Paula Carolina benennt mit „Heiß/Kalt“ gefühlte Ambivalenz

Paula Carolina (Foto: Sophie Löw, Bearbeitung: Eric Nagel)

Für Paula Carolina läuft es aktuell so richtig. Mehr als 30 Shows auf Festivals in ungefähr drei Monaten und Ende des Jahres ihre erste eigene Tour. Mit 6 Songs und zwei Specials im Gepäck befasst sich die Vokuhila-Trägerin auf ihrer zweiten EP „Heiß/Kalt“ mit dem Undefinierten und den Zwiespälten des Lebens. Die Tracks sowie ihr Auftreten dabei: Rotzfrech, aber arschcool.

Mit dem ersten Track „Schreien“ liefert die Musikerin eine Hommage an die große Stadt mit „B“. Berlin natürlich. Ob männlich gelesene Menschen in Kleidern, unzählige Füchsen in den Gassen der Großstadt oder wallende Frisuren auf den Köpfen der Menschen — alles scheint an diesem vermeintlich magischen Ort möglich zu sein. Der erste Track ist der Sound einer jungen Generation, die rebellisch und reizüberflutet zugleich dem Leben folgt. „Schreien“ klingt spontan, nach langen Nächten und einem unzähmbaren Freiheitsgefühl.

A wie Arbeit, B wie Business, C wie Champagner

Als Kontrastprogramm widmet sich Paula Carolina mit „Trophäe“ argwöhnisch einem Menschen, der das eigene Sein mit Angebereien, Networking und viel zu viel Smalltalk verschwendet. Und bei dem ganzen Gerede über Porsche, Champagner und Business geraten die wichtigen Momente wie Geburtstage oder ein einfaches „Wie geht es dir?“ immer mehr in Vergessenheit. Paula Carolina fühlt sich zu wenig gewertschätzt und hat keinen Bock mehr auf permanente Objektifizierung: „Nein nein, ich will nicht deine Trophäe sein, nur eine von vielen in deiner Vitrine. (…) Häng‘ doch die anderen an deine Wand dran.“

Kannst du mal bitte deine Fresse halten?

Bereits in den ersten beiden Zeilen von „Bitte Bitte“ etabliert sich das Bild einer Person, auf die wahrscheinlich jede*r verzichten kann: Unter lautem Schmatzen werden forsche Meinungen und ungefragte Wertungen formuliert, währenddessen immer wieder Mettigel-Brocken aus dem Mund und auf den Tisch fallen. Danach werden weitere naive, unreflektierte und antifeministische Aussagen gegrölt und wenn diese nicht auf Zuspruch stoßen gilt man als verklemmt oder hat angeblich vielleicht sogar seine Tage. Zum Schluss murmelt die Person dann ungefähr so etwas, wie „Naja, aber wenigstens biste nett anzuschauen“ und gönnt sich einen knallharten Blick auf die Brüste der einzigen Frau in der Runde. Denn klar, Sexualisierung ist hier vorprogrammiert. Das Resultat auf dieses verschobene Welt- und Frauenbild ist viel passive Aggressivität und Paula Carolinas rhetorische Frage: „Kannst du mal bitte bitte bitte deine Fresse halten?“

1, 2, 3, 4, 5, Sex, 7

„Wärs ok?“ thematisiert sowohl Konsens als auch die unsicheren Momente innerhalb der Kommunikation zwischen zwei Menschen. So passiert es manchmal, dass man doch lieber erstmal abwartet und den nächsten Schritt erst dann geht, wenn das Gegenüber bereits vier Schritte vorangegangen ist. Im Chorus unterbricht die Songwriterin sich selbst bei all ihren Fragen und redet Klartext. Dabei postuliert sie als Waffe gegen vermeintliche Unsicherheit offene Kommunikation über und beim Sex: „Samstagabend kurz vor 8 hab ich was unanständiges gemacht. Denn ich hab‘ dich gefragt, wie du es am liebsten hast. Samstagabend kurz vor 8 hab ich was Unanständiges gemacht. Denn ich hab‘ dich gefragt, wie ich’s dir am besten mach‘.“

Emotionale Ambivalenzen sind ok

Mit „Heiß/Kalt“ erklingt sowohl der bislang einzige unbekannte Song als auch der Namensgeber der EP. Der Track befindet sich gefühlstechnisch zwischen Wollen und Nicht-Wollen, Angst versus Vorfreude und dem Frieren und gleichzeitigen Brennen. Schlussendlich erkennt Paula Carolina immer wieder: „Ich kann gar nichts dafür“ und stellt klar: Jedes ambivalente Gefühl oder emotionale Regung hat ihre wertfreie Daseinsberechtigung.

Das Ende ist nah

Der sägende Klang von Sirenen wie in „The Purge“ leitet in „Das Ende“ ein. Überraschend ruhig beginnt Paula Carolina kurz darauf zu singen und erhebt sich mit ihrer Stimme über das Wabern des Songs. Sie besingt den Untergang, das vermeintliche Ende der Welt und das Schöne in der tragischen Hoffnungslosigkeit. Mit leichten Titanic-Vibes und dem romantisierten Ideal von „Wenn wir beide sterben, dann wenigstens zusammen“ ist alles was bleibt der Gedanke einer Dystopie.

„Komm lass uns auf die Straßen gehen. Hand in Hand durch die Ruinen. Der Boden zittert. Doch wenn alles hier in Flammen steht, wird keiner heute alleine gehen.“

„Das Ende“ — Paula Carolina

Heiß oder kalt?

Wir haben die Musikerin übrigens bereits 2022 zu einem Interview getroffen.

Mögliche Antworten auf die Frage „Heiß oder kalt?“ finden sich vielleicht hier — auf Paula Carolinas neuem Werk: