Ein Stück Lebendigkeit: Jeremias live in Leipzig

Alles öffnet, die Straßen sind voll, die Becher im Biergarten auch. Man hat das Gefühl, dass sich die Welt endlich wieder weiterdreht. Und was vielleicht am aufregendsten ist: Es gibt wieder Konzerte. Eins davon spielten Jeremias am 24. Juni in Leipzig im Rahmen ihrer Golden Hour Tour. Ein Open-Air gefüllt mit endorphinerfüllten Menschen vor und auf der Bühne, tanzbaren Sounds und – passend zum Albumtitel – warmer Abendsonne auf Häuserwänden.

Eine kleine Schlange hat sich vor dem Felsenkeller im Leipziger Westen gebildet, als der Abend beginnt. Die Stimmung wirkt entspannt, aber man sieht den Leuten an, dass eine gewisse Vorfreude vorhanden ist. Wie wird es wohl sein, nach einem Jahr wieder Live-Musik zu hören? Ist man überhaupt noch textsicher? Und wird das Wetter bei einem so bewölkten Himmel standhalten? Immer mehr Menschen strömen in den Biergarten im Hinterhof, der relativ überschaubar und gemütlich ist – sogar Hollywoodschaukeln gibt es. Es scheint ein sanfter Start in die Konzertsaison zu werden.

Bevor jedoch der Hauptact die Bühne betritt, steht das Electronic Pop Duo Amos Fleur vor den Zuschauer*innen. Blondierte Haare, Outfits ganz in Schwarz und Furbys als Deko – Keine*r weiß genau, was jetzt zu erwarten ist. Die Gruppe hat noch kein Spotify-Profil, auf YouTube sind nur ein paar Cover zu finden. Doch es wird prompt laut und schnell, mit einer punkigen Attitüde steht Sängerin Carlotta selbstsicher vor der Menge. Ihre samtige Stimme untermalt Bandkollege Simon gekonnt mit Synthies und Drums, alles bebt und blinkt. Dass dies ihr erstes Konzert gewesen ist, wie zu Beginn verkündigt wurde, merkt man den beiden auf jeden Fall kaum an.

Credit: Lucio Vignolo

In der Umbaupause fängt es dann an zu regnen. Doch nichts mit Golden Hour? Viele sind schlauerweise mit Regenschirmen ausgestattet, der Rest, der nicht mitgedacht hat, drängt sich unter die Pavillondächer. Aber so schnell wie es angefangen hat, ist es auch wieder vorbei. Dann kommen Jeremias begleitet von einem jubelnden Publikum auf die Bühne und die Sonne bricht langsam durch die Wolken. Als wäre das alles so geplant gewesen. Nach dem musikalischen Intro 2 beginnen sie schwungvoll mit paris – Spätestens jetzt ist jede einzelne Person im Publikum zum Aufstehen und Tanzen gezwungen.

Im Laufe des Konzertes bekommen die Zuschauer*innen das gesamte neue Album zu hören, welches am 28. Mai erschien. Trotz des relativ frischen Releases singen fast alle mit. Man kann den Gesichtern der Band ablesen, was für ein überwältigendes Gefühl das ist, wenn auf einmal hunderte Menschen die eigenen Texte mit solch einer Euphorie wiedergeben. Die Setlist wechselt gekonnt zwischen alt und neu, tanzbarem Funk und emotionaler Ballade. Es fällt auf, dass die vier sich überarbeitete Versionen für die erste EP ausgedacht haben – Songs wie Diffus und Alles wirken cleaner und aufpolierter.

Zum vermeindlichen Schluss erzählt Frontsänger Jeremias die Geschichte hinter dem Albumtitel, die ihr auch noch detailreicher in unserem Interview mit ihm und Gitarist Olli nachlesen könnt. Die golden hour, ein so präsentes Phänomen im Leben der Gruppe, dass dafür eine Widmung geschrieben werden musste. Nach dem Song verschwinden sie kurz hinter der Bühne, nur um kurze Zeit darauf wieder für die Zugabe unter tosendem Applaus zu erscheinen. Alle haben Bock auf so viel Musik wie möglich, die Luft vibriert förmlich vor Energie. Ganze vier Songs spielen die Jungs noch, die Sonne färbt die Wände des Felsenkellers immer rötlicher. Als der letzte Ton verklungen ist, fühlt man sich auf einmal unglaublich leer und erfüllt zugleich. Und will, dass das nie mehr aufhört.