SWEED im Interview über seine Debüt-EP „Sweedside“, GenZ-Struggles und die Musikindustrie

SWEED Sweedside EP

Wer SWEED ist, solltet ihr spätestens seit unserem Beitrag über seine Single „Summernight“ wissen. Um den spannenden Newcomer aus Stuttgart besser kennenzulernen, der vergangenen Freitag seine Debüt-EP „Sweedside“ veröffentlichte, hat sich picky Sofia mit Niklas Schwedt (so heißt SWEED mit bürgerlichem Namen) für ein Gespräch verabredet. Dabei rumgekommen ist ein schöner Austausch über Freundschaften, das Gefühl Teil der GenZ zu sein und den Wunsch, in der Szene anknüpfen wollen. Aber auch über den Entstehungsprozess und die Hintergründe zu „Sweedside“ hat Niklas viel erzählt. Das Interview lest ihr hier. 


picky Sofia: Hey Nik, wie schön, dass du dir Zeit genommen hast. Magst du dich mal vorstellen für die Leute, die dich noch nicht kennen?

Niklas: Ich bin Niklas. Musik mache ich unter dem Künstlernamen SWEED und bin 23 Jahre alt. Musik mache ich eigentlich schon mein ganzes Leben lang, aber das Projekt SWEED gibt es eigentlich erst seit November 2019. Das ist alles relativ spontan aufgrund einer Produktions-Session damals mit einem Kumpel von mir, Luke Noa, entstanden. Er hat mir sozusagen Logic bisschen nähergebracht. Ich hatte bis dato eigentlich immer nur live gespielt. Als er mir das gezeigt hat, dachte ich: „Boah geil, ich hab eigentlich auch Bock, was an Start zu bringen!“. Daraufhin hab ich mir das Produzieren beigebracht. Seitdem ging’s irgendwie los und hat auch nicht mehr aufgehört. Jetzt ist das Projekt SWEED das, worin ich all meine Energie reinstecke, neben Unikram und Skaten.

Der Entstehungsprozess und das Drumherum 

picky Sofia: Deine EP „Sweedside“ ist am Freitag erschienen. Wie blickst du auf den Entstehungsprozess zurück?

Niklas: Es ist auf jeden Fall krass…Es ist auch irgendwie so ein Kuddelmuddel gewesen, muss ich sagen. Im Oktober haben Luke und ich uns eigentlich für eine Woche eingesperrt mit dem Gedanken jetzt mal eine EP machen zu wollen, damit ich auch mal was Großes habe und nicht nur einzelne Tracks, wie bisher. Dann hatten wir eigentlich schon fünf Songs dafür ready. Die einzigen Songs, die von diesen fünf dann aber letztendlich rausgekommen sind, sind „Summernight“ und „Never Belong“ gewesen. Den Rest haben wir wieder rausgeschmissen. In der Zwischenzeit sind Songs bei mir alleine entstanden, die wir dann auf die EP geschoben haben, weil wir dachten, dass die doch besser passen.

picky Sofia: Wie kam‘s eigentlich, dass Luke Noa dein Produzent ist?

Niklas: Boah, ich glaube, das war damals durch die Musikschule, in der wir beide in unserer Heimat Biberach waren. Wir sind seitdem sehr sehr gut befreundet. Wir sind im gleichen Freundeskreis aufgewachsen und haben alles miteinander erlebt und zusammen durchgemacht.

picky Sofia: Seit wann habt ihr gemeinsam an der EP gearbeitet?

Niklas: Als „Birdsong“ fertig war, wussten wir schon, dass es eine EP werden soll. Wir haben ab dem Zeitpunkt auch die Artworks, die auch ein Kumpel von mir macht, farblich aufeinander abgestimmt, damit am Ende ein passendes Bild bei rumkommt.  

picky Sofia: Gibt es irgendwas an Literatur, Musik oder Kunst, das dich während des Entstehungsprozesses deiner EP begleitet und inspiriert hat, was du mit uns teilen möchtest?

Niklas: Logischerweise bekomme ich ja all das mit, was Luke so macht. Luke ist für mich in der Hinsicht schon so ein Mentor. Nicht, weil ich mir seine Musik dauerhaft gebe – ich höre das Zeug ja auch schon bevor es rauskommt tausend Mal – aber dieses Gespür und seine Art an Dinge ranzugehen inspiriert mich schon krass. Was mich an Musik sonst immer begleitet ist THE NEIGHBOURHOOD. Es gibt keine andere Band, die ich mehr feiere. Die sind das aller Krasseste für mich.

picky Sofia: Wie würdest du die EP einordnen, was bedeutet sie für dich als Künstler?

Niklas: Ich hab mir die letzten Tage viel Gedanken darüber gemacht, was die EP für mich ist. Das Ding ist ja auch, dass ich nicht weiß, was damit passiert. Es kann sein, dass es mit großem Glück, wie bei meiner Single „Never Belong“, durch den Algorithmus in eine große Playlist kommt und mehr Leute davon Wind bekommen. Oder es passiert halt gefühlt gar nichts, was bei meinen Songs auch schon mal passiert ist, wo ich dachte, dass da mehr kommt. Aber am aller wichtigsten ist für mich, dass die EP mich als Person ganz gut beschreibt. Deswegen heißt sie auch „Sweedside“. Es ist keine EP, durch die sich stringent ein Storytelling durchzieht, was einem Oberthema treu bleibt. Mal setze ich mich auf meiner EP mit mir selbst auseinander, mal geht es aber auch um psychische Dinge oder daily struggles, die eigentlich jeder so hat. Auf der anderen Seite ist mit „Summernight“ auch eine Liebesschnulze mit dabei. In „Cold Desert“ und „Never Belong“ geht es um Herzschmerz. Deswegen ist es für mich ein kunterbunter Mix. Das ist „Sweedside“ – also alle Seiten, die ich als SWEED so an mir hab als eine EP.

Die Industrie ist nicht immer ein Ponyhof 

picky Sofia: Wo du gerade Algorithmen ansprichst: Fühlst du dich als kleinerer Künstler davon unter Druck gesetzt, dass Songs, damit sie eher in einer großen Playlist gefeatured werden, bestimmte Kriterien was zum Beispiel Länge angeht erfüllen müssen? Oder blendest du das komplett aus?

Niklas: Ich muss sagen, im Winter habe ich das ganze Thema schon noch ernster genommen. Ich hatte davor gar keinen so großen Plan davon. Erst als ich andere Musiker in der Szene kennengelernt habe und man dann ja auch viel darüber spricht, habe ich erst so richtig Wind davon bekommen. Vorher war mir nicht unbedingt bewusst, dass es tatsächlich eine so große Rolle spielt, ob ein Song jetzt 3:12 min. oder 5:00 min. lang ist. Im vergangenen halben Jahr habe ich mich aber dann immer mehr davon gelöst, weil mir voll klar geworden ist, dass ich einfach Musik machen möchte. Und wenn ich mich die ganze Zeit nur darauf fixieren würde, dass ein Song nur so oder so lang sein darf, dann weiß ich auch nicht, wo das alles hinführen soll… Wenn alles irgendwann nur noch so ein Algorithmus-Ding ist, dann entsteht auch keine echte Musik oder Kunst. Deswegen ist das zum Beispiel auch bei den Songs, die ich neu für die EP geschrieben habe, komplett gegenteilig. Mittlerweile bin ich weg davon. Im Endeffekt geht es um Musik, das ist das aller wichtigste. Mir geht es am Ende auch darum, dass ich mit meinen Songs wenigstens eine Person beeindrucken kann, anstatt 100 Leute kurz anzusprechen, die sich den Song vielleicht einen Monat anhören und ihn danach vergessen haben.

picky Sofia: Wie wichtig ist es dann, sich mit anderen Newcomern zusammenzuschließen, denen es vielleicht ähnlich geht? 

