Lena&Linus (Foto: RawSouls)
Es ist Montagmorgen, 9:30 Uhr. Wir alle sind noch ein bisschen verklatscht. Und schnell werden wir uns einig: Das ist nicht unsere Uhrzeit. Aber „wir stehen das zusammen durch“ und schnell wird der halbstündige EP-Talk bei Yogi-Tee und Kaffee zum perfekten Start in die Woche. Lena&Linus sind schon jetzt zwei hell strahlende Sternchen am deutschen Indie-Pop-Himmel und haben mit „Fühlst du dich allein?“ ihre erste Debüt-EP veröffentlicht. Und über ebendiese habe ich mich mit den beiden unterhalten.
picky Hannah: Ihr habt einen Song mit dem Titel “Grüne Nikes” geschrieben – welche Sneaker tragt ihr am liebsten?
Linus: (lacht) Also am liebsten trage ich natürlich die, die ich ich gerade anhabe – das sind so New Balance Sneaker. Ich hab keine Ahnung, was das für ein Modell ist, aber ich hab die auch gefärbt. Deshalb mag ich sie, weil da ein Stück Liebe drinsteckt. Die waren sehr weiß und dann habe ich sie in Kaffee eingelegt, damit sie ein bisschen cremefarbener werden.
Lena: Ich trage zurzeit am liebsten meine schwarzen Superstars. Vorher habe ich ganz oft ganz viel Air Force getragen – aber davon brauchte ich jetzt eine Pause. (lacht)
picky Hannah: Es war ja jetzt ewig auch super schwer, an Air Force zu kommen. Ich weiß nicht, ob ihr das mitbekommen habt, aber über die Corona-Zeit hinweg war das quasi unmöglich. Jedenfalls habe ich schon vor Release eine Weile in eure EP reingehört und mich damit beschäftigt. Aber ich habe tatsächlich schon vor dem Projekt “Lena&Linus” eure Soloprojekte verfolgt. Linus, du hast vorher als “Lini The Blue” auch auf Englisch geschrieben – Wie kam es dazu, dass ihr jetzt ausschließlich auf Deutsch schreibt?
Linus: Ich glaube, auf Englisch zu schreiben kam nicht einmal infrage. Lena und ich haben beide angefangen, auf Englisch zu schreiben und es ist einfach eine super schöne Sprache zum Singen und man findet recht leicht gute Wörter und gute Reime. Bei Lena und mir war es dann eigentlich eher der Prozess, dass wir uns der “Challenge” angenommen haben, auf Deutsch zu singen. Es war dann irgendwie viel interessanter und aufregender, die deutsche Sprache schön klingen zu lassen.
Lena: Ich denke auch, dass es zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns entschieden haben, als Duo zu arbeiten, keine Frage mehr war.
picky Hannah: Kann ich voll verstehen. Ich finde auch, dass es eine ganz andere Wertigkeit hat, Wortspiele und schlaue Reime auf Deutsch zu schreiben.
„Man versteckt sich gerne hinter der englischen Sprache, weil dann doch nicht jeder versteht, was man sagt. Wenn man ein Konzert auf Deutsch gibt, versteht das in der Regel jeder, aber das ist auch das Schöne daran.„
Lena von Lena&Linus
picky Hannah: Hört ihr dann auch selber viel deutsche Musik?
Lena: Ganz gemischt denke ich – oder Linus?
Linus: Ich höre tatsächlich vorwiegend englische Musik, aber es gibt natürlich auch viele coole, neue deutsche Artists, die die deutsche Sprache auch schön klingen lassen. Aber ja, gemischt würde ich sagen.
picky Hannah: Wer sind denn eure Top-3-Artists, egal ob deutsch oder englisch?
Lena: Bei mir Billie Eilish, Holly Humberstone und im Deutschen Paula Hartmann. Das sind so die, die mir direkt einfallen – und Otto Luft! (lacht) Das ist unser Kumpel.
