GAST (Foto: Yul Wegener)
Triggerwarnung: In diesem Text geht es unter anderem um Suizid und psychische Erkrankungen.
GAST haben am 08.09. ihre EP „kaputt gehen“ veröffentlicht. Darauf erzählen sie tragische Heldensagen und heroische Kampfgeschichten. Getreu der traurig ehrlichen und emotional angekratzten Songs, die wir bisher von diesem NNDW-Duo kennenlernen durfte, hält auch diese EP was ihr Name verspricht: Selbstzerstörung steht ganz oben auf der Tagesordnung.
Auf ihrer ersten, größeren EP thematisieren GAST vor allem eines – toxische Beziehungen in all ihren Facetten. Von den schönen Momenten, die die Bindung zur Partner*in stärken, bis hin zu völliger Kraftlosigkeit. Schon der Refrain des ersten Tracks, „boxer“, spiegelt wieder, wovon eine solche zwischenmenschliche Verbindung geprägt ist:
„Halt mich fest, lass mich geh’n / Wirf mich weg […]
Du machst, dass ich weine / Aber das ist schon ok“
GAST – boxer
Auf dem Song bekommen sie außerdem Unterstützung von Neue Neue Deutsche Welle-Kollege Traumatin, dessen Stimme sich nahtlos in das Klangbild von „boxer“ einfügt. Das Bild, das der Songtitel in den Köpfen der Hörenden erzeugt, unterstützen GAST mit Lines, wie:
„Du hängst in meinen Armen wie ein Boxer, der sich in den Seilen hält“
GAST – boxer
Und so entsteht eine Skizze zwischen völliger Hingabe und totaler Abhängigkeit – zwei nicht gänzlich voneinander zu trennende Phänomene. Am Ende steht die Forderung: „Mach mich kaputt“.
Auf der Flucht vor uns selbst
Vom Verlust des Angstgefühls und dem vollkommenen Fokus auf die Schönheit des Gegenübers handelt „lauf“. Die Soundwelle des Tracks spült uns auf geradem Weg ins Tränenmeer von „du fängst an zu weinen, aber ich weck dich nicht auf“. Auf diesem wahrscheinlich stärksten Track der EP wummert uns die Drum Machine im Chorus in Trance. Auf Textebene verschwimmen hinter Tränen die Motive für die verzweifelte Zuneigung des lyrischen Du:
„Du greifst nach meiner Hand / Aus Liebe oder Angst“
GAST – du fängst an zu weinen, aber ich weck dich nicht auf
Erschütternde Traumwelten
Mit „heldensagen“ legen GAST den salzgetränkten Finger unverblümt direkt in die Wunde. Der Song begleitet das lyrischen Du „zwischen Regen und Nebel auf dem Weg [sich sein] Leben zu nehmen“. Wie auch der im Songtext verarbeitete Bewusstseinsstrom steigert sich das Instrumental in Extase. Auf den Klimax folgt schlagartige Ruhe – gedichtartig erfolgt die Beschreibung des Ablebens. Die beunruhigende Gelassenheit in Tims Stimme lassen rufen Gänsehaut hervor, wenn er verlauten lässt:
„Mein Herz bleibt stehen, deines auch / Meins nur kurz, deins viel länger / Und ich kann nichts daran ändern“
GAST – heldensagen
Genauso kühl, wie „der Boden vor [dem] Elternhaus“ ist der Schauer, der Hörenden unverweigerlich über den Rücken läuft, wenn die letzten Teile des Songtextes ausklingen.
Zwischen Tristesse und Euphorie
Mit „rehaugen“ und „rapsfeldgelb“ findet die „kaputt gehen“ EP ein fast schon selig anmutendes Ende – geradezu untypisch für einen GAST-Body of Work. Bei jedem weiteren Wort, das ich über „rehaugen“ verliere, würde ich mich wiederholen – denn den Song habe ich schon zum Single-Release unter die Lupe genommen.
„rapsfeldgelb“ fühlt sich nach heile Welt an. Eine Akustikgitarre über langsam vor sich her stotternder Drum Machine, Gesang von Sommer, Parfümluft und Melancholie. Immer wieder klingt ein wenig Verzweiflung an. Bei einem GAST-Song Erwähnungen von Narben und grenzenloser Selbsthingabe bis hin zur Aufopferung.
Auf „kaputt gehen“ zeigen GAST zum ersten Mal all ihre musikalischen Facetten und bleiben sich dabei trotzdem treu. Sanfte Sommermelancholie trifft auf suizidale Tragik und tut eine Welt auf, die im NNDW-Kosmos ihresgleichen sucht. Wer sich das Ganze live anschauen möchte, kann das am 28.09. in Berlin tun – und bekommt Traumatin gleich mitserviert.
Seit dem 08.09. kannst du auf allen Streamingplattformen in die „kaputt gehen“ EP reinhören.