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“Ich träum doch nur von Liebe” und dem Ende des Patriarchats: Die Wucht des neuen Blond Albums

Blond (Foto: Mia Morgan)

Blond träumen von der Liebe, aber nicht im Rom-Com-Stil, sondern eher im Schatten von Gender-Stereotypen, toxischer Männlichkeit und dem unberechenbaren Patriarchat. Wir haben bei den zwölf Tracks des neuen Albums genauer hingehört.

„Guten Morgen Deutschland, in diesem Song geht es um die Klitoris.“  Es ist kurz vor neun, als Bandmitglied Nina Kummer diesen Satz im ZDF-Morgenmagazin raushaut – völlig unironisch. Direkt danach spielt die Band Blond ihren Song „Ich wär so gern gelenkiger“. Moderator Mitri Sirin hat ihn gerade noch charmant mit den Worten angekündigt, dass der Track ja auch ihn betreffe – naja, fast Mitri. Was für andere ein peinlicher Frühstücksfernseh-Moment wäre, ist für Blond ein Statement. Eines von vielen auf ihrem am Freitag erschienenen dritten Album „Ich träum doch nur von Liebe“. Es ist keine romantische Eskapismus-Fantasie, sondern ein Soundtrack für alle, die lieben, hoffen, wütend sind und trotzdem weiter tanzen wollen. Irgendwo zwischen Pop, Rock, Retro-Sounds, Melancholie und technoider Trotzreaktion glimmt immer wieder die Frage: Geht da noch was – mit uns und der Welt?

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„Blond sind unsere Götter“ – und wir glauben ihnen sofort

Die Band eröffnet im Intro mit einem chorartigen Kanon, der sofort zum Mitsingen animiert. Die Melodie erinnert an den Kindersong „Hejo, spann den Wagen an“, bekannt von antifaschistischen Demos – hier natürlich umgetextet: „Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden.“ Blond machen daraus eine ironisch-epische Selbstkrönung: „Blond sind unsere Götter“. Wer die Band nicht kennt, könnte meinen, das sei ziemlich überheblich. Wer sie kennt, weiß: Das ist maximaler Selbstschutz mit Witz und aufrichtigem Empowerment. Denn das Trio aus Chemnitz, bestehend aus Nina (Gesang, Gitarre), Schwester Lotta (Drums, hin und wieder Gesang) und Kumpel Johann (Bass, hin und wieder Gesang) sind nicht nur eine Band – sondern auch Sandkastenfreund*innen. Mit brutaler Ehrlichkeit kennen sie sich also aus.

Fuck the Patriarchy – aber auf Y2K

Direkt im zweiten Track „Girl Boss“ singen Nina und Lotta sich mit Neo-Grunge-Power ihren Frust von der Seele: „Komm fick das Patriarchat“. Die Wut sitzt tief, die Gitarren und Drums auch. Ein passender Einstieg in ein Album, das ernste Themen nicht mit Pathos ausdrückt, sondern eher mit Humor. In „So hot“ wird’s dann nochmal kompliziert. Ja, er ist eine Red Flag – „doch manchmal hab ich einfach Bock“. Der Song verhandelt das Dilemma als Frau in der hetero-dating Realität, zwischen Ghosting und Stalking, zwischen Sehnsucht und Selbstschutz. Wie daten wir Männer, ohne uns dabei selbst zu verlieren – oder gar in Gefahr zu bringen? 

In Bare Minimum” übernimmt Johann das Mikro und singt über männliche Privilegien, die so allgegenwärtig sind, dass sie oft nicht mal auffallen – und genau deshalb so toxisch sind. „Ich bin das Bare Minimum, trotzdem das Beste, was man kriegen kann“, heißt es in dem Lied. „SB-Kassen Lover“ ist dann der gesellschaftskritische Höhepunkt des Albums: „Rewe-Aktionären wird die Heizung abgedreht, weil du ohne zu bezahlen aus dem Laden gehst.” Hier wird auf Techno-Beats tanzbar zurückgeschlagen – gegen den Selbstoptimierungswahn und die soziale Kälte unserer Zeit. Gegen ein System, das Selbstwert an Kontostände koppelt.

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Wenn Liebe ballert

Nach dem Wutblock wird’s jetzt melancholisch. Wie du“ ist ein Lovesong – aber natürlich a la Blond. Kein Kitsch, sondern eine nüchterne Zärtlichkeit, die mehr ballert als jeder Rausch: „Drogen, Schnaps, Adrenalin, ich hab nach dem Rausch gesucht, wollte immer, dass es schiebt, aber nichts ballert so wie du”. Schon irgendwie cute. Mit „Fliederbusch“ folgt dann ein weiterer, langsamer Track darüber, dass man auch in Freundschaften ein ziemliches Arschloch sein kann – und das durchaus bereuen darf. „Aber wo war ich gewesen, als das Leben dich verletzt hat, wo bin ich gewesen, ich bin so ein mieser Schwetzer“, lautet eine der Lines. Dem Song über die weibliche Lust, dem Unwissen darüber und das ewige Mysterium Klitoris haben wir uns ja bereits am Anfang gewidmet.

Wir sind alle „geile Bitches”

Im letzten Drittel des Albums wird’s nochmal richtig empowernd, in Geile Bitch” treffen Selbstliebe und Empowerment in ihrer ruhigsten, ehrlichsten Form aufeinander. Dass die Sängerin Ankathie Koi diesen Song featured, hört man an den modernen Retro-Pop Elementen durchaus heraus.

„Ich rufe meiner Mutter in den Bauch, komm raus, jetzt aber zackig.“ Im Track „Lotta und Nina“ geht’s dann zurück zum Ursprung: Geschwisterliebe – oder auch Hass –, Kindheit und gemeinsame Geschichten der gleichnamigen Bandmitglieder. Mit „16 Jahr, blondes Haar”, lässt uns Blond mit einem ziemlich deprimierenden Song, dem wohl härtesten Track des Albums zurück: Nina singt über eine traumatische Erfahrung mit einem deutlich älteren Jungen. Der Schmerz ist greifbar, die Wut darunter auch. Dass Blond genau diesen Song an das Ende des Album gesetzt haben zeigt: Ja, wir sind laut und ja, wir wollen was verändern – aber bis zu einer besseren Welt ist es eben noch ein weiter Weg.

Am Ende des Albums knüpft das Trio mit einem Kanon ans Intro an – ein wiederkehrendes Stilmittel, das schon ihr letztes Album durchzogen hat. Es gelingt ihnen ein Abschluss, der hängen bleibt: „Alle Blondinator klatschen in die Hand“ singen sie chorartig im Outro – und auch wir klatschen. Für ein Album, das es schafft, zwischen satirischem Empowerment, einer melancholischen Realitätsklatische und dem Traum der Liebe zu balancieren. Sie erheben ihre Stimme – gemeinsam mit und für alle, die genug haben von einer Welt, die wenig Platz lässt für alles, was nicht in die vermeintliche Norm passt – und klingen dabei ziemlich nice.

Hier könnt ihr direkt in „Ich träum doch nur von Liebe“ von Blond hineinhören, das am 23.05.2025 erschien:

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