ursprünglichen Philosophie der beiden: alles selber machen. Unter diesem Motto beginnt das Duo eine Serie von Songs wieder zu veröffentlichen, die es zwischenzeitlich offline genommen hat. Den Anfang machte am Freitag “Schon Okay”.
Wer oder was brennt?
Sören Geißenhöner und Magnus Wichmann machen schon lange in verschiedenen Konstellationen und unter mehreren Pseudonymen Musik (zusammen). Dass das Musikerdasein oft auch mit kommerziellen Zwängen verbunden ist, wird vor allem Sören zuteil. Seien es Algorithmen, die den Ton angeben oder Major Deals, an deren Konditionen man gebunden ist. Sich von diesen einfach mal eben komplett frei zu sagen, ist oft gar nicht so einfach.
Unglücklich mit der Außendarstellung und verrannt in dem Glauben, durchweg authentisch und nahbar sein zu müssen, um die Musik einem größtmöglichen Publikum verfügbar und somit auch verkäuflich zu machen, stößt Sören im Frühjahr 2021 mit dem damaligen Projekt der beiden an seine Grenzen. Songs, die erst knapp ein Jahr zuvor als EP veröffentlicht wurden, nehmen die beiden offline und bitten ihr Label um die Vertragsauflösung. Es war bis dato keine Spur mehr von den Songs zu finden.
Etwas Zeit zum Reflektieren und Durchschnaufen später starten Sören und Magnus einen Neuanfang und beginnen dort, wo sie ursprünglich angefangen hatten: mit und bei sich selbst. Es brennt wird zum Gegenentwurf, zu einer Anti-Pop Idee mit gesellschaftlichem und politischem Bezug. Ein Entwurf von Musik für den kleinen, eingeschworenen Kreis an Hörer*innen, die jeden Ton und jede Zeile wertzuschätzen wissen. Während die Welt in Flammen aufzugehen droht, versuchen Es brennt ihre Zuhörer*innen emotional anzuzünden. Ihre kürzlich erschienene EP “Ich bin nicht hungrig” ist das erste Ergebnis dieses Emanzipationsprozesses und kann sich definitiv sehen lassen.
“Wir sind halt die Jungs, die eher am Rand stehen, aber auch als erstes die Pfade abseits des vorhergesehenen Weges trampeln. So emfpinden wir das.”
Sören Geißenhöner über das gemeinsame Musizieren mit Magnus Wichmann für Es brennt
In der Zwischenzeit erreichten Sören immer wieder Nachrichten von Leuten, die die alten, offline-genommenen Songs vermissen. Eben jene haben nun besonders großen Anlass zur Freude, denn: Mit “Schon Okay” ist einer der betroffenen Songs inklusive Musikvideo seit Freitag wieder verfügbar. Und das ist gerade erst der Anfang. Im Zwei-Wochen-Takt werden ebenfalls “Jung” (7.10.) und “Vorbild” (21.10.) unter dem Pseudonym Es brennt wieder veröffentlicht. Allesamt von Magnus neu gemixt und gemastert!
Doch ganz schön mutig: “Schon Okay” ist (wieder) da
“Ich bin gar nicht so mutig”. Beinahe Mantra-artig wird uns dieser Satz in den ersten Sekunden von “Schon Okay” entgegnet. Vor dem Hintergrund der Wiederveröffentlichung entfaltet er eine beinahe ironische Wirkung. Mit dem Herunternehmen der Songs, dem damit einhergehenden Bruch mit der ständigen Verfügbarkeit und der Wiederveröffentlichung unter neuem Namen haben Es brennt nämlich vor allem eins gezeigt: den Mut, sich zu sich selbst zu bekennen.
Auch die, ich würde sagen Schlüsselzeile, “Ich bin gescheitert”, nimmt beim Einordnen des Songs in den Gesamtkontext eine neue Bedeutung an. Definitiv spannend zu beobachten, wie Texte mit der Zeit ihren ganz eigenen Sinneswandel durchzumachen scheinen – ohne hier etwas konstruieren oder gar unterstellen zu wollen.
“Schon Okay” ist durchtrieben von einem anstachelnden Beat, klar einleuchtenden und wohl platzierten Synthie-Einspielern sowie von geradsinnigen Zeilen. Sörens Kopfstimme in der Hook flößt letzteren die notwendige Intensität ein. Spätestens hier geht der Song in sich selbst auf. Klassischer Aha-Moment. Die Erkenntnis, die unterm Strich stehen bleibt? Alles wird besser, aber nichts wird gut.
Mit all den Sorgenfalten kopfüber in den Müggelsee
Entgegen oder besser gesagt gerade wegen der im Song von Sören aufgestellten Behauptung, er sei nie ein guter Schwimmer gewesen, ist das dazugehörige Musikvideo noch genialer als ohnehin schon. So können wir ihm die gesamte Dauer des Videos dabei zusehen, wie er durch den Müggelsee krault. Ist es die Ambivalenz der Dinge, die Konfrontation mit den eigenen Ängsten oder doch die Überwindung des Ist-Zustands? Vielleicht ja eine Mischung aus allem. Es brennt haben in der Zwischenzeit gelernt: Wenn du im Wasser bist, musst du schwimmen, sonst gehst du unter. Aber seht selbst.
Zurück zur DIY-Attitüde
Wer den Song schon vorher kannte, wird wohl schnell festgestellt haben: die Unterschiede zwischen der Ursprungsversion von “Schon Okay” und der neu gemixten und gemasterten Version, die nun neu veröffentlicht wurde, sind marginal. Kaum herauszuhören. Sören selbst betont aber, dass die Differenz beider Versionen dennoch sehr wichtig für ihn sei, da sie die ursprüngliche Philosophie des Duos, nämlich alles selbst zu machen und Einfluss Dritter nur bedingt zu zulassen, wieder in den Vordergrund stelle.
Ausm Bauch heraus singen, zu zweit produzieren, die Gebote der Musikindustrie missachten: all das können Sören und Magnus wieder tun und ihren wiedergefundenen Spirit den alten Songs schenken, die diesen vorerst vermissen haben lassen. Man merkt die Befreiung.