YRRRE im Interview über „Feinstaub“ und das Musikerdasein als Grübler

Foto: Christoph Szulecki

Sein Lieblingsobst? „Kiwi“. Sein Künstlername? Unaussprechlich einprägsam. Sein neues Album? Verrückt gut. YRRRE hat vergangenen Freitag sein zweites Album „Feinstaub“ veröffentlicht. Picky Hannah hat sich mit ihm darüber unterhalten und abschließend auch ein paar Worte dazu verloren.

picky Hannah: Um das ein für alle Mal zu klären: Wie spricht man deinen Künstlernamen aus? 

YRRRE: Also eigentlich spricht man den einfach [írre] aus. Ich hab das eine gewisse Zeit auch immer so offen gelassen, weil ich das so funny fand und auch schon die wildesten Versionen gehört habe.

picky Hannah: Und warum der Name “YRRRE”? 

YRRRE: Im Großen und Ganzen hab ich irgendwas gesucht, was nicht unbedingt nach einem klassischen Genre und einfach cool aussieht. Ich finde wenn man den Namen so sieht, vor allem in Großbuchstaben, wirkt der total mysteriös für mich. Und das fand ich voll ansprechend. Also irgendwann stand der in meinen Notizen und ich hab meinen alten Mitbewohner gefragt, was der davon hält und der meinte: “Ja, machen wir so!”

picky Hannah: Heute ist ja Releaseday, das ist wahrscheinlich alles super overwhelming. Hast du denn schon Feedback von deinen Hörer*innen zu deinem Album “Feinstaub” bekommen?

YRRRE: Auf jeden Fall, das ist gerade alles sehr schön. Ich bekomme sehr viele Nachrichten, vor allem auch sehr lange Nachrichten teilweise, von Leuten, die das Album jetzt schon vier Mal durchgehört haben. Das ist schon krass. Ich hätte gar nicht gedacht, dass jetzt schon so viel Echo kommt und ich bin natürlich super froh, dass die Leute das mittlerweile hören können und dass sie es vor allem positiv aufnehmen. In den letzten Tagen hab ich nämlich schon wieder total die Zweifel geschoben, ob das denn letztendlich auch was ist. Ich habe an dem Album zwei Jahre lang gearbeitet und mich dann gefragt, ob es das denn jetzt wert war. Wenn dann so eine Wertschätzung stattfindet ist das einfach schön.

picky Hannah: Klar, das ist ja auch normal. Wenn man ein größeres Projekt oder eine größere Entscheidung hinter sich hat denkt man sich bevor es richtig ernst wird nochmal: “Oh Gott, ist das jetzt was?”

YRRRE: Total! (lacht) Man weiß ja auch nie was passiert, das kann man nie richtig einschätzen. Das ist halt so eine ‘Reise ins Ungewisse’, die ganze Zeit.

picky Hannah: Beim zweiten Album kommt ja nochmal dazu, dass das Debütalbum schon in der Welt ist und dann steht man vor der Frage ‘Wie soll es jetzt weitergehen?’. Ich stelle mir das sehr nervenaufreibend vor. 

YRRRE: Ja, das ist auf jeden Fall auch ein sehr langwieriger Prozess auch gewesen, um da hinzukommen, was ich eigentlich machen wollte und um überhaupt zu merken, was ich machen wollte. Das weiß ich jetzt aber glücklicherweise, glaube ich. (lacht) Mir ist sehr viel über den Albumprozess klar geworden, ich habe sehr viel für die Zukunft dazugelernt, glaube ich.

picky Hannah: Was ist denn dein größter Take-Away aus dem Albumprozess für die Zukunft?

YRRRE: Dass eigentlich nie alles so klappt, wie man sich das vorstellt! Und, dass das manchmal auch gut ist. Dass man sich manchmal auch verrennen darf. Dass man nicht unbedingt immer ein klares Ziel vor Augen braucht, sondern sich auch einfach mal auf den Moment stürzen kann und da oft die besten Sachen bei rauskommen.

picky Hannah: Das stimmt, ja. Die meisten Dinge passieren, wenn man am wenigsten damit rechnet.

