10 Gründe, warum RINs „Kleinstadt“ ein geniales Album ist

Foto: @brownshoottaa

Picky Hannah und picky Sofia sind sich uneins. Während picky Hannah RINs neues Album richtig stark findet, kann sich picky Sofia nicht wirklich mit „Kleinstadt“ anfreunden. Das konnte picky Hannah aber natürlich nicht so stehen lassen und hat deswegen, um picky Sofia und alle anderen Skeptiker*innen auf ihre Seite zu ziehen, 10 Gründe herausgearbeitet, warum „Kleinstadt“ aus ihrer Sicht ein geniales Album ist.

Für die Einen overrated, für die Anderen verdienter Hype: Renato Simunovic, aka RIN, spaltet die Geister der Rap Heads und Musikhörer*innen. Vor allem sein am Freitag erschienenes Album “Kleinstadt” trifft, auch im Team Picky, nicht nur auf Zuspruch. Erfolgsrezepte gibt es eben nicht zu kaufen. Dazu kommt, dass es nach seinen Erfolgsalben wie “EROS” und “Nimmerland” immer schwerer für ihn wird, neue Wege zu gehen und auf jedem dieser Wege noch eins obendrauf zu setzen. Das weiß Renato auch selber, auf Instagram schreibt er: “Der Erfolg in ‘Zahlen’ gemessen liegt nicht wirklich in meiner Hand, genauso wenig wie meine Fans das Ganze betrachten werden, vor allem im Vergleich zu anderen Projekten.”. 

Dass RIN es trotzdem immer wieder schafft gemeinsam mit Alexis Troy und Minhtendo neue Bretter zu produzieren, ist für mich selbstverständlich. Und für alle jenen, die wie picky Sofia (noch) nicht überzeugt von Renatos dritter Platte sind oder die sich vielleicht noch nie wirklich mit seiner Musik auseinandergesetzt haben, gibt es hier jetzt zehn gute Gründe, warum “Kleinstadt” ein geniales Album ist:

Das macht RINs neues Album „Kleinstadt“ für picky Hannah zu einem genialen Album:

1. RIN sprengt Genregrenzen. “Verbinde Genres ohne Grenzen, ich bin der Avatar”, rappt der Bietigheimer auf “Money on my Mind”. Rap ist ihm nämlich nicht mehr genug, Kunst lässt sich ja bekanntlich sowieso nicht in Schubladen stecken. Und so schafft er auf seinem neuen Album eine nie dagewesene Mischung aus basslastigem Rap, eingängigen Hooks und einem Potpourri anderer Einflüsse, wie zum Beispiel Soul, R’n’B und auch Grunge. Die Ballade “Meer” hat nicht nur einen Nirvana-Vibe, sondern startet auch mit einem leicht verzerrten und mit Effekten versehenen “Heart-Shaped Box”-Intro.

2. “Minh macht voll die Hits!” – Der vokale Stempel auf Minhtendos* Beats, die einem die Trommelfelle sprengen, ist Programm. Das Prozedere ist RIN-Fans schon von ikonischen Releases wie “Bros”, “Fabergé” und “Vintage”  bekannt, an all diesen Releases ist Minh beteiligt. Aber auch auf “Kleinstadt” setzt sich die Kooperation der beiden, die wie die Faust aufs Auge passt, zum Beispiel auf “5 Star Stunna” fort.

*Minhtendo: So nennt sich RINs Produzent, der für die Beats auf „Kleinstadt“ verantwortlich ist.

3. Einfach ein paar Tracks zusammenwerfen und das Label “Album” draufklatschen, das liegt nicht in Renatos Natur. Für sein aktuelles Album hat er deswegen eine Art farbkodierte Kapitelstrategie entwickelt. Das Resultat: sieben Kapitel mit komplett unterschiedlichen, individuellen und neuen Sounds. Das vorletzte, zum Beispiel, besteht mit “Dirty South” und “FYM” aus zwei massiven Rapsongs inklusive 808-type Beats und vibrierenden Bässen.

4. Ad-Libs sind schon lange zum USP vereinzelter Rapper*innen geworden. Lucianos “bo-bo-bo-boh”, DJ Khaleds “We the best!” oder eben RINs “Oh Junge”. Letzteres sampleten Kitschkrieg sogar auf dem gleichnamigen Track “Oh Junge” mit Kool Savas und natürlich RIN. Und auch auf den neuen Releases kommen einfallsreiche Ad-Libs nicht zu kurz. Meine persönlichen Favorites: “Beta, Gamma” in “5 Star Stunna”, das gibt mir absolute Matheunterricht-Flashbacks und das im besten Sinne. Dicht gefolgt von “Strand” in “5 Star Stunna”. Natürlich darf in dieser Aufzählung auch “Giddy up!” aus “San Andreas” nicht fehlen.

5. Aufregende, hochkarätige Features geben “Kleinstadt” den letzten Feinschliff: Mit den Giant Rooks auf “Insomnia” und Schmyt, der mit “Athen” und “Douglas” sogar auf zwei Songs vertreten ist, hat Renato sich echte Diamanten der deutschen Musikbranche gesichert. Entgegen naheliegenden Rap-Features, wie schon auf “Nimmerland” mit Sido und Luciano wirft RIN auch was seine musikalischen Gäste angeht Genregrenzen über Bord. Im Übrigen ist der Gastauftritt Schmyts wohl kaum aus dem Nichts gegriffen, so war Renato ja bereits auf der Single “Gift” der gleichnamigen EP als Feature vertreten. Dass aber gleich zwei gemeinsame Songs auf “Kleinstadt” zu finden sind, hätte wohl Niemand (Pun not intended) erwartet.

6. Trotz teils poppiger Hooks und nachdenklicher Texte kommen auch böse Flows auf RINs drittem Album nicht zu kurz. Songs wie “Douglas” (feat. Schmyt) schieben einen ja schließlich nicht nur wegen der Beats nach vorne, Renatos Flows unterstreichen das Ganze. Zu den sowieso schon einzigartigen Flows kommen die noch einzigartigeren Flowwechsel, wie zum Beispiel auf “Money on my Mind”. Von langsam über schnell zu komplett neuen Rhythmen und das alles innerhalb von 3 Minuten.

7. Anknüpfend an das bereits unter 1. genannte übernommene “Heart-Shaped Box”-Intro schmücken Samples, die RINs neuen Sound brilliant unterstreichen, seine Songs und Beats weiter aus. So findet sich in “Swiffer”, der von Alexis Troy komponiert wurde, ein Sample von Frank Oceans “In My Room” wieder. Auch hier werden Renatos musikalische Einflüsse und Inspirationen deutlich. 

8. Wie es sich im Hiphop gehört kommen auch Querverweise, Referenzen und Anspielungen nicht zu kurz. Bereits auf “UP IN SMOKE”, einem Song, der auf RINs zweitem Album “Nimmerland” erschien, hagelte es Referenzen. Auch auf “Kleinstadt” klart der Himmel was das angeht nicht auf. So singt er auf “Apple” zum Beispiel: “ ‘Make Love, Not War’ – John Lennon”. In “Eye of the Tiger” verweist er nicht nur mit dem Songtitel, sondern auch im Text auf den gleichnamigen Song von Survivor aus dem Jahr 1982.

9. Entgegen des Modus Mio-Mainstreams zeigt Renato seinen Hörer*innen, dass Rap mehr kann als stumpfes “Mein Auto, mein Geld, meine Bitches”-Gehabe. So spricht er auf “Yugo” gleich zu Beginn des Albums deutlich Konflikte mit Neider*innen an: “Warum willst du, dass ich lose? Sag mir, was du für ein Grund hast.” Des Weiteren thematisiert er das “Deutschsein” als Sohn einer kroatisch-bosnischen Einwandererfamilie im Zusammenspiel mit seinem, unter anderem finanziellen, Erfolg: “Bedeuten Kommas vor der Null, ich bin jetzt eingedeutscht?” fragt er auf “FYM”.

10. Last, but certainly not least: der phasenweise Punchline-Hagel. Neben emotionalen Lines zeigt RIN nämlich auch, dass er immer noch bestens austeilen kann. Statements wie “Ihr seid zweite Klasse, meine ist G” auf “Money on my Mind” oder “Der Rest [des Deutschraps] geht unter wie die Hindenburg” und “Liefer’ euch die Hits – Deliveroo”, beide auf “Dirty South”, machen deutlich: Der Bietigheimer nimmt kein Blatt vor den Mund und bleibt dabei über der Gürtellinie.

Fazit

Unterm Strich heißt das also: RINs neues Album ist absolut hörenswert. Nicht nur, weil es mit innovativen neuen Ansätzen, was die unkonventionelle Fusion von Rap und anderen Genres angeht, glänzen kann. Sondern auch, weil Renato sich währenddessen immer noch treu bleibt, an alte Erfolge anschließt, sich aber nicht verzweifelt an ihnen festklammert.