Foto: Clara Nebeling
Irgendwo zwischen Madonna und Hure, hin- und hergerissen, zeigt Alli Neumann sich auf
ihrem Debütalbum „Madonna Whore Komplex“. Die Gedanken zum Album von Neuzugang picky Hannah lest ihr hier.
Freisein als Leitmotiv
Mit dem Titelsong ihres Albums holt Alli Neumann ihre Hörer*innen direkt zu Beginn ab und macht klar: Auf andere hören ist nicht ihr Ding. Und das ist gut so, sonst kämen wir wohl nicht in den Genuss ihrer genialen Gitarrenriffs, markanten Melodien und sexy Synthies. Freisein ist das Leitmotiv des Albums. Sie sagt sich guten Gewissens los von verflossenen, toxischen Beziehungen.
Dabei treiben nicht nur die funky Instrumentals nach vorne, sondern auch ihre selbstbewussten Texte. Die im Titelsong thematisierte Lossagung vom Judgement anderer setzt sie in „Frei“ fort. Wie schon beim Song „Monster“ von ihrer zuletzt veröffentlichten gleichnamigen EP, schlüpft sie im Musikvideo in verschiedenste Rollen. Mal ist Alli Astronautin, dann wieder Boxerin und bricht so mit den Rollenklischees unserer Gesellschaft. Dazu die Chöre im Refrain, die zum Mitgrölen anstacheln und die Bläser, die den Song eröffnen wie eine Kundgebung.
„Madonna Whore Komplex“ kommuniziert klar und direkt
Weiter geht’s mit ordentlich Blues-Feeling auf „bike boy“. Lasziv singt sie von einem außergewöhnlichen Burschen und macht klar: „Ich brauche keinen erfolgreichen Mann, das bin ich selbst, sieh‘ mich an.“ Auch sonst merkt man: Alli ist direkter geworden. In ihren Texten, ihrer Wortwahl, aber vor allem auch in den damit vermittelten Messages.
Auf ihrem Debütalbum spart sie an Metaphern und Meta-Bildern und kommuniziert klar und deutlich: Ich bin, wer ich bin und wie ich bin, lass‘ mich frei sein.
Auf „problem killer“ berichtet sie vom Kampf für die Freiheit, dem Durchtrennen von den Fesseln, mit denen andere sie halten. „Keine Zeit“ hat sie für Menschen, die sich über andere stellen, denn: „Nur weil du Geld hast, heißt das nicht, dass du etwas weißt.“
Freiheit von negativem Umgang, das ist das Wichtige.
Nach dem Vollgas-Start in die erste Hälfte des Albums wird es auf „kleinigkeit“ ganz ruhig und entschleunigt. Langsam nimmt die Deutschpop-Sängerin auf „ATLANTA“ dann aber mit Banjo im Hintergrund wieder fahrt auf. Darauf wird deutlich, dass Distanz nicht nur geografisch, sondern auch zwischenmenschlich zum Problem werden kann. „männer wie du“ sind eben nicht immer leicht im Umgang.
Auf dem achten Song ihres Albums schließt sie ab mit jenen, die sich als etwas Besseres fühlen und Emotionen als Waffe verwenden. Dabei wird die spielerische Gesangsmelodie von der ruhigen, aber präsenten Bassline getragen. Und trotz aufwühlender Themen trägt Allis spürbare Unbeschwertheit dazu bei, dass das Album kein Sammelsurium an belastenden Stücken ist. Auch wenn die letzten vier der zwölf Songs des Albums betont melancholisch und dramatisch daherkommen: Die Stimmung drücken sie dennoch nicht. Zum Ende konstatiert sie auf „stadt in satin“: Man muss sich nichts gefallen lassen. Und man muss nicht jedem immer das Beste wünschen. Freiheit von negativem Umgang, das ist das Wichtige.