Niklas: Mir ist das schon sehr wichtig mich mit anderen aus der Szene zu connecten. Ich war zum Beispiel letztens in Leipzig und hatte zwei Tage lang eine Writing-Session zusammen mit Simon (Anm. d. Verf.: Simon Freidhöfer von xxJUGENDSTILxx). Ich finde es wichtig, sich auszutauschen und sich auch im echten Leben und nicht nur übers Internet zu kennen. Ich bin ein mega offener Mensch und bin auch nicht der Typ, der irgendwelche Vorurteile gegenüber jemandem hat. Trotzdem muss man sagen, dass es in unserer Branche sehr schwierig ist Kontakte zu knüpfen. Ich hab auch schon Leute kennengelernt, die reden dann nur drei Sätze mit einem. Ich finde einfach, sowas muss nicht sein. Musik ist doch irgendwie was Kreatives und da gehört für mich auch Liebe, Offenheit und Spaß dazu. Deswegen finde ich es so schade, wenn sich dann manche zu schade sind mit einem zu reden oder sonst irgendwas. Aber das Connecten an sich ist mir mega wichtig und ich freue mich immer, neue Leute kennenzulernen. 

„Wir sind alle so perfekt gestylt in unseren coolen Vintage-Klamotten. Aber eigentlich steckt unter diesen ganzen Klamotten und unter der ganzen Fassade ein Mensch, den wir vielleicht gar nicht mehr so rauslassen, wie er eigentlich ist.“

Lyrik, Mental Health, GenZ

picky Sofia: Ich würde mit dir gerne auch inhaltlich nochmal bisschen tiefer in deine EP eintauchen. Lass und doch chronologisch mit „Someone“ anfangen. In dem Song beschreibst du den Struggle zu sich selbst zu finden beziehungsweise für sich herauszufinden, wer man eigentlich sein möchte. Hat dir der Song auf deinem Selbstfindungsprozess geholfen?

Niklas: Auf jeden Fall! Ich finde, Songs schreiben ist immer auch ein Loslassen von Gefühlen und irgendwelchen Zwängen und Ängsten. Ich habe den Song an so einem depressiven Regen-Samstag geschrieben. Das war tatsächlich nur ein Tag und der Song war durch. Mir ging’s danach auf jeden Fall besser damit. Nichtsdestotrotz ist es super schwer aus diesem „ich muss mich anpassen“-Ding rauszukommen. Ich glaube, jeder von uns kennt das ein Stück weit von sich selbst – gerade auch mit Social Media. Im Moment bin ich aber super arg ich selbst, weil ich mich zurzeit gar nicht mehr mit anderen Personen auseinandersetze, sondern nur bei mir selber bin. Gerade auch durch die EP und den ganzen Entstehungsprozess. Da merkt man ja auch: Okay, das bin ich. Das habe ich gemacht. Das habe ich erschaffen, niemand anderes.

Sweed
Niklas Schwedt alias SWEED

picky Sofia: Würdest du sagen die Pandemie war auch ein Faktor, der dabei geholfen hat, sich Zeit zu nehmen, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen?

Niklas: Aber auch da haben wir wieder die Kehrseite mit Social Media. Seitdem Corona ist hängen wir gefühlt nur noch daran und es macht eigentlich alles nur noch schlimmer. Vor allem ist es ja wirklich so: Du schaust einmal drauf und irgendwas kommt, was dir nicht passt und du hast direkt schlechte Laune. Deswegen fand ich es gerade in der Hochzeit der Pandemie voll schlimm mit mir alleine zu sein, weil man eben nur die ganze Zeit im Internet abgehangen hat. Da kommt halt ein Downer nach dem anderen, aber es gab bestimmt auch Phasen, in denen man sich mit sich selbst auseinandergesetzt hat.

picky Sofia: Der Song auf deiner EP, der mich persönlich am meisten beschäftigt hat, ist „Generation Z“. Eben weil ich genau zu dieser Generation, wie du ja auch, dazugehöre. Was macht uns als GenZ denn deiner Meinung nach am aller meisten aus, was hat dich dazu bewegt, diesen Song zu schreiben?

Niklas: Ich wohne jetzt seit drei Jahren in einer Großstadt und seitdem ich hier wohne habe ich es viel extremer wahrgenommen, dass nach außen alle immer so super cool zu scheinen sein und innerlich ist aber gefühlt jeder voll das psychische Wrack. Jeder, wirklich jeder, den ich kenne. Egal, ob es meine besten Freunde sind, oder ich selbst. Man ist nach außen immer so cool, aber jeder hat im Inneren eine gebrochene Seite. Genau das wollte ich irgendwie auf den Punkt bringen und ich glaube, das ist mit „Generation Z“ ganz gut gelungen. Wir sind alle so perfekt gestylt in unseren coolen Vintage-Klamotten. Aber eigentlich steckt unter diesen ganzen Klamotten und unter der ganzen Fassade ein Mensch, den wir vielleicht gar nicht mehr so rauslassen, wie er eigentlich ist. Genau das wollte ich damit beschreiben.

picky Sofia: Da gehe ich voll mit, das beobachte ich in meinem Umfeld und an mir selbst auf jeden Fall auch. Stört es dich denn trotzdem, dass aber auf der anderen Seite von außen so ein stereotypisches Bild von uns gezeichnet wird, dass wir bloß die faule Nichtskönner-Generation seien?

Niklas: Voll! Ich find’s zum Beispiel bei der Frage, ob Cannabis legalisiert werden sollte, besonders schlimm. Da ruhen sich viele Ältere auf ihren festgefahrenen Klischees aus. Für den Rest der Gesellschaft sind wir gefühlt eh „kreative Nichtsnutze“.

picky Sofia: Woher ist denn eigentlich die Audiospur dieses Moderators, die du in dem Song eingebaut hast, der die Jugend genauso verteufelt?  Sagt der nicht sogar die heutige Jugend sei die schlimmste, die es je gab?

Niklas: Uff…Da habe ich ewig mit meinem Mitbewohner auf YouTube rumgesucht. Das ist ein Tagesschau-Beitrag aus den 70ern gewesen (lacht). Genau so wie es damals war, ist es jetzt gefühlt auch wieder. Passt ganz gut, deswegen habe ich es mit in den Song integriert.

Ein Ausblick in die Zukunft

picky Sofia: Was soll mit „Sweedside“ passieren? Was wünschst du dir für dieses Projekt?

Niklas: Ganz einfach: Dass die EP akzeptiert wird. Es wäre super schön, wenn die Leute das appreciaten, was ich da gemacht habe und sie im Hinterkopf vielleicht wissen, was das doch für eine große Arbeit ist, wenn sie sich das anhören. Die Leute bekommen am Ende immer nur das Endprodukt zusehen, nicht die ganzen Schritte, die dazwischen liegen. Deswegen ist mir die Akzeptanz so wichtig und natürlich wäre es schön, wenn es zahlentechnisch bisschen mehr abgehen würde, aber das kann man nie wissen und ist auch eine Glückssache. 

picky Sofia: Und was dürfen wir in Zukunft noch so von dir erwarten?

Niklas: Wahrscheinlich erstmal wieder viele Singles, ich hab auf jeden Fall einen Haufen Skizzen noch rumliegen. Und dann werde ich irgendwann die nächste professionelle EP angehen. Mal gucken, was bis dahin so passiert.

Blankspace 

picky Sofia: Am Ende haben wir wie bei jedem Interview einen Blankspace für dich. Was liegt dir noch auf dem Herzen? Any last words?

Niklas: Liebt euch. Stay for life. Cool bleiben.

Beitragsbild: Elena Pagano

Die EP ist ab sofort digital hörbar.