YRRRE: Vor allem, wenn man sich nicht so verkopft, das ist immer das Ding. Wenn man sich zu sehr verkopft oder denkt: “Ich muss jetzt sowas machen oder sowas.” Deswegen war ich beim ganzen Schreiben und so weiter auch immer frei und hab mir die Zeit gelassen. Wenn ich mich gerade nicht danach gefühlt habe, Musik zu machen, hab ich auch keine Musik gemacht.

picky Hannah: Safe, sich da nicht so einen Druck zu machen ist denke ich mega wichtig – Obwohl ich selber auch eine Person bin, die sich da ultra viel Druck macht. Da muss man sich manchmal einfach ein bisschen lösen.

YRRRE: Das ist auch nicht immer leicht! Das braucht halt auch immer eine Weile. In manchen Momenten geht das sehr gut und in manchen nur sehr schlecht.

picky Hannah: Genau. Eigentlich muss man auch einfach mal machen, was sich richtig oder organisch anfühlt, oder?

YRRRE: Eigentlich auch nur machen, was sich richtig anfühlt, weil alles andere bereut man später.

picky Hannah: Ja, da muss man sich ein bisschen auf sich selbst zurückbesinnen. Gerade während der pandemiebedingten Lockdowns mussten wir uns ja alle von jetzt auf nachher wieder auf uns selbst konzentrieren – da hatte man ja nur sich selbst.

YRRRE: Ja, das war vor allen Dingen eine harte Zeit, weil ich mich die zwei Monate bevor das überhaupt losging schon komplett isoliert habe. Weil ich mich total verkrochen habe und es nicht so gut voran ging. Ich habe mich dann erstmal total darauf konzentriert voranzukommen. Und als ich dann wieder rausgehen wollte, um was zu erleben, ging das einfach nicht mehr. Das war dann schon ein bisschen ermüdend. Es ist eigentlich immer nur schön, wenn man sich diesen Zustand selbst zuführt.

picky Hannah: Natürlich, man will ja auch immer das, was man nicht haben kann. 

YRRRE: Und wenn’s dann wieder geht, ist es dann doch nicht so, dass man’s dauernd macht. Ich glaube das ist einfach eine komische Sache, der Mensch ist komisch!

picky Hannah: Ja, ich denke, das kann man sehr gut unterm Strich festhalten: Der Mensch ist einfach komisch. (beide lachen) Aber gerade in einer pandemischen Zeit, in der so gar nix geht: Was hast du denn als Inspirationsquellen für dein Album genutzt?

YRRRE: Alles in allem habe ich relativ lange daran gearbeitet und viele Textfragmente sind auch schon vorher entstanden. Im Großen und Ganzen hat man sich dann, wenn man viel alleine war, auch viel mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und Dingen, die nicht sonderlich gut gelaufen sind und sie nochmal hinterfragt. Und ich glaube, das ist auch ein ganz großer Faktor auf diesem Album.

picky Hannah: Ich fand auch beim mehrmaligen Hören, dass das Album einfach sehr gut als Ganzes funktioniert.

YRRRE: Für mich war es auch total wichtig, dass die Sequenzierung Sinn ergibt. Ich mag Alben immer noch total gerne. Für mich ist das keine Aneinanderreihung von Singles, sondern immer ein großes Ganzes. Und ich find es auch super dann zu hören, wenn das irgendwie geklappt hat, so wie ich mir das gedacht habe!

picky Hannah: Total! Ich finde es auch immer sehr schade, wenn vor dem Album schon quasi jeder Song als Single released wird, wie das im Rap aktuell ja oft der Fall ist. Bei dir waren es mit den vier vorher releasten Singles jetzt immer noch total viele Songs, die das zu einem Ganzen zusammenfügen. Das fand ich total schön, weil man die Chance bekommt, in das Album einzutauchen.

YRRRE: Das freut mich. Ich finde ein paar Sachen, die drauf sind, und auch ein paar von den Singles, entfalten sich glaube ich erst richtig auf dem Album, weil der ganze Kontext da ist. Ich fand es auch sehr spannend, Sachen auszukoppeln, die vielleicht in einem anderen Licht erstrahlen, wenn man das ganze Album gehört hat.

picky Hannah: Voll. Gerade “Dilemma”, die Single mit Maeckes, habe ich schon vor dem Album sehr viel gehört. Ich finde auch alles was Markus macht großartig. Und da ist mir genau das besonders aufgefallen: Als Single funktioniert der voll gut und im melancholischen Albumkontext hat der für mich nochmal einen ganz anderen Vibe.

YRRRE: Ich fand das auch, dass das eine komplett andere Wirkung hat, wenn man den Song an eine ganz andere Stelle packt. Ich hab mir auch echt ganz ganz dolle Gedanken gemacht, wie ich die Tracklist anordne und welche Songs überhaupt draufkommen. Im Prinzip habe ich auch fast 60 Songs gemacht mit Cap [Kendricks, dem Producer des Albums] für dieses Album. Dann alles darauf runterzubrechen war schon sehr schwer. Aber ich finde das macht jetzt alles total Sinn und es ist genau so viel, wie ich auf dem Album erzählen wollte und auch nicht weniger. Einige Sachen spare ich mir auf jeden Fall noch auf. 

picky Hannah: Dann weiß man wenigstens, dass da noch ganz viel in der Pipeline ist!

YRRRE: Definitiv! Ich hab noch ganz viel Zeug rumliegen aber auch schon wieder total Bock, bei Null zu starten und wieder neu anzufangen. Das ganze Drumherum, der Videokram und so weiter war jetzt schon sehr zeitaufwändig, sodass ich kaum dazu kam mich mal eine Woche wieder hinzusetzen und einfach nur Musik zu machen. Da habe ich aber auf jeden Fall bald mal wieder Bock drauf.

picky Hannah: Apropos Videokram: Das neue Musikvideo zu “40mg” ist jetzt ganz frisch draußen. Ich habe es mir echt ein paar Mal angeschaut, weil ich finde, dass es so viele verschiedene Ebenen hat. Beim ersten Schauen war ich komplett überfordert, weil es wie so ein kunstiger Kurzfilm ist. Wie kam es zu dieser Idee?

YRRRE: Alles in allem haben wir mit der ganzen Kampagne versucht, mehrere Facetten zu zeigen und auch nicht reine Performance-Videos zu machen. Ich finde, da hat im Endeffekt auch niemand etwas davon. Ich mag es, wenn ein Musikvideo total viel Interpretationsspielraum zulässt, wie es auch beim Video mit Maeckes, zum Beispiel, war. Da kann sich auch jeder seinen Teil denken. Und [beim Video zu “40mg”] geht das noch ein ganzes Stück weiter. Ich finde, das trägt den ganzen Song total gut, weil der ja auch relativ offen ist. Das Konzept an sich kam soweit von Julius Pfeiffer von Enlight und wir haben das dann zusammen ausgearbeitet.

picky Hannah: Das merkt man! Jedes mal, wenn ich mir das Video dann nochmal angeschaut habe, hab ich irgendwas neues entdeckt.

YRRRE: Das war auch tatsächlich ein super Dreh und hat auch total Spaß gemacht, weil auch so viele unterschiedliche Charaktere zusammen kamen. Es war die ganze Zeit ein reges Austauschen. Man hat mit jedem geredet, jeder hat etwas anderes zu erzählen, jeder kommt woanders her. Das war super spannend und super schön. Am besten muss man da komplett eintauchen. Für “2005”, das erste Video, sind wir nach Kiew geflogen mit einem ganz kleinen Team. Das war so ein Trip, so ein Film. Wenn ich das Video sehe, habe ich auch das ganze Gefühl dieser Zeit wieder. Sowas ist geil, man kann mit Videos einfach solche Momente konservieren.

picky Hannah: Wir hatten es ja schon von Maeckes als Feature-Gast. Gibt es denn eine*n, den oder die du noch ganz gerne auf dem Album gehabt hättest?

YRRRE: Es gab bestimmt den ein oder anderen, den ich mal irgendwie ins Auge gefasst aber auch nie gefragt habe. (lacht)  Manchmal war auch einfach der Song schon so weit, dass wir gar kein Feature mehr gebraucht haben und ich wollte das Album auch nicht so überladen, ehrlich gesagt. Das hätte nicht gepasst, wenn ich so Kanye West-mäßig auf jeden Song zwei Features geklatscht hätte, weil es ja auch einfach ein sehr persönliches Album ist. So habe ich jetzt nur Leute drauf, die ich persönlich ganz gut kenne und mit denen ich auch eine Verbindung habe. Das war mir einfach sehr wichtig, dass ich nicht noch einen Part von jemandem drauf habe, den ich noch nie getroffen habe. Da habe ich schon so abgewogen, dass es auch persönlich bleibt.

picky Hannah: Das ergibt auf jeden Fall auch Sinn im Kontext vom Album.

YRRRE: Voll! In Zukunft würde ich aber natürlich total gerne noch mit Leuten zusammenarbeiten. Ich hab auch schon ein paar Sache gemacht, die dieses Jahr noch rauskommen, und ich hab richtig Bock! Und ich hab vor allem auch richtig Bock, mit anderen Leuten ins Studio zu gehen und einfach zu gucken, was passiert.

picky Hannah: Du hast Maeckes ja nicht nur als Feature-Gast auf deinem Album, sondern bist auch selber auf seinem kürzlich erschienenen “POOL Refill” vertreten. War eure Zusammenarbeit dann schon länger am laufen?

“Dilemma” auf meinem Album stand eigentlich zuerst und dann hat man sich auch ein paar Mal getroffen und gesehen. Und, ich glaube das war beim DISSY Videodreh zu “SEXY DEPRESSION”, da hat er mir dann erzählt, dass er für Ende des Jahres ein „POOL Refill“ plant. Da hab ich gesagt: “Ja, gerne, voll Bock drauf!” So kam das zustande. Also, wie gesagt, ich hoffe natürlich auch, dass das nicht die letzte Zusammenarbeit von mir und Maeckes ist. Ich finde nämlich, wir passen echt ganz gut zusammen und es macht auch immer Spaß mit ihm. Er ist echt ein sehr, sehr toller Mensch.

In Deutschland würde ich mir wahrscheinlich wirklich sehr gerne ein kleines Träumchen erfüllen und einen Song mit Casper machen. Und ich glaube auch, dass das gut passen würde.

picky Hannah: Wer wäre denn dein non plus ultra Feature-Wunsch?

YRRRE: Das ist eine gute Frage. Ich will mal realistisch bleiben. Was internationales angeht passt das ja immer nicht, wenn internationale mit Deutschen zusammenarbeiten und klingt manchmal bemüht und seltsam. Das wäre mir dann auch das Geld nicht wert, was es wahrscheinlich kosten würde. (lacht) In Deutschland würde ich mir wahrscheinlich wirklich sehr gerne ein kleines Träumchen erfüllen und einen Song mit Casper machen. Und ich glaube auch, dass das gut passen würde.

picky Hannah: Vielleicht liest er das hier gerade und denkt sich: “Ja, klar!”

YRRRE: Vielleicht findet er mich auch Scheiße, das weiß man ja nie. (lacht)

picky Hannah: Ich hätte tatsächlich auch wirklich mit vielen Feature-Gästen gerechnet, aber als ich ‘John on a Mission’ gelesen habe, den ich bisher nur aus dem ‘Cyber Gen’-Kontext kannte, war ich verwundert. Wie kam denn diese Zusammenarbeit zustande?

YRRRE: Wir kennen uns seit ein paar Jahren über Soundcloud. Er hatte mich irgendwann mal angeschrieben, weil er sich was angehört hatte, was vielleicht 20 Menschen gehört haben. Und seitdem hatten wir einen sehr stetigen und guten Kontakt immer. Ich freu mich total, dass er drauf ist und ich finde es passt auch super geil zusammen. Ich mag seinen Part total gerne, ich finde die Stimmfarbe passt super zum Song. Sowieso nur Liebe für ihn, er ist ein ganz toller Musiker und Typ und ich hoffe, er bringt demnächst auch nochmal mehr raus. Der hat so viele tolle Sachen rumliegen aber ist halt auch ein Zweifler.

picky Hannah: Ich denke, das ist aber auch ganz wichtig. Wenn man nicht an sich zweifelt, wächst man nie über sich selber hinaus.

YRRRE: Hätte ich immer einfach alles rausgehauen, was ich gemacht habe, dann würde ich mich glaube ich auch ganz doll schämen.(lacht) Man macht ja manchmal ganz impulsive Sachen. Ich lasse auch gerne mal einen Song wirklich drei Monate liegen, bis ich den zu Ende mache. Dann hab ich einen Part und eine Hook und dann greife ich den mit einem ganz anderen Blickwinkel wieder auf. Das klappt eigentlich immer am besten, so sind auch die meisten Sachen auf dem Album entstanden.

picky Hannah: Das ist aber bestimmt auch ganz gut, um für sich selber die Rückversicherung zu haben: “Jetzt bin ich damit so zufrieden, dass ich das in die Welt tragen möchte.”

YRRRE: Im besten Falle bringt man ja auch was raus, was man für immer hören kann. Das ist natürlich immer das Wunschziel von allen, das man aber auch nicht immer erfüllen kann.

picky Hannah: Klar, manche Alben hört man ewig und manche eben dann doch nicht.

YRRRE: Gerade auch bei Musik von einem selber ist das immer so eine Sache. Man kann nie sagen, ob man morgen alles Scheiße findet. Aber man kann dem schon ein bisschen entgegenwirken, sodass man es nicht Scheiße findet.

picky Hannah: Wenn du jemandem, der oder die von deiner Mukke und deinem neuen Album, vor allen Dingen, keine Ahnung hat erklären müsstest, was ihn oder sie erwartet – Wie würdest du das zusammenfassen?

YRRRE: Ich finde, das ist immer ganz schwierig mit der eigenen Musik. Man nimmt das ja auch ganz anders wahr. Im Grunde hört man da einfach jemandem 45 Minuten beim Reflektieren zu, wenn man ehrlich ist. Vielleicht ist das auch die Antwort: 45 Minuten wie jemand reflektiert und das mit relativ schöner Musik untermalt. 

picky Hannah: Das ist doch nice! Ich glaube, das braucht man einfach auch in seinem Leben: Ein bisschen mehr Reflektion.

YRRRE: Ja, ich würde das auch manchmal gerne ein bisschen weniger machen. Ich bin echt immer so ein Grübler. Ich hab neulich in einem Podcast was gesagt, was einfach nicht stimmt, weil ich zwei Leute verwechselt habe. Und dann konnte ich einfach die ganze Nacht nicht schlafen, obwohl das wahrscheinlich keine Sau juckt. Aber ich war echt so: “Man, Shit! Es war Matze Knoop und nicht Mola Adebisi, der Adam Sandler in ‘Waterboy’ gesprochen hat.” Darum ging es tatsächlich. Ich weiß nicht, warum mich Kleinzeug immer so wurmt, aber ich fang da immer schon an zu rattern. Leider.

picky Hannah: Ich weiß ganz genau was du meinst, ich bin auch große Overthinkerin. Das macht einen dann irgendwann verrückt. 

YRRRE: Und dann folgte ein kleines Ausschweifen zu verschobenen Konzerten, der Lust mal eine Tour zu spielen und allen Bedenken, die das so mit sich bringt. Und dem Wunsch nach einer Zeit, in der alles wieder ein bisschen in trockenen Tüchern ist, was die Pandemie angeht. 

picky Hannah: Manchmal braucht es einfach ein bisschen Vorfreude. Und wenn das heißt, dass bei mir Zuhause 40 Konzertkarten rumliegen.

YRRRE: Dann hast du auf jeden Fall irgendwann richtig was vor! Und du wirst dann richtig viel unternehmen und es kommt dir so vor, als würdest du nichts dafür bezahlen.

picky Hannah: Das stimmt, das ist tatsächlich mega nice! Am Ende werden wir da alle mehr oder weniger durchkommen.

YRRRE: Wir brauchen alle Geduld, glaube ich, und dann wird das auch. Geduld und zumindest ein Funke Optimismus müssen da sein. Und ich bin eigentlich ein sehr pessimistischer Mensch, wie man eventuell auch auf dem neuen Album hört.

picky Hannah: Wie es auch einfach Hand in Hand geht mit dem Grübler*innen-Dasein! Da muss man sich manchmal ein bisschen zum Optimismus zwingen.

YRRRE: Man kann auch manchmal wunderbar so tun und nimmt das dann so ein bisschen an.

picky Hannah: Genau, man muss sich einfach so lange selbst belügen, bis man es glaubt! (lacht)

YRRRE: Total, das ist ja auch nicht schlimm. Das sind dann ja so Notlügen und wenn die der mentalen Gesundheit dienen, dann ist ja auch alles in Ordnung. Dann belügt man sich selbst gerne.

picky Hannah: Abschließend noch die Frage: Wen würdest du als deine musikalischen Einflüsse bezeichnen? Egal, ob du dir da Inspiration für deine eigene Mukke daraus ziehst oder, ob jemand für dich persönlich eine große Bedeutung hat.

YRRRE: Puh, das ist schwierig. Wenn man sowas gefragt wird, fällt einem immer nichts ein! Also ein ganz, ganz wichtiger Faktor ist für mich halt Kanye West. Ich liebe diesen Mann irgendwie, auch wenn der nicht immer liebenswert ist. Ich weiß auch nicht warum, aber ich bekomm nur bei seiner Musik dieses Gefühl, dass alles total frei ist. Das macht mir immer sehr viel Freude. Seine öffentlichen Eskapaden machen mir nicht so viel Freude aber das versuche ich manchmal zu trennen, wenn die Musik tatsächlich so gut ist. Was hab ich jetzt noch viel gehört? Das ist schwierig.

picky Hannah: Man will dann auch immer niemanden vergessen.

YRRRE: Beim Album hab ich dann auch immer ganz viel Bon Iver gehört. Das hat mich in der Zeit auch ziemlich stark geprägt, in der Zeit. Und ansonsten bin ich viel bei The Streets, also Mike Skinner und so. Gerade, weil ich in so einer Rap-Welt aufgewachsen bin und sozialisiert wurde. Die Musik von ihm haben meine Freunde nie verstanden, weil er halt so spoken Word-mäßig über das Instrumental säuselt. Ich weiß nicht, das hat mir immer total viel gegeben. Ich fand das immer ausdrucksstärker, als wenn da irgend so ein Rapper was irgendwas krass betont hat. Das hab dann irgendwie auch in meiner Musik sehr übernommen, dass man oft mit einer sehr ausdruckslosen Art eigentlich viel mehr sagen kann.

picky Hannah: Voll, das schafft einen Vibe.

YRRRE: Ja, auch wenn ich jetzt Radio höre oder so. Dann sind da immer diese Lovesongs, die dann mit Gefühl so geleiert gesungen sind und auf denen die Leute mit ihrer Stimme angeben. Ich weiß nicht, da kommt bei mir einfach nichts rüber. 

picky Hannah: Ich merke das vor allem auch, wenn dann so ein Positivbeispiel daherkommt, wie zum Beispiel Schmyt, der total ruhig und textlich total runtergebrochen und ehrlich sowas besingt.

YRRRE: Yes, wahnsinnig guter Künstler auch und vor allem mit einem wahnsinnigen Stimmeinsatz. Aber der ist einfach auch ein gottgleicher Sänger, der Mann.

picky Hannah: No joke, unabhängig davon, ob das ein Interviewkontext ist oder nicht: Ich schaffe es immer irgendwie das Gespräch am Ende auf Schmyt zu lenken. 

YRRRE: Da bist du aber nicht die Einzige, der verfolgt einen einfach!

Und dann wurde noch ein bisschen über Schmyt gefangirled und finale Weisheiten von sich gegeben:

picky Hannah: Es kommt so, wie es kommen soll – probably.

YRRRE: Und wenn nicht, dann nicht. Man sollte sich einfach keine großen Erwartungen machen und alles auf sich zukommen lassen am besten. Weil es klappt halt nie so, wie man das möchte, das geht einfach nicht. Ganz manchmal wird es zufällig besser als die Vorstellung. Aber meistens ist es schlechter als die Erwartung. Gerade was Silvester angeht, das ist das beste Beispiel. Silvester geht nicht in gut, weil alle Leute, die teilnehmen, immer viel zu viel erwarten. 

picky Hannah: Das stimmt, ich hasse auch Silvester ganz arg.

YRRRE: Ey, da bin ich voll bei dir. Ganz schlimmer Tag. 


Schöne abschließende Worte, finde ich. 

Ganz wichtig ist aber zu erwähnen, dass YRRREs taufrisches Album “Feinstaub” jetzt überall gehört werden kann. Und YRRRE ist nicht nur ein unglaublich sympathischer Mensch, sondern auch ein unglaublich guter Musiker. Es klang schon im Interview an, aber wer auf Rap und Alben steht, die als Gesamtkunstwerk mindestens genauso viel Sinn ergeben, wie ihre Songs es allein tun, der muss “Feinstaub” gehört haben. Irgendwo zwischen wie die Faust aufs Auge passenden Features und einem melancholischen Nebel, der über der Platte liegt, fasst YRRRE Erfahrungen und Emotionen in Worte, wie es nur schwer nachzuahmen ist. Also husch husch und schnell eintauchen in diese kleine Welt.