Alle Fotos im Beitrag: Hannah Bechmann
Das wohl familiärste Festival Südwestdeutschlands gibt es mittlerweile ein halbes Jahrzehnt. Ganz schön stattlich – finden auch OK KID, die dieses Baby vor fünf Jahren in die Welt gesetzt haben. Nicht nur deshalb hat sich das Line-up der diesjährigen „Stadt ohne Meer“ ordentlich gewaschen und lässt Indie-Szene-Herzen höher schlagen. Einen Besuch auf der Jubiläumsparty haben wir uns natürlich nicht nehmen lassen.
OK KID, die eigentlich in der Headliner-Liga spielen, eröffnen dieses Jahr ihr Festival. Im ersten Moment sind wir aber dann doch verwirrt, als Jonas, Moritz und Raffael für ihren ersten Song auf einmal die Zuschauer-Tribüne betreten. Für den nächsten geht’s weiter auf die kleinere der beiden Festival-Bühnen, die Schwätzer Stage. Mit von der Partie: Jeremias, mit dem OK KID gemeinsam „Das Letzte“ performen. Und er wird nicht der letzte Feature-Gast sein. Auf der Elefantenklo Stage, der Headliner-Bühne, gesellen sich nicht nur Blumengarten zu den Gründern des Stadt ohne Meer. Auch Juli, die Deutschpop in den 2000ern geprägt haben, wie keine zweite Band, legen einen Gastauftritt hin. Nicht nur Frontfrau Eva, die gemeinsam mit Jonas einen OK KID-Song singt, nein. Wenig später wird einmal die ganze Band gegen Juli ausgetauscht und „Perfekte Welle“ schillert übers Festivalgelände. Dazu noch die Ankündigung des neuen OK KID Albums „Endlich Wieder Da Wo Es Beginnt“. Ein gelungener Festivalauftakt, behaupten wir.
Weiter geht’s mit Rap aus Wien. Keine geringere als Eli Preiss heizt uns ein – als wären die fast 30°C nicht genug. Und trotz Hitze lässt sich die Crowd nicht lumpen: Es wird ordentlich gemosht, gerappt, gesprungen und obwohl noch gar nicht so viele Besucher*innen vor der Schwätzer Stage stehen. Die Wienerin hat ihr Debütalbum im Gepäck und schnell wird klar: Das Publikum ist vorbereitet und textsicher.
Wer sich in der TikTok-Indie-Bubble bewegt, der kommt an Mayberg nicht vorbei – zurecht. Mausig as ever weiht er gemeinsam mit seiner Band die Elefantenklo Stage ein. Und schnell checkt man, warum seine Tour so gut lief, wie sie eben lief. Schluchz-Balladen folgen auf Mitsing-Banger und treffen auf eine treu ergebene Crowd. Über die freut sich der Anfang 20-Jährige trotz all des Erfolgs übrigens wie ein kleines Kind.
Zurück an der Schwätzer Stage treffen wir auf Aperol-Queen Dilla, die heute in ganzer Band-Besetzung spielt. Und let us tell you: Ihrem Sound setzt das die Krone auf. Die Band rundet nicht nur ihren Live-Sound ab, sondern sorgt auch für einen super sweeten Vibe auf der Bühne. Der schwappt auch auf die Menschen vor der Bühne über, die voller Inbrunst zu „Junge“ weinen und zu „Avenue“ springen.
Next Stop: Ennio. Auch der Indie-Pop-King rockt in voller Bandbesetzung auf und nimmt nicht erst mit „König der Nachbarschaft“ das Gelände auseinander. Auch die Ruhemomente des Sets holen uns ab. Ob „Drachenfrucht“ oder „Gift“, ob heulen oder tanzen – Super Stimmung auf allen Seiten, bestes Wetter und ein Publikum, das ihn mit offenen Armen empfängt – was will man mehr? Ach ja, einen Gastauftritt von Jeremias, der mit Ennio eine Piano-Version von „Grüne Augen lügen nicht“ spielt und uns ein bisschen die Tränchen in die Augen treibt.
Unser Abschluss-Act des ersten Festivaltages ist niemand geringeres als Ski Aggu. Voller Elan rennt der New School-Rapper zu „Hubba Bubba“ und „Weißwein & Pappbecher“ kreuz und quer über die Bühne und gönnt sich bei seinem Lovesong „Mandala“ eine Verschnaufpause. Die Bühne verlässt er aber nicht ohne, wie könnte es anders sein, „Friesenjung“ zu spielen. Dieser Tagesabschluss treibt unsere Energielevel nochmal ganz schön in die Höhe.
Ein inneres Blumenpflücken
Der zweite Festivaltag fängt so entspannt und mausig an, wie nur irgendwie möglich: Blumengarten eröffnen die Schwätzer Stage weniger mit einem lauten Knall, sondern eher mit einem sanften Streicheln. Ein Auftakt, der auch der feierwütigen Crowd eine verdiente Pause gibt, stimmungstechnisch dem wilden Programm des Vorabends aber in nichts nachsteht.
Eines unserer persönlichen Highlights steht als nächstes auf dem Programm. Bibiza hört sich an wie ein junger Falco. Hätte man den und seine Texte ins Jahr 2023 übertragen, wäre dabei Bibizas Debütalbum „Wiener Schickeria“ herausgekommen, ohne Zweifel. Gemeinsam mit seiner vierköpfigen Band rockt der Wiener die Crowd in Ekstase.
Rockig weiter geht’s mit Donkey Kid. Hier wird der Rockstar-Lifestyle noch so sehr gelebt, dass trotz Slot-Ende einfach weitergespielt wird – zum Glück! Nicht nur die englischen Songs der Indie-Rock- Schätze sorgen für ordentlich Action, auch „nicht zurück“ überzeugt uns live auf ganzer Linie.
Apsilon & Wa22ermann sind mit Sicherheit das Rap-Highlight unserer Stadt ohne Meer-Experience. Irgendwie genauso lässig wie kraftvoll performen die beiden ihre erste Duo-Show so, als wärs die zehnte. Mit abwechselnden Songs von Apsilon und Wa22ermann, mal released, mal unreleased, mosht sich das Publikum in Form und scheut sich aber auch nicht davor, auch mal bedacht zuzuhören, wenn zum Beispiel Apsilon über Rassismus-Erfahrungen rappt.
Gewohnt genial ist die Live-Show von JEREMIAS. Mit einer ganzen Menge neuer, unveröffentlichter Songs im Gepäck bringen sie nicht nur ihre eingeschworenen Fans zum Tanzen. Aber heute stehen während ihres Sets nicht nur JEREMIAS auf der Bühne. Auch eine Frau an den Keys und an den Synthies haben die Boys im Gepäck! Und als wäre der Live-Sound der Jungs nicht sowieso schon ausgeheckt genug, wird er dadurch noch satter, als er es sowieso schon ist.
„Baby, keine Ahnung, was du mit mir machst“ – ja, same, Paula. Paula Hartmann kommt auf die Schwätzer Stage und sorgt für eine Stimmung, die an diesem Abend nur noch von Bilderbuch übertroffen werden kann. Unveröffentlichte Banger, die hoffentlich bald releast werden, und ein Gastauftritt von Apsilon machen ihren Auftritt perfekt. Und spätestens, als sie gemeinsam mit ihrem DJ Friso über die Bühne hüpft, geht uns das Herz auf.
Der Auftritt von Bilderbuch gleicht eigentlich eher einer religiösen Experience als einem Festival-Slot. Die Österreicher mit Legendenstatus überrollen uns mit einem Set, das zu Beginn erst einmal zwei neue Songs bereit hält. Altbekannte Fan-Favoriten wie „Gigolo“ folgen und machen uns ganz schön nostalgisch. Gänzlich und ehrlich baff staunen wir über Snacky Mikes Gitarrensoli und Maurice‘ Performance – Freddy Mercury-like, finden wir. Jedenfalls beschließen Bilderbuch perfekt das sowieso schon wunderschöne Wochenende.