Shelter Boy aus Dresden veröffentlicht nach einer weiteren heißen Streak an Singles eine neue, fünf Songs starke EP. Hip Hop Hurra! Ach ne, oder doch indie?
Ich weiß noch, wie ich damals noch Witzchen darüber gemacht habe, dass Shelter Boy der Superhelden-Sidekick ist, der mit flatterndem Cape über die Indie-Landschaft hinwegfliegt und seinen Glitzer-Indie-Zauber überall verteilt. Das war jetzt vollkommen ohne Kontext, ich wollte mich nur mal für einen Witz feiern, den ich vor einem Jahr gemacht habe.
Nach einem pre-Interview vor dem EP Release Rock’n’Roll Saved My Childhood (lel) und einer Tourankündigung voller Prunk und Protz (und Tourdaten) folgt jetzt auch die alles richtende Review zur Platte.
Shelter Boy legt nochmal ein großes Stück Feuerholz in den Kamin!
Der Opener der Platte ist der sonnig glitzernde, vor Coolness übersiedende Song Let’em Go, der sich vom Titel her einmal konträr zu dem verhält, was Nintendo schon seit Ewigkeiten mit Pokemon propagiert: Gotta Catch’em All (Pika Pika). Der Song erschien bereits vor einiger Zeit und hatte dabei noch ein cooles Musikvideo im Gepäck. Besonders spannend an dem Song finde ich die Bassline und den Chorus. Shelter Boy singt hier betont tief und „britisch“, ein bisschen erinnert er mich an Cinemagraph, oder auch The Kooks.
Let’em Go kommt in der typisch un-deutschen Shelter Boy-Manier daher. Ein lockeres Indie-Riff wabert im Hintergrund durch die Gegend. Dazu gibt es spitze Hihats und eine eingängige Wiederholung des Chorus machen den Song für mich zu einem sehr schönen Opener der EP.
Jetzt geht es weiter mit dem erfrischend anders klingendem Pale Ocean Child. Das blasse Ozean-Kind. Okay, gut. Schauen wir mal. Der Song hat einen ganz anderen Groove als Let’em Go und klingt viel ruhiger und wärmer. Ich fand den Frauen-Chor im Hintergrund sehr schön, doch das feine Piano im Chorus ist meiner Meinung nach das eigentliche Highlight, was den Song wirklich hörenswert macht.
Diese Lockerheit und die Art zu singen, erinnert mich irgendwie an Gospel oder Soul-Songs aus den 60ern, oder 70ern. Interessant hier diese Ähnlichkeit zu hören. Der Song schließt mit geistig verwirrt klingenden Gitarrensolo – muss man nicht mögen, doch nach dem dritten Mal hatte ich mich bereits damit angefreundet. Von daher, alles machbar.
Back at the Bottom klingt ziemlich hip hoppig
Im Interview hatte Shelter Boy gesagt, dass er nicht nur angehender Indie-Gott, sondern auch ein kleiner Hip Hopper ist. Klingt komisch, is‘ aber so. Ich meine, hör dir doch mal Back At The Bottom an. Außerhalb des Chorus‘ wird eigentlich nur gerappt – und das gar nicht mal so schlecht. Der rotzig-tiefe Gesang von Shelter Boy, der wohl oder übel an die Rotznase King Krule erinnert, kommt hierbei besonders zur Geltung. Back At The Bottom ist meiner Meinung nach der Song mit dem meisten Schmackes auf der gesamten EP. Cute wie er hier Seaside ausspricht „Seoahsoaide“. Auch hier ist das Riff wieder sehr eingängig und die rhythmisch starke Arbeit am Schlagzeug ist subtil aber ausschlaggebend!
Use Me wurde ebenfalls schon vorher veröffentlicht, bekommt aber in die gesamte EP gepackt einen anderen Kontext. Dieser Song ist etwas ruhiger, persönlicher und melancholischer und lässt den Hörer kurz innehalten. Es geht um Trennung und das Gefühl, ausgenutzt zu werden (obviously) und Shelter Boy zeigt sich hier von seiner gefühlsbetonteren Seite. Hier hat mir der slicke Groove und die Gitarrenarbeit gefallen. Auch die smoothen Synthies konnten sich hören lassen. Der Gesang klingt hier vielleicht etwas grob, aber das gehört eben zum Gesamtpaket dazu.
Clean Sheets / Blank Page ist für mich ein gelungener Abschluss der EP. Er drückt nochmal richtig auf die Tube und entlässt uns mit einer warmen Umarmung zurück indie Freiheit. Der Chorus klingt nach mit Cabrio durch die Wüste fahren, den Autofahrern die Titten zeigen und Kippe auf dem Dach rauchen. Mit 14.
Shelter Boy saved the german indie (lel) – like i said
Diese Caption war übrigens auch ein heißer Kandidat für die Überschrift der ganzen Review, ich habe mich dann aber doch für erstere entschieden. Einfach so. Rock’n’Roll Saved My Childhood (lel) ist auf alle Fälle ein weiterer Schritt indie richtige Richtung. Sehr schöne Songs, die alle diesen besonderen Shelter Boy-Indie-Flair versprühen.
Einzige Sache, die mir nicht so gut gefallen hat: Die Songs unterschieden sich unterm Strich nicht so stark voneinander. Ich hätte mir an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Dynamik oder andere Sounds, vielleicht mal ein exotisches Instrument gewünscht. Oder mal einen französischen Akzent oder so haha. Ne, Spaß. Ich hatte nur das Gefühl, dass die Songs alle irgendwie ineinander übergehen und man nicht wirklich eine ausgereifte, differenzierte EP hat, die das wiedergibt, was musikalisch möglich gewesen wäre.
Das ist aber natürlich Gemecker auf hohem Niveau. Der Junge macht astreinen Indie, der in Deutschland seinesgleichen sucht. Was soll der Geiz? Nice Platte, Shelly kann man machen!
Übrigens geht Shelter Boy wie gesagt auf Tour, das solltest du dir also nicht entgehen lassen!
Foto von Philipp Gladsome
Hier kannst du dir die EP reinballern: