SOFT PLAY (Foto: Tommy Davies)
Das mittlerweile SOFT PLAY heißende Punk-Duo hat mit der Single „Punk’s Dead“ am 21. August nach vierjähriger Pause erstmals einen Song unter neuem Namen veröffentlicht und heute das dazugehörige Musikvideo präsentiert. In diesem setzen sich die Musiker aus Kent ironisch mit der Kritik an ihrer Umbenennung auseinander und kombinieren die „Punk ist tot“-Debatte mit einem auch hierzulande raumeinnehmenden Streitthema: die politische Korrektheit.
Der Weg zur Umbenennung
Im Dezember 2022 ließen Isaac Holman und Laurie Vincent verlauten, nicht länger „Slaves“ heißen zu wollen. Seit ihrer Gründung 2012 trugen sie für zehn Jahre diesen Bandnamen. Kritik daran wurde erstmals 2015 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Are You Satisfied?“ laut.
Aus linksliberalen Kreisen hieß es absurder Weise, das Wort sei rassistisch konnotiert und nur Schwarze dürften davon Gebrauch machen. Das New Yorker Magazin „The Fader“ stellte die Frage, wieso sich ausgerechnet „eine Band aus weißen Kerlen“ so nenne; die US-amerikanische Sängerin Samantha Urbani bezeichnete den Umstand, dass „eine Band, die ausschließlich aus weißen Männern besteht, der einzigen Bevölkerungsgruppe, die nie systematisch versklavt wurde“, so heiße, als „widerlich“. Daraufhin konstatierte Gitarrist Vincent gegenüber dem „NME“, dass „wenn Sie ein Oxford-Wörterbuch zur Hand nehmen und das Wort ‚Sklaven‘ nachschlagen, kein rassischer Zusammenhang erwähnt [wird]. Ein Sklave ist eine Person, die im Besitz einer anderen Person ist und gezwungen wird, umsonst zu arbeiten“. Zudem erklärte das Duo: „Unser Bandname bezieht sich auf Menschen, die keine Kontrolle über ihr tägliches Leben haben. ‚Slaves‘ war unsere Art, die Pfade zu verlassen, auf denen wir nicht mehr gehen wollten“.
Nach zwei weiteren LP-Veröffentlichungen folgte 2019 die EP „The Velvet Ditch“. Auch aufgrund des tragischen Krebstodes von Vincents Partnerin im Sommer 2020 wurde es anschließend ruhig um die Band. Wie die beiden in eingangs bereits erwähntem Statement bekannt gaben, war es für sie phasenweise unvorstellbar, jemals wieder gemeinsam eine Bühne zu betreten, „jedoch [sind wir] der Meinung, dass es jetzt an der Zeit ist, dort weiterzumachen, wo wir aufgehört haben“. Da der Name nicht mehr repräsentiere, „wer wir als Menschen sind oder wofür unsere Musik steht“ und man zudem anerkenne, „dass unsere ursprüngliche Absicht nichts an der Tatsache ändert, dass der Name ‚Slaves‘ ein Problem ist“, folgte die mit der Rückkehr einhergehende Umbenennung in SOFT PLAY. Worin genau das Problem besteht ist dem Statement leider ebenso wenig zu entnehmen wie den substanzlosen Vorwürfen.
Das Musikvideo zu „Punk’s Dead“ jetzt hier ansehen
Johnny Rotten und die „Junge Freiheit“
Folglich war der Aufschrei groß. In den 70er-Jahren hängengebliebene „Alt-Punker“ sahen darin einen neuen Grund, die bereits 1978 durch den gleichnamigen Song der Band Crass berühmt gewordene Plattitüde „Punk is dead“ wiederzukäuen, da sich das Duo der mehrheitsgesellschaftlichen Meinung gebeugt habe; konservative bis rechtsextreme Stimmen wähnten sich fataler Weise wieder einmal bestätigt und wiesen daraufhin, dass die Cancel Culture unaufhaltsam weiter wälze und die Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit angreife. So auch hierzulande, wo die rechtsextreme Zeitung „Junge Freiheit“ plötzlich Interesse an den Musikern zeigte. „Wenn Punker nicht mehr anecken wollen“, begann das AfD nahe Blatt seinen Artikel, drei Tage nach dem Statement von Holman und Vincent.
Nun greift also die Band den leidige Diskurs süffisant in „Punk’s Dead“ auf und klingt dabei trotz des neuen Namens mindestens so hart wie vor acht Jahren. Einzig der Gesangspart von Robbie Williams überrascht und gönnt dabei dem aggressiven Schlagzeug eine Pause. „Snowflake, snowflake/Cherries on the woke cake“, bedient sich der Sänger bewusst an stereotypischem neurechten Vokabular. Dem steht Holman inhaltlich in nichts nach, in dem er sich und Vincent als „spinless shit“, „overly emotional“, „liberal Lefties“, „soft cunts“ und „PC babies“ bezeichnet. Die politische Korrektheit zerstöre den Punk, Veränderungen seien schlecht und es gäbe aufgrund dessen keine „echten Männer“ mehr; eine fadenscheinige Argumentation, auf die es sich aus offensichtlichen Gründen nicht lohnt weiter einzugehen, und der sich „Alt-Punker“ wie Rechte bedienen. Stellvertretend dafür findet am Ende des Liedes der früher „Anarchy In The UK“ gesungen habende und jetzt mit „Make America Great Again“-T-Shirt herumlaufende Johnny Rotten Erwähnung.
Ob tatsächlich die Umbenennung eines englischen Duos, das nach vierjähriger Pause inklusive privater Schicksalsschläge wieder gemeinsam zurück auf die Bühne möchte und zurück zu alter Stärke findet, wirklich ausschlaggebend für das Gefühl ist, der Punk würde sterben, darf mindestens bezweifelt werden. Ob sich eine Band, ungeachtet der Ethnie ihrer Mitglieder, nicht „Sklaven“ nennen darf oder sollte allerdings auch.
„Unsre Herrn, wer sie auch seien
Bertolt Brecht – „Solidaritätslied“
Sehen unsre Zwietracht gern
Denn solang sie uns entzweien
Bleiben sie doch unsre Herrn“
Die beiden Diskussionen – sowohl 2015, als auch vergangenes Jahr – rund um die Musiker und ihren Bandnamen haben unfreiwillig eine Gemeinsamkeit aufgezeigt: das Verwaschen der inhaltlichen Substanz. Wollten die linksliberalen Stimmen nicht auf die Erklärung der Band eingehen, der eine offensichtliche Kapitalismus-Kritik inhärent ist, verstecken sich konservative „Alt-Punker“ hinter einer schon seit den 70er-Jahren abgestumpften Phrase, anstatt die durch den Kapitalismus voranschreitenden Kommerzialisierung und die damit einhergehend Vereinnahmung jeglicher Sub- und Gegenkultur als eigentliches Problem zu benennen.