Linus: (lacht) Ja, der große Witz-Rapper Otto Luft. Bei mir ist es der Songwriter Alex G, den ich sehr toll finde. Cleo auch, die zweite Englischsprachige. Und ich finde es richtig schön, was Edwin Rosen geschafft hat mit seiner Musik und was für ein neues Zeitalter er quasi eingeläutet hat.
picky Hannah: Das ist wirklich richtig krass, dieser ganze “Neue Neue Deutsche Welle”-Kosmos, wie das abgeht und was das für einen Impact hat. Wer inspiriert euch denn, wenn ihr Musik macht?
Linus: Es ist auch ein Stück weit Alex G, weil er weirde Gitarren-Tunings hat. Er hat Lyrics, die ein bisschen strange sind, das finde ich ganz interessant und spannend. Da gehe ich ganz bewusst auch ran und denke mir “Ist das überraschend, ist das frisch, ist das neu – so wie Alex G?” Sonst haben Lena und ich immer einen Holy Grail des Songwritings – das ist “Funeral” von Phoebe Bridgers.
Lena: Bei mir ist es eher so, dass alles unterbewusst einfließt. Ich denke mir selten “Heute schreiben wir so und so”. Manchmal kommt das schon vor, aber oft hat Linus dann schon etwas kreiert, wo ich einfach mit drauf springe.
Linus: Oder du hast schon etwas kreiert, wo ich mit drauf springe!
picky Hannah: Das heißt, euer Songwriting-Prozess sieht auch so aus, dass ihr schon eine grobe Idee habt und damit ins Studio geht?
Lena: So war es jetzt auf der ersten Platte viel, dass einer von uns beiden ein paar Zeilen mitgebracht hat. Mittlerweile sind wir immer öfter so am Start, dass wir sagen “Ok, heute wollen wir ein bisschen Songwriting machen” und dann starten wir bei null.
picky Hannah: Ich finde das immer total interessant, welche unterschiedlichen Approaches unterschiedliche Musiker*innen haben. Wir haben ja vorher schon darüber gesprochen, dass ihr auch vor “Lena&Linus” schon Solo Musik gemacht habt. Wie ist überhaupt das Projekt “Lena&Linus” entstanden?
Lena: Es war so, dass wir uns connected haben, weil wir beide aus Würzburg kommen. Erst haben wir eine Zeit lang auf die Sachen des anderen reagiert. Und dann haben wir uns mal getroffen und ein bisschen zusammen Musik gemacht. Wir hatten auch eine Band, in der wir Linus’ und meine Lieder gesungen haben. Da hatten wir noch keinen Duo-Konzept-Gedanken. Dann hat mich der A&R von Four Music eingeladen, um mich mit ihm und unserem jetzigen Produzenten Tim Tautorat zu treffen. Der hatte einen Song von mir im “Mix der Woche” auf Spotify. Und ich habe Linus mitgenommen. Zum einen, weil ich ein bisschen Schiss hatte alleine nach Berlin. Und zum anderen, weil seine Schwester in Berlin lebt und wir dann gemeinsam Zeit verbringen konnten. Linus war dann dabei und wir haben Tim auch gemeinsam was vorgespielt.
„Tim ist dann eigentlich auf die Idee gekommen, dass wir das als Duo machen könnten. Er hat irgendwie das ausgesprochen, was schon da war, aber wir beide nicht gecheckt haben.“
Lena von Lena&Linus
picky Hannah: Crazy! Meine nächste Frage wäre tatsächlich gewesen, was Tim Tautorat damit zu tun hat.
Linus: Das war super witzig, weil ich Lena eigentlich nur zu dem Treffen mit Tim bringen wollte. Wir haben dann geklingelt und ich hatte mir schon das Café ausgesucht, wo ich quasi “überwintern” wollte. Dann kam Tim runter und hat uns gefragt (mit tiefer Stimme) “Trinkt ihr Kaffee?” und dann war ich dabei.
picky Hannah: Es ist bestimmt auch eine krasse Erfahrung für euch, mit Tim zusammenzuarbeiten, weil er ja, was deutschen Indie-Pop angeht, überall drin hängt.
Lena: Anfangs war das wirklich total krass. Da saß ich manchmal sogar bei der fünften Session mit ihm draußen und habe gecheckt, wo ich hier gerade bin und was für ein Glück ich habe.
Linus: Wild ist auch, dass Lena Tim vorher schon kannte und dann zu Tim eingeladen wurde.
Lena: Ich kannte ihn eben nur von Spotify und habe ihn dann mal gegoogelt. Das ist ungefähr ein Jahr vorher passiert, bevor ich den Anruf von Gerald, dem A&R von Four Music, bekommen habe. Das war wirklich verrückt.
picky Hannah: So ein bisschen “Meet Your Idols”-mäßig. (lacht)
Linus: Das dürfen wir ihm aber nicht sagen! (lacht)
picky Hannah: Ich hoffe, ihr wurdet nicht von eurem Idol enttäuscht.
Lena und Linus: Nein!
picky Hannah: Ihr habt in den letzten Monaten viele Support-Shows gespielt. Habt ihr da irgendwann auch mal wen getroffen, den ihr aus dem Internet oder von Spotify kanntet und dann dachtet: “Hm, das war jetzt doch nicht so geil.”
Linus: Ne, das war immer geiler als gedacht!
Lena: Betterovs Musik haben wir vorher schon viel gehört. Dann mit ihm auf Tour zu sein und ihn und seine Band kennenzulernen – die waren alle super lieb und das war total surreal. Vorher hatten wir nur das Bild vom Künstler Betterov und haben dann die Person dahinter kennengelernt. Was Negatives fällt mir auch nicht ein.
picky Hannah: Ihr seid auch bei der OK KID-Tour im April dabei – es geht also gerade live bei euch ganz schön bei euch. Habt ihr davor schon viel Live-Erfahrung sammeln können?
Lena: Wir haben auf jeden Fall zwei Sommer, bevor das mit dem Duo-Projekt losging, viel mit Band in der Region gespielt. Da konnten wir schon viel Erfahrung sammeln. Es war aber nochmal ein neues Gefühl, nur als Duo aufzutreten, zum Beispiel bei LOTTE. Mittlerweile sind wir da aber denke ich auch gut eingespielt.
picky Hannah: Was habt ihr denn dann von euren Support-Slots an Erfahrung oder größtes Learning mitgenommen?
Linus: Ähm, schlafen. Schlaf ist nicht zu unterschätzen. (lacht) Und es war unser erster Einblick in strukturiertes Touren, das war natürlich wild. Allein schon der Ablauf eines Tour-Tages war neu für uns. Wir haben auch gesehen, wie viel hinter so einem Konzert eigentlich steckt und wie viele Leute daran beteiligt sind. Die ganze Logistik konnten wir gut mitnehmen. Ein weiteres großes Learning: Man sitzt auch viel rum. Das wussten wir vorher nicht und damit muss man irgendwie klarkommen. Sonst haben wir eigentlich durchweg positive Erfahrungen mit dem Support Spielen gemacht, obwohl es natürlich für einen Support immer ein bisschen schwierig ist, die Leute zu überzeugen.
Lena: Ich hätte auch gesagt, dass wir vor allem viel über den Ablauf gelernt haben. Und dass eben lang nichts passiert, den ganzen Tag über, dann ist eine Stunde Action und dann passiert wieder nichts.
picky Hannah: Das stelle ich mir auch emotional stressig vor, was du gerade beschrieben hast. Der Kontrast dieser richtig intensiven Stunde und auf einmal ist alles wieder weg. Ihr habt ja schon anklingen lassen, dass unter anderem das Touren mit Betterov krass für euch war. Welchen Traum wollt ihr euch karrieremäßig in nächster Zeit gerne noch erfüllen?
Lena: Was gerade greifbar wird, ist unsere eigene kleine Tour. Die wird im Herbst sein. Das ist einfach krass und wir sind total dankbar, dass unser Booking da schon so am Start ist. Das wird eine krasse Erfahrung und auch nochmal ganz anders, als Support zu spielen.
Linus: Auf der einen Seite ist das super greifbar, weil alle Termine stehen. Aber auf der anderen Seite ist das super surreal. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Leute Tickets dafür kaufen. (lacht) Da freue ich mich auch ganz, ganz arg drauf.
picky Hannah: Ich habe mir ja schon sowas gedacht. Keine Angst, ich werde mir auf jeden Fall ein Ticket kaufen, eine Person wird da sein. (lacht) Zum Ende hin würde ich gerne noch etwas konkreter auf eure vor Kurