You’re such a pessimist – Greta Isaac im Interview

English version available here!

Greta Isaac verbindet in ihrer neuen EP Pop mit ernsten Themen. Picky Alyssia hat mit ihr über ihre Songs gesprochen, darüber, was es bedeutet, eine Frau zu sein, und warum Gretas Glas jetzt halb voll ist.

Ich muss sagen, dass Zoom-Interviews besser funktionieren als ich mir das vorgestellt hätte. Natürlich fehlt die lockere Atmosphäre, das Drumherum, dass ein Interview manchmal mehr wie ein spontanes Kaffeetreffen von Bekannten wirken lässt. Aber Greta hat es einem sehr einfach gemacht, sich wohlzufühlen. Greta, die sich gerade in ihrer Wohnung in London aufhält, fühlt sich durch den Lockdown wie zwanzig Jahre gealtert – nach zehn Uhr aufbleiben und mehrere Leute gleichzeitig treffen scheint auf einmal super anstrengend. Mir geht es genauso: ich stricke Socken, während ich binge-watche. Greta lacht, denn ihre Mitbewohnerin dodie (ja, die dodie) strickt auch viel und gern.

Schließlich kommen wir aber doch auf ihre Musik zu sprechen. Ihre neue EP, PESSIMIST , wurde in den letzten zwei Jahren geschrieben, und Greta selbst sieht ihre Songs wie kleine Verbildlichungen ihrer Selbst, die sie vielleicht nicht jeden Tag ausleben kann.

Pessimist EP Cover
PESSIMIST von Greta Isaac

Ist „How To Be Woman“ ein feministischer Song?

Ja, sagt Greta. Es ist das Produkt von dem, was sie selbst erlebt hat an Vorschriften und Erwartungen, die an Frauen gestellt werden. Diesen Erwartungen entsprechen zu wollen hatte etwas Bequemes. Als Greta für sich entdeckt hat, dass man diesem Bild der Frau nicht entsprechen muss, hat es sich auf der einen Seite frei, aber auf der anderen auch verloren oder einsam angefühlt. Wonach sollte sie sich jetzt richten?

Greta weiß nicht, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Aber dazu gehört auf jeden Fall, sich in ihrer Haut wohlzufühlen, und sich nicht nach den Erwartungen anderer richten zu müssen. „How To Be Woman“ ist für sie eine Erinnerung daran, wenn sie sich mal wieder verloren fühlt.

Ist „Pessimist“ ein trauriger Song?

Greta singt in diesem Song wieder über sich und auch an sich selbst gerichtet. Es geht um die Selbstbestimmung, die wir alle haben, wie wir unser Leben wahrnehmen. Früher war Greta selbst eher eine halb-leeres-Glas-Person, inzwischen hat sich das geändert. Das war schwere Arbeit, die nicht über Nacht, sondern über viele Jahre hinweg stattgefunden hat.

Greta beschreibt „Pessimist“ als leichten, fröhlichen  Song, aber bei Zeilen wie „I’m close to giving you up, you’re such a pessimist“ fällt mir das schwer zu glauben. Dazu sagt Greta, dass ihre Lyrics häufig sarkastisch und traurig seien, während die Musik selbst eher leicht und fröhlich klinge. Das Ergebnis dieser Mischung solle dem Zuhörer ein ganz eigenes Gefühl vermitteln. Das hat sie auf jeden Fall erreicht: Ich hatte einen ganz anderen Eindruck vom Inhalt des Songs, als Greta sich eigentlich  dabei gedacht hat.

Ist das Nutzen dieser Gegensätze, fröhliche Musik vs. Sarkastische Millennial-Lyrics, als Stilmittel gemeint? Oder geht es hier viel mehr darum, die eigentliche Botschaft zu vertuschen? Greta meint dazu, dass sie Humor gerne nutze, um schwierige Dinge zu verarbeiten. Nicht nur in ihren Songs, sondern auch im Alltag. Außerdem mache es dem Zuhörer den Einstieg zu schwierigen Themen leichter. Das wird zum Beispiel auch im Comedy genutzt oder im Film.

Hat Greta je einen traurigen Song geschrieben?

Gemeint ist damit ein Song, der auch musikalisch deutlich traurig klingt: eine einsame Gitarre oder Klavier, zum Beispiel. Greta bejaht, sie habe viele traurige Songs geschrieben. Aber für ihre EP wollte sie vor allem fröhliche, Pop-lastige Songs. Ihr Song „F U“ hat es allerdings trotzdem auf die EP geschafft. Für sie selbst bedeutet der Titel Fuck you, aber sie hat es mit Absicht offen gelassen. Es könnte auch Forgive you, oder For you bedeuten. Jeder geht mit einer beendeten Beziehung anders um. 

Worum geht es in „Power“? 

In diesem Song versucht Greta zu verstehen, warum jemand Macht über jemand anderen ausüben möchte. Sie verarbeitet damit Situationen, in denen sie selbst Cat Calling oder sonstiges übergriffiges Verhalten erlebt hat. Wiederum ist es ein sehr ernstes Thema, was mit einer poppigen Melodie vermittelt wird. 

Also?

Auf jeden Fall ist Greta Isaacs EP „PESSIMIST“ ernster, als sie beim ersten Zuhören wirkt. Wichtiges oder Ernstes mit Leichtigkeit zu verbinden ist eine Fertigkeit, die vielen Künstlern schwer fällt, und das bewundere ich an dieser EP sehr. Der Sound ist klar definiert und gut produziert – trotzdem kann man über Geschmack nicht streiten. Wenn du nicht auf Pop stehst, ist das hier nichts für dich. Aber ich würde dir trotzdem empfehlen, reinzuhören!