„Sometimes, Forever“: Soccer Mommy nimmt endgültig Rolle der Indie-Visionärin ein

Soccer Mommy (Foto: Sophie Hur)

Getrieben vom Selbstfindungsprozess: Soccer Mommy widmet der Ambivalenz des Lebens auf “Sometimes, Forever” elf Songs und nimmt endgültig die Rolle der Indie-Visionärin ein.

Ja, das ist schon so eine Sache mit dem Erwachsenwerden. Wann ist man das schon, also erwachsen? Eine genaue Antwort auf diese Frage hat Soccer Mommy nicht unbedingt, allerdings stets den begleitenden Soundtrack für diese Lebensphase geliefert. Auch ihr neues Album “Sometimes, Forever” widmet Sophie Allison, wie Soccer Mommy mit bürgerlichem Namen heißt, der Identitätsfrage umtrieben von sowohl hellen als auch dunklen Momenten.

Der Opener “Bones” setzt die Messlatte für die darauffolgenden Tracks direkt mal ziemlich hoch. Im Grunde macht Soccer Mommy mit diesem Album genau dort weiter, wo sie zuletzt aufgehört hat: Nahbare Erzählungen aus der Ich-Perspektive verpackt in Gitarrenmelodien, bei denen einem nichts anderes übrig bleibt, als ihnen zu verfallen. Jemand sein wollen, der Gutes verdient hat, weil man seiner jetzigen Version nicht zutraut, genügend zu sein. Dieser innere Konflikt, den man eher für andere, als wirklich für sich selbst austrägt, wird in “Bones” besungen. 

„I wanna know what’s wrong with all the ways I am. I’m trying to be someone that you could love and understand but I know I’m not.“

Soccer Mommy – Bones
Pionierin: Soccer Mommy ist gekommen, um zu bleiben (Foto: Sophie Hur)

Der darauffolgende leidenschaftliche und mindestens genauso tanzbare “Shotgun” thematisiert das Verlangen nach Zuneigung und Intimität. Dieser Wunsch wird wenig später auf “Darkness Forever” allerdings ertränkt. Auch wenn hier nie enden wollende Dunkelheit manifestiert wird, gibt es auf dem Album ebenso Momente, in denen die Lichtstrahlen zwischen den Riffs durchblitzen. Da ist sie also wieder, die Ambivalenz des Lebens.

Es scheint, als besinne sich Soccer Mommy mit “Sometimes, Forever” auf das, was sie nun mal am besten kann: Indie-Hymnen schreiben, die berühren. Allerdings scheut sich die Musikerin aus Nashville keineswegs davor ihren Songs (wie etwa “Unholy Affliction”) auch den Raum für musikalische Experimentierfreudigkeit einzuräumen. Soccer Mommy klang noch nie so klar, organisch und unmittelbar wie auf „Sometimes, Forever”.

Auf den elf Songs tanzen die Zeitebenen umeinander. Das Album lebt von der Ambivalenz des Lebens, die Soccer Mommy zu akzeptieren gelernt hat. Dabei haben alle Gefühle ihre Daseinsberechtigung: Verlangen und Lethargie, Ekstase und Elend ebenso wie Zurückhaltung und Leidenschaft. Unverblümte Liebeslieder treffen auf Songs, die düstere Bilder malen und damit auch dunkle Episoden verständlich machen. Dass diese dunklen Episoden genauso zyklisch sein können, wie die Phasen, in denen man dem Leben mit offenen Armen begegnet, weiß Soccer Mommy ganz genau. Es ist das Wechselspiel zwischen Ups und Downs, welches das Album so aufreibend und gleichzeitig so nahbar macht. Der Titel „Sometimes, Forever“ vereint die Quintessenz des Albums in sich: gute und schlechte Zeiten werden stets kommen und gehen, was für immer bleibt ist die Transition von der einen in die andere Phase.

Soccer Mommy’s Songs entfalten eine ungeahnte Kraft. Sophie Allison nimmt mit ihrem neuen Album endgültig die Position der Indie-Visionärin ein. Sie hat die Tür für eine ganze Szene, auch hierzulande, aufgetreten, durch die nun Bands und Künstlerinnen wie etwa Brockhoff, Blush Always, Philine Sonny und Moonpools (CH) selbstbewusst durchmarschieren. „Sometimes, Forever“ ist die Manifestation dieses wertvollen Wegbereitens.

Die schonungslose Ehrlichkeit und der Mut als weiblich gelesene Person Geschichten aus der eigenen Perspektive zu erzählen, welcher oft ihre Berechtigung abgesprochen wird, sind es, die Soccer Mommy als Mentorin vorangehen lassen. Ihr Schaffen ist ein empowerndes Pamphlet für all diejenigen, die zwar mit cis-männlichen Rollenbildern in der Gitarrenmusik sozialisiert wurden, sich aber über jene hinweggesetzt haben und mit ihren erfrischenden Blickwinkeln eine Szene aufmischen, die national wie international nicht nur männlich dominiert, sondern auch wie eingefroren schien. Ich wünsche mir, dass so viele wie möglich durch die Tür rennen, die u.a. Soccer Mommy aufgetreten hat. Rock’n’Roll is fucking alive und wer darunter noch breitbeiniges Rumgemacker mit einer auf Kniehöhe baumelnden Gitarre versteht, dem wünsche ich von Herzen gute Besserung!

Und so klingt das: