Interview: BILBAO kommen auf „Isola“ musikalisch zusammen

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Die erfrischende Newcomer-Band BILBAO im Pickymagazine-Interview über ihren musikalischen Sehnsuchtsort, Widersprüche als künstlerisches Stilmittel und das Zusammenkommen auf ihrem Debüt Isola.

Was auf dem Reeperbahn Festival letztes Jahr als Schnapsidee begann, ist ein Jahr später eine Band mit einer Debüt-EP und einer klaren Vision. Robin, Jan, Jannes und Max sind gute Freunde und seit diesem Jahr ganz offiziell BILBAO. Schon vor Gründung der Band kreuzten sich die Wege der vier Vollblutmusiker immer mal wieder. Im Interview beantworten Gitarrist Robin und Sänger Max Fragen über den Entstehungsprozess von Isola.

Erstmal zum Anfang: Ich muss offen zugeben, dass ich euch bis vor einem Monat noch nicht kannte. Ihr habt im Oktober Support für Shelter Boy im Rahmen der Molotow Backyard Shows gespielt. Der erste Song hat mich direkt gepackt. Ich habe mein Handy gezückt, bin euch auf Spotify gefolgt und habe mir dann in der S-Bahn Isola durch die Gehörgänge gejagt. Wie habt ihr den Abend erlebt?

Max: Man fragt sich natürlich immer wie bei bestuhlten Konzerten die Atmosphäre ist. Natürlich ist das was anderes, als wenn man direkt vor den Leuten steht… Alle sind ein bisschen vorsichtiger, wir rennen mit der Maske auf zur Bühne und nehmen die dann ab – alles irgendwie komisch. Aber ich fand die Show insgesamt total cool! Tolle Atmosphäre. Die Leute haben es gedigged. (lacht) 

Robin nickt zustimmend

Robin: Das fand ich auch! Für das, was es war – ein kleines Coronakonzert – wirkte es gar nicht so klein. Die Leute hatten Bock und es hat Lust auf mehr gemacht.

Max: Mir hat es einfach super Spaß gemacht. Für mich war das definitiv ein würdiger Abschluss für unser erstes Bandjahr.

Ich habe das ähnlich empfunden. Man hat richtig gemerkt, dass ihr als Band dafür brennt. Wie gesagt bin ich so auch auf eure EP gestoßen. Mein Italienisch ist nicht das Beste, aber „Isola“ müsste „Insel“ bedeuten. Wie geht es euch auf eurer Debütinsel?

Max: Ich glaube, das ist einfach unser Ding, dass wir Sommeratmosphäre transportieren wollen. So passt der Titel Isola in der Hinsicht gut, aber es macht vor allem im Kontext Sinn, wie wir zusammenarbeiten. Ich bin in Berlin, die anderen Jungs sind in Hamburg und seit der Pandemie sind nicht mal mehr die Hamburger dazu in der Lage an einem Ort zusammen zu arbeiten. Wir sitzen auf vier Inseln und kommen in unserer Musik zusammen. Dafür, dass man so eingeschränkt im Arbeiten war, war es für uns ein sehr aufregendes und erfolgreiches Jahr! Wenn man etwas Neues veröffentlicht, dann ist natürlich erstmal die Hölle los… Abgesehen von der Pandemie war es für uns auch einfach ein geiler Auftakt – sehr intensiv, wie ich finde.

Robin: Ja, total! Wir haben auch hart geackert, um so ein Momentum aufzubauen, aber das, was wir in das Projekt hineininvestiert haben, kam von den Leuten zurück. Das hat uns total gefreut! Die ganzen Reaktionen mitzubekommen, dass die Leute die Musik feiern und in den Statistiken zu sehen, dass die Zahlen gut aussehen, ist krass. Wir kommen ursprünglich alle aus sehr spartigen Musikgenres und kannten diese Art von Aufmerksamkeit bis dato gar nicht. Wenn Corona hoffentlich bald vorbei ist, dann geben wir richtig Vollgas!

Auf ein Release folgt meist eine Tour, um sich das direkte Feedback vom Livepublikum abzuholen. Diese fällt bei euch pandemiebedingt weg. Was konntet ihr denn aus den wenigen Liveshows in diesem Jahr mitnehmen?

Max: Ich muss sagen, dass die ganzen Zahlen super und auch wichtig sind. Aber gerade durch beispielsweise die kleine Akustik-Tour, die wir gespielt haben, hat man diese unmittelbare Rückmeldung von den Leuten auch bekommen. Da ziehe ich für mich persönlich am meisten Motivation heraus. Das ist einfach nicht zu ersetzen. Wenn du ein Konzert spielst und merkst, dass die Leute darauf anspringen… Ich erinnere mich gerne an eine Situation in Hannover zurück, in der die Leute von ihren Plätzen kurz aufgesprungen sind – das war für mich einer der tollsten Momente.

Robin: Das Live-Gefühl ist einfach unersetzlich. Wir vermissen das auch sehr. Wir wollen unbedingt wieder auf die Bühne!

Max: Selbstverständlich beschweren wir uns nicht über die Zahlen, aber wollen dennoch noch mehr solcher Momente erleben.

Aus euren Instagramstories der letzten Wochen geht hervor, dass ihr als Band im Lockdown Light sehr fleißig seid. Am Anfang der Pandemie habt ihr eure Folower*innen mit 24 Stunden-Cover-Challanges beglückt. Hat das Getrenntsein einen Einfluss auf das Zusammenführen eurer Ideen?

Max: Es ist natürlich großartig, dass wir die Mittel haben uns Ideen zuzuschicken. Aber aus meiner Sicht entstehen die besten, wenn wir in einem Raum sind.  Bei der Cover-Challange fand ich selbst so spannend, dass es das erste Mal war, dass wir als Band zu viert, wenn auch getrennt, zusammengearbeitet haben. Weil wir durch die 24 Stunden so unter Zeitdruck waren, musste jeder abliefern (lacht). Robins krassen Gitarrenspuren habe ich teilweise erst ganz am Ende gehört. Es war in der Hinsicht total aufregend für uns, zu checken, wie wir zusammen funktionieren. Dadurch sind wir zu Beginn auch gleich viel stärker zusammengewachsen.

Zu Isola: Ihr hattet bereits anfangs erwähnt, dass sommerliche Elemente in eurer Musik eine große Rolle spielen. In eurem Pressetext heißt es z.B.: „BILBAO ist dieser neckische Strandcocktail mit buntem Firlefanz […]“. Darüber hinaus nehmt ihr diese Ästhetik auch in den Artworks und Musikvideos auf. Was inspiriert euch so sehr daran?

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Cover der Debüt-EP „Isola“

Robin: Wir haben einfach irgendwann beschlossen: Das ist jetzt unser Ding! Wir fühlen es alle, dass das jetzt der BILBAO-Sound ist. Es geht uns um dieses Lebensgefühl. Die Unbeschwertheit und gleichzeitig aber auch die Melancholie zum Jahreszeitenwechsel, wenn der Sommer vorbei ist.

Max: Das hat auch viel mit Sehnsucht zu tun. Wir kennen es sehr gut, wenn der Tag nur aus Wind und Regen besteht. Wir waren zwar noch nie in Bilbao, aber das ist unser musikalischer Sehnsuchtsort, den wir geschaffen haben.

Robin, du bist ja für den visuellen Output der Band zuständig. Wie realisiert ihr diesen Vibe als Gesamtpaket der Band?

Robin: Erstmal haben wir stundenlange Skype-Sessions gemacht und diskutiert was man in den Musikvideos alles machen könnte. Teilweise musste ich die anderen auch stoppen. Musikvideos drehen ist gar nicht so billig (schmunzelt) und wir haben einfach nicht viel Geld gehabt und mussten gucken, wie wir das möglichst kostengünstig umsetzen können. Das Video zu Lifted war ein reines Brainstorming-Produkt, bei dem viele kleine witzige Ideen zusammengetragen worden sind. Bei Trippin kam die Idee von mir, weil ich eine bestimmte Ästhetik verfolgt habe. Die anderen meinten dann: „Joa, mach mal.“

Max: Ich meinte „viel Erfolg“.

(beide lachen)

Robin: Die wussten gar nicht, worauf sie sich einlassen… Im Grunde genommen ist aber alles was wir machen ein sehr kollaborativer Prozess. Wir sind im ständigen Austausch miteinander und feilen gemeinsam an einer Idee.

BILBAO in gewohnter Umgebung (Foto: Luna Ballmann)

Ich persönlich finde, dass Lobster neben Trippin, der mit dem Soundbild der restlichen EP bricht, thematisch am meisten heraussticht. Ihr äußert humorvoll Kritik an unserer fanatischen Konsumgesellschaft. Was hat euch zu diesem Song bewegt?

Max: Der Text an sich ist ja total offensichtlich, aber das Thematisieren dessen vermutet man eben nicht, wenn man diesen leicht überdrehten Sommersong hört. Das macht für mich auch den Song aus. Dass man einerseits wie im Musikvideo aus der Rolle fällt, beziehungsweise eine fremde annimmt, und andererseits durch den Text eine Ernsthaftigkeit schafft. Dieses Widersprüchliche gefällt mir gut und ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir das zukünftig noch weiter ausführen. Den Bruch zwischen dem Musikalischen und Textlichen finde ich grundsätzlich spannend.

Robin: Ich finde das auch in der Musik, die ich privat höre, sehr interessant, wenn man Text und Musik gegeneinander ausspielt. Das erzeugt immer eine kognitive Dissonanz im Gehirn, die einen Song plötzlich sehr interessant macht. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir genau auf den Text gekommen sind, aber unsere Songwriting-Session für die EP war sehr organisch und dann hat es einfach geflowed.

Das Bedürfnis seine eigene Unzufriedenheit und Traurigkeit mit Materialismus zu bekämpfen spielt in dem Song auch eine große Rolle. Kaufen wir uns krampfhaft glücklich?

Robin: Davon sind alle nicht gefeit. Wir alle werden durch Medien ständig mit „KAUF MICH!“ bombardiert und es wird einem suggeriert, dass es einem danach besser geht. Jeder von uns hat schon mal etwas gekauft, weil er schlecht drauf war oder gedacht hat: „Das macht mich schöner, glücklicher oder intelligenter“. Ich finde, da kann man mal drüber nachdenken…

Auf jeden Fall… Ganz nach dem Motto: „Give me something material / So I won’t feel so lonely anymore“?

Max: Ganz genau! Man ist ständig darauf angewiesen, was von außen auf einen zukommt. Man hat immer nur dann ein gutes Selbstwertgefühl, wenn es einem durch einen äußeren Einfluss gegeben wird. Sei es jetzt Konsum, Coachings oder so’n Quatsch. Es geht nur darum sich selbst immer weiter optimieren zu müssen. Das entspricht nicht mehr der individuellen Version eines jeden selbst. Alle sollen möglichst gleich gut funktionieren… Das steckt für mich auf jeden Fall auch in den Zeilen drin.

Euer Instagrampost der letzten Woche lässt erahnen, dass ihr an neuen Projekten dran seid. Worauf dürfen sich Picky Leser*innen denn freuen?

 Max: Was können wir denn schon verraten, Robin?

Robin: Sagen wir mal so: Wir wollen nächstes Jahr ein Album veröffentlichen. Wir arbeiten sehr intensiv daran und haben schon viele Ideen gesammelt, aber wie konkret diese umgesetzt werden können steht noch in den Sternen. Das hängt ein bisschen von der Pandemieentwicklung ab und allen anderen möglichen äußeren Umständen, die wir nicht in der Hand haben.

Hoffen wir das Beste!

Wie am Ende von jedem Pickymagazine-Interview gibt es jetzt noch einen Blank Space, wo ihr loswerden könnt, was auch immer euch auf dem Herzen liegt:

Stille

..oder ihr könnt natürlich schamlos Werbung für eure grandiose EP machen!

Max nimmt dankend an

Die Leute sollen auf jeden Fall Isola hören! Besonders würde es uns freuen, wenn ihr die Videos auscheckt. Unser Creative Director Robin (die beiden nicken sich zu) hat da sehr geile Sachen gemacht! Und ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir uns eventuell einer neuen Cover-Challenge auf Instagram annehmen…

Robin: Die Leute sollen uns da folgen, weil unsere Community dann immer abstimmen darf, welchen Song wir covern. Ich hab Bock drauf… Aber auch ein bisschen Angst. (lacht)

Ihr habt es gelesen! Lasst den Jungs doch einen Follow auf Instagram da. Und wen die kurze Werbeschalte am Ende noch nicht überzeugt haben sollte, hier ein Vorgeschmack darauf, was BILBAO-Follower*innen in den kommenden Wochen wohl erwarten dürfen:

https://www.instagram.com/p/B_mqLdPnQos/
Und hier könnt ihr auschecken, was aus Robins Ideen für das Musikvideo zu Trippin geworden ist