Von der Bekenntnis zum Unvollständigsein: „Alles ist nur Übergang“, versichert uns All diese Gewalt

Max Rieger aka. All diese Gewalt (Foto: Max Zerrahn)

Man kennt ihn als Produzenten so manchen Projektes und Mitglied der Band “Die Nerven” – doch wenn Max Rieger für sich selbst Musik schafft, dann fällt der Name All diese Gewalt. Morgen erscheint nun nach drei Jahren Pause sein neues Album “Alles ist nur Übergang”, geprägt von einer Nahbarkeit, die unter die Haut geht.

Jeden Tag bricht nun die Dunkelheit wieder ein bisschen früher herein und legt sich wie eine schwere Decke über alles. Mit der Zeit fällt es noch schwerer, sich nicht davon einhüllen zu lassen.In solchen Momenten zündet man entweder Kerzen an oder hört Max Rieger dabei zu, wie er über den Fluss des Lebens singt. Sein neues Album beginnt der Künstler mit den Worten “Ich bin das Licht” und weichen Gitarren – in sich blickend, doch nach außen wirkend. Es ist vielleicht nicht der warme Sonnenschein, den man in Wintermonaten am meisten vermisst, sondern mehr ein Gleißen, was es braucht, um manche Dinge in neuem Licht zu sehen. „Alles ist nur Übergang“ zeigt sich erschütternd ehrlich, gräbt sich mit jedem Ton in den Körper.

Dies wird noch deutlicher beim Prozess der Albumentstehung selbst. Rieger spricht von einem Schwall Erbrochenem, der so schnell wie er aufkam auch wieder abebbte. Die Beschreibung bildet einen Kontrast zum Vorgänger “Andere” aus dem Jahr 2020, an dem er ewig schliff. Manchmal fühlt sich kreative Arbeit immer fremder an, desto länger man versucht jeden Part an den richtigen Ort zu platzieren – bis man sich irgendwann selbst darin nicht mehr wieder erkennt. Wo bei der vorherigen Platte noch die Lyrics “Alles geht zu Ende” wie ein Mantra auftauchen, entsteht nun eine andere Perspektive: “Alles ist nur Übergang”, alles ist unfertig und darf es auch sein. Dass er mit der Erkenntnis fast Frieden geschlossen hat, zeigt sich in der Zärtlichkeit, die seine Stimme gerade im Titelstück durchzieht; in der Gelassenheit der instrumental reduzierten Momente.

Man könnte meinen, dass Riegers Emotionen in den brachialen Klangkulissen, die seine Songs immer wieder aufbrechen, am intensivsten spürbar werden, doch es passiert bei eben diesen Stellen voller Ruhe. Vielleicht liegt es daran, dass Texte tiefer gehen können, wenn sie mehr allein dastehen. Seine Worte der Selbstreflexion in “etwas fehlt” schnüren sich beim Zuhören eng um die Brust, so wie er geradeheraus darüber singt, sich nicht gerecht geworden zu sein. Ein Saxophon, welches die Melodie zu Ende hin plötzlich sanft unterlegt, ist nicht das, was man von All diese Gewalt erwartet, doch es webt sich mühelos in seinen Sound hinein, als wäre es schon immer ein Teil davon gewesen. Wir müssen hier wahrscheinlich nicht erwähnen, wie gewandt Rieger darin ist, musikalische Welten zu schaffen und in welchen zahlreichen Projekten er das parallel tut.

Dabei zeigt All diese Gewalt den Kern seines Schaffens als Künstler und auf diesem Soloalbum scheint er ihn noch mehr ins Licht zu halten, seine Facetten und Zwiespälte offenzulegen. Wie “21 gramm” erzählt, bewegt er sich zwischen Schwere und Leichtigkeit, findet seine Seele in Limbo und nimmt an, dass sie dort ist – egal wie instabil es sich anfühlt. Da steckt eine radikale Akzeptanz für diesen Zustand in “Alles ist nur Übergang”. Die Songs mögen teils düster klingen, nahe gehen, aufwühlen; doch wenn man das zulässt, spendet die Platte vor allem eines: Trost. Denn auch dieser Winter wird irgendwann vorbeigehen, so wie alles andere auch.

Hier bekommt ihr einen ersten Einblick in die Singles des Albums: