Zum feministischen Kampftag: 15 Alben, die empowern

Feminismus, Musik, Alben

Wir leben in einer Welt, die zwar einen Wandel durchlebt, aber in welcher noch immer patriarchale Strukturen zu tief verankert sind. Und die Musikszene ist dabei keine Ausnahme. Wenn man sich populäre Playlists anschaut, findet man vergleichsweise wenige nicht männliche Künstler*innen; die großen Namen auf Festivalplakaten sind selten weiblich. Das überrascht nicht, wie mehrere Studien zeigen: Männer dominieren das Business, vor und hinter den Kulissen. Doch eine Gegenbewegung ist spürbar, unterrepräsentierte Stimmen werden lauter.

Zum Anlass des heutigen Tages (und auch sonst für jeden anderen) habe ich mir deswegen ein paar Alben abseits des klassischen Bildes des Cis-Mannes herausgesucht. Von inspirierenden Frauen aus den Neunzigern bis zu queeren Künstler*innen der Gegenwart kommt alles vor und bringt Musik voll empowernder Worte in den Alltag. Ein paar Klassiker, ein paar Neuentdeckungen – Hauptsache, es ist der ein oder andere Song dabei, der euch bestärkt und tanzen lässt.

1. WILLOW – WILLOW

Das dritte Album der kalifornischen Musikerin ist genauso schwer beschreiblich wie sie selbst. Mal hört man ihre Stimme sanft „Such a f*cking pretty girl“ hauchen, unterstrichen von abgespacten Sounds, an anderen Stellen schreit sie sich auf die schönste Weise die Seele aus dem Leib. Immer wieder geht es um Weiblichkeit und Gefühle, die einen als Menschen so umtreiben. Innerhalb von acht sehr individuellen Songs lässt Willow uns tief in sie als Person hineinblicken – weshalb die Verwendung ihres Namens als Titel nicht passender sein könnte.

2. ISABELLA FORTUNA – ONE YEAR

Ja, ich weiß, das ist eine EP und kein Album, aber mehr Menschen sollten von dieser Singer-Songwriterin erfahren. Denn Isabella Fortuna zeigt auf ihrem Debut, dass soft sein und stark sein sich nicht ausschließen muss: Meist nur von einer akustischen Gitarre begleitet singt sie sich ins Herz des Zuhörers hinein, mit Texten, die Gedichten gleichen. Alles ganz stripped-down und selbstgemacht. „I’m a fighter, I’m a lion, I’ve been here all along“ heißt es in This Is My Place – wenn das mal nicht ein gutes Motto ist.

3. BJÖRK – POST

Björks Musik klingt so, wie ich mir einen Vulkanausbruch vorstellen würde. Brodelnd, überwältigend, unerwartet. Sie ist ein Beispiel dafür, dass der Akt des Sich-Selber-Sein als Frau in unserer Welt (gerade in den Neunziger Jahren) etwas bewegen kann. Lange stand sie der Bezeichnung „Feministin“ kritisch gegenüber, obwohl sie dessen Ideale verkörperte, doch in den letzten Jahren bekannte sie sich immer mehr dazu. Trotzdem habe ich mich für ihr zweites Album entschieden. Post ist einfach eine musikalische Naturgewalt, die mit Songs wie Army Of Me oder Possibly Maybe kraftvoller nicht sein könnte.

4. SHARON VAN ETTEN – REMIND ME TOMORROW

Nach fünf Jahren Pause hat uns Sharon Van Etten 2019 ein neues Album beschert – und die Wartezeit hat sich gelohnt. Die insgesamt zehn Songs fühlen sich an wie eine Umarmung der großen Schwester, die weiß, was man durchmacht. Wenn Van Etten dann in Seventeen anfängt „I know that you’re gonna be“ ins Mikrofon zu schreien, hat das schon fast etwas therapeutisches. Es geht um Beziehungen; zu Partner*innen, zu Kindern, zu sich selbst und die amerikanische Künstlerin verpackt dies auf die schönste, herzzereißende Weise.

5. COCO & CLAIR CLAIR – POSH

Das Duo Coco & Clair Clair aus Atlanta macht Lo-Fi Hip-Hop, der auch als Videospiel Soundtrack durchgehen könnte (ein Song auf dem Album heißt nicht umsonst Sims 2). Die beiden Künstler*innen haben sich auf Twitter kennengelernt und sechs Jahre später kam das erste Album – glitzernd schillernde Musik, die die Tumblr Ästhetik von 2015 verkörpert, auf positive Weise. Wenn du also heute in deinem coolsten Outfit zum Supermarkt läufst und Musik brauchst, die dabei dein Selbstbewusstsein pusht, dann bist du hier genau richtig.

6. JAMILA WOODS – LEGACY! LEGACY!

Der Titel sagt es eigentlich schon: Die Musikerin und Aktivistin Jamila Woods setzt ein Erbe fort, das der künstlerischen Frauen vor ihr. Wenn man sich die Songs genau ansieht, trägt jeder den Namen inspiriernder POCs der Geschichte – über Frida Kahlo bis zu Betty Davis. Woods setzt sich mit den komplexen Leben dieser Personen auseinander und baut daraus ihre eigene Welt, lyrisch und musikalisch. „I am not your rib, I am not your Eve“ singt sie in Giovanni – das ist der Spirit, den wir brauchen.

7. MOURN – SELF WORTH

Sehnst du dich auch nach einer feministischen Punk Band um ein bisschen Frust abzulassen, weil Frauen immer noch 19 Prozent weniger verdienen als Männer? Dann bist du bei Mourn genau richtig. Das Trio aus Spanien machen mit ihrem mittlerweile vierten Album Self Worth lautstark klar, dass sie keinen Bock mehr auf den alltäglichen Sexismus haben. Sie wollen endlich gehört werden. Bei diesen kraftvollen neuen Songs auf der Platte tut man das auf jeden Fall gerne.

8. ALICE PHOEBE LOU – PAPER CASTLES

Als Skin Crawl als Vorbote für das Album vor zwei Jahren mitsamt Video erschien, hat es mich komplett umgehauen. Die Musik der Südafrikanerin Alice Phoebe Lou hat eine unglaubliche Leichtigkeit, die im Kontrast zu den sehr tiefgründigen Texten stehen. Wie eine Traumsequenz fühlen sich die fast 40 Minuten von Paper Castles an und man will gar nicht erst aufwachen. „How about I take your patriarchy, your misogyny and I put it in the backyard and set fire to it“ – so klingen dann die letzten Zeilen des anfangs erwähnten Songs. Ein guter Plan, finde ich.

9. LITTLE SIMZ – GREY AREA

Einer der besten Stimmen des Raps momentan kommt aus London: Little Simz‚ neustes Album sprüht nur so vor Energie. Manche Songs sind ganz laid-back, andere messerscharf. Auf jeden Fall trifft jedes Wort, das den Mund der Künstlerin verlässt, gezielt wo es hin soll und das in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Sie beschäftigt sich größtenteils mit radikalen, politischen Themen wie Waffengewalt – und Selbstliebe. Gerade Selfish ist eine Hymne daran, seinen eigenen Wert zu kennen und zu schätzen. Ein bisschen Egoismus tut nun mal auch gut.

10. PJ HARVEY – IS THIS DESIRE?

Noch eine coole Frau aus den Neunzigern: PJ Harvey, die Pionierin des Alternative Rock. Wenn man sich Is This Desire? anhört, hat man mehr das Gefühl Geschichten erzählt zu bekommen anstatt einfach nur Musik zu lauschen. Die britische Künstlerin gibt uns in ihrem vierten Album Einblicke in die Leben anderer – insbesondere von Frauen. Catherine, Joy, A Perfect Day Elise enthalten alle weibliche Namen und entführen uns in andere Realitäten. All das wird untermalt von kratzigen Gitarren und düsteren Sounds – Eine Platte, die man sich mal wieder geben sollte.

11. AH-MER-AH-SU – STAR

Das Debut von Ah-Mer-Ah-Su beginnt mit einem Gesprächsauschnitt, der sich um Selbstverwirklichung dreht. Ein Thema, was sich durch das ganze Album zieht, mit all seinen guten sowie Schattenseiten. Wie befreit man sich aus gesellschaftlichen Traditionen und wird zu dem Menschen, der man eigentlich ist? Als Teil der Trans-Community hatte die Künstlerin aus Oakland einen schwierigeren Weg dorthin als so manch andere Person und darüber erzählt sie in Star. 13 Songs voller gefühlvollem Elektropop, der einen zum Tanzen, aber auch zum Nachdenken bringt.

12. ARLO PARKS – COLLAPSED IN SUNBEAMS

Ich weiß, dieses Album befindet sich gerade schon in aller Munde, aber es geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Arlo Parks ist wahrscheinlich die spannendste Newcomerin des letzten Jahres und das zurecht. Was sie uns mit Collapsed in Sunbeams jetzt gegeben hat, ist eine ganz feste Umarmung auf höchstem musikalischen Niveau. Wer braucht das nicht momentan? In ihrer Musik spricht die britischen Künstlerin offen über mentale Gesundheit und queere Lebensrealitäten, womit sie den Nerv der Zeit nicht besser treffen könnte. Und wenn sie dann „Just know it won’t hurt so, won’t hurt so much forever“ mit ihrer samtweichen Stimme singt, wirkt alles nicht mehr ganz so schlimm.

13. ODETTA HARTMAN – OLD ROCKHOUNDS NEVER DIE

Odetta Hartmans Musik klingt so, als wäre sie von einem anderen Planeten. Wie die Lieder, die man in einer düsteren Westernkneipe hört – nur abgespaceter. Der Stand Out Song des Albums, Widow’s Peak, beginnt sanft aber geht irgendwann in ein schrilles Orchester über. „I won’t be yours anymore“ singt Hartman am Ende – aber allein kommt die Künstlerin auch sehr gut klar. Ein Album mit Banjos und schrägen Geigen, ein Werk einer kraftvollen Frau, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

14. WARPAINT – HEADS UP

Rock ist noch immer ein sehr männerdominiertes Genre, da erscheint eine Band wie Warpaint als erfrischende Abwechslung. Ich bin den Künstlerinnen schon seit dem Album davor verfallen, aber Heads Up zeigt sich noch gefasster, ausgeklügelter. Melancholische Sounds und Texte, die sich um schwierige sowie innige Beziehungen drehen – Vier Frauen, die ihre Geschichten erzählen. Mal ganz soft und mal ganz laut, aber in sich wurde hier ein wunderschönes Gesamtkunstwerk geschaffen.

15. KAE TEMPEST – A BOOK OF TRAPS AND LESSONS

Wenn ich an Kae Tempest denke, passt der Begriff Poet*in fast besser als Musiker*in. Was in den Alben davor noch fast reiner Rap war, wurde in A Book Of Traps And Lessons zu Spoken Word und offenbart eine ganz neue Seite. Politik und queere Liebe wird auf schönste Weise in Worte verpackt, viel sanfter als zuvor. Ein Jahr später zeigt uns Kae dann noch mehr von sich selbst: Ein Instagrampost teilt uns vom Coming Out als nonbinär mit. Nun zum Schluss, mit dem Wort perfekt sollte man vorsichtig umgehen, aber dieses Album ist es.