Endlich wieder schwitzen – Von Wegen Lisbeth in der halle02

Von Wegen Lisbeth Live

picky Hannah hat für euch Von Wegen Lisbeth und Cinemagraph bei einer Clubshow besucht. Wie es war, lest ihr hier im Konzertnachbericht.

Anderthalb Jahre keine Clubshows mehr. Keine verschwitzten Menschen auf engstem Raum, die gemeinsam tanzen, mitgrölen und für die 90 Minuten des Live-Sets alles um sich herum vergessen. Und das ganz ohne Maske, ohne Abstand, ohne Scheu. Die halle02 in Heidelberg setzt dem langen Warten im Rahmen von Neustart Kultur, einem Programm des Bundeskulturfonds mit 2G+-Konzept, ein Ende. Soll heißen: Wer genesen, geimpft oder PCR-getestet ist, darf an der Mosh-Veranstaltung teilnehmen. Plötzlich wird alles, was wir so lange vermisst haben, wieder möglich gemacht. Und dann steht man inmitten einer Menschenmenge und innerlich schreit alles: „Wo sind die 1,5m?!“ – bis alles jubelt und nach Von Wegen Lisbeth schreit. Deretwegen war ich nämlich für euch vor Ort. 

Cinemagraph heizen die Stimmung an

Vorher gab’s aber noch alternativen Indie-Rock aus Mannheim, also von nebenan quasi. Cinemagraph wurden zwar als Support-Act angekündigt, spielten dafür aber ein ungewöhnlich langes Set von 45 Minuten. Also nicht, dass ich mich darüber beschweren würden, don’t get me wrong. Die vier Boys kennt man vielleicht schon aus dem Bandpool der Popakademie Mannheim oder aus dem Interview, das wir vor einem Jahr mit ihnen geführt haben. Wer sich das durchgelesen hat weiß: Advan, Leon, Max und Paul machen Mukke, die genauso gut aus Südengland kommen könnte. Bislang findet man leider erst acht Songs der vier im Internet, die bekamen wir dafür alle zu hören. Man kann nur hoffen, dass da bald mehr Songs und mehr Live-Auftritte kommen. Auch die Energie und Bühnenpräsenz der Mannheimer ist beachtlich, bei Songs wie „Smiling Face“ oder „Baby Where You At“ wurden auch diejenigen, die die Britrock-Boys zuvor noch nicht kannten, mitgerissen.

Die Lisbeths bringen Schweißtropfen der Freude

Um 20:08 Uhr rockten dann auch endlich die Lisbeths auf und rissen die halle02 mit dem noch immer nach Pisse stinkenden Fahrstuhl eines Berliner Bahnhofs ab. Zeit zum Durchatmen gab man uns nicht, nahtlos gingen die Boys zu „Komm mal rüber bitte“ über. „Und all die zuckersüßen Chancen“ flüsterten uns ins Ohr: „Geht mal richtig ab, bitte.“ Und das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen! Spätestens als man das riesige breite Grinsen der fünf begutachtete wurde klar: Nicht nur der Crowd haben Schweiß und Moshen im Dunkeln gefehlt. Matze tat nach jedem zweiten Song kund, wie doll ihnen Clubshows gefehlt hätten. Und alle vier um ihn herum nickten im Eifer der Zustimmung so stark, dass ihnen quasi die Hälse brachen.

Es folgten „30 Segways, ein Ferrari“ und Julian trommelte sich an seinen Drums hinten rechts die Seele aus dem Hals. Direkt darauf fanden wir uns „Drüben bei Penny“ wieder, Matze verkaufte uns seine Träume für 1,20€ im XXL-Sparpaket und Heidelberg tanzte wie verrückt. Ganz wild ging es außerdem bei „Wieso“ her, „Ihr habt da hinten gerudert!“, merkte Matze ganz in Ektase an und wiederholte nochmal, wie verrückt glücklich die Band über die Möglichkeit endlich mal wieder in einem Club spielen zu können sei.

Die Setlist beschränkte sich aber nicht nur auf Altbewährtes, als nächstes baten die Boys uns nämlich: „Mach‘ bitte, bitte, bitte keinen Podcast!“. Multimedial ging’s weiter mit „Alexa, gib mir mein Geld zurück!“ und es wurden sich die wichtigen Fragen des Lebens gestellt. Wie zum Beispiel: „Wer hat mein Hinterrad geklaut?“. Thematisch passend folgten Autoteile auf der Fahrbahn im westlichen Teil der iberischen Halbinsel. Also im Klartext Portugal. Und immer und immer wieder ging Robert hinter seinen Synthies richtig ab.

„Wenn ich Campino wäre, würde ich jetzt sagen: ,Der nächste Song ist nur für dich!‘.“

Foto: picky Hannah

Die nächste Viertelstunde hielt ein kleines Potpourri an Lovesongs für uns bereit. „Sind hier heute irgendwelche Lisas anwesend?“, fragte Matze in die Runde. Eine Lisa machte sich bemerkbar. Matze erwiderte wie aus der Pistole geschossen: „Wenn ich Campino wäre, würde ich jetzt sagen: „Der nächste Song ist nur für dich!“.“ Keine vier Minuten später wollte er mit einer Prise Gesellschaftskritik auch schon ein „Gefährder” sein. Im Song darauf verabschiedete er sich aber schon vom iPhone seiner „Chérie“, im Landwehrkanal machen sich technische Endgeräte nämlich besonders gut. Empört tat er in der nächsten Anmoderation kund, dass ihnen als Band vorgeworfen würde, dass sie ständig Songs über Essen machen würden – „dabei haben wir doch nur einen Song gemacht über jemanden, der das Essen bringt!“. Und da war’s bei der Crowd vorbei, die Stimmungskurve ging quasi exponentiell noch weiter nach oben, als sie es sowieso schon war. Nach „Lieferandomann“ gab’s erstmal eine kleine Verschnaufpause zu „Bärwalpark“, da kam schon fast Feuerzugstimmung auf.

Von Wegen Lisbeth live Heidelberg
2G+ macht’s möglich: Von Wegen Lisbeth live in der halle02 in Heidelberg

So richtig wild wurde es aber als Doz seine Keytar auspackte. Sorry, da war’s einfach vorbei. Ich mein, wie genial kann’s denn bitte sein. Daraufhin wurden wir Zeugen einer Weltpremiere: „Opti“ live und in Farbe. Die neuste Single gibt’s nämlich erst seit dem 01.10. auf den Streamingplattformen eurer Wahl. Spaß hatten daran nicht nur wir im Publikum, sondern vor allem auch Matze und Julian (der Julian am Bass) auf der Bühne. Einer Anmod bedurfte es auch bei „Bitch“, denn das quasi essenzielle und namensgebende Wort im Refrain des Songs singt Matze nicht mehr. Stattdessen gibt’s eine kurze Singpause und das Publikum darf einen anderen Ausdruck seiner Wahl einbauen. „Sushi“ riss uns alle nochmal richtig mit und mit Sicherheit hat sich auch jede und jeder von uns Zuschauer:innen während des Refrains gefragt, warum unser Leben in diesem Moment so prima ist. 

Scho(e)n verrückt!

Traurig wurden wir aber, als sich nun langsam, aber sicher das Ende des Gigs anbahnte. Zu „Wenn du tanzt“ ließ sich allerdings wunderbar aller Unmut vergessen, denn „dass diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur allein an [unseren] Beinen.“ Wie es sich für ein Von Wegen Lisbeth-Konzert gehört, war das Finale nach kurzem Bühnenabgang der Boys und verdammt lauten Schreien nach einer Zugabe natürlich „Meine Kneipe“. Und da gaben die fünf Berliner Indie-Poppler nochmal alles. Und wir im Publikum natürlich auch. Es wurde gemosht, gegrölt, getanzt wie wild. Und es hat sich angefühlt, als hätte es nie eine pandemiebedingte Zwangspause der Clubkonzerte gegeben. So gingen wir strahlend lächelnd und vor uns hinsingend nach Hause. Verrückt, dass das alles jetzt wieder langsam möglich wird. Verrückt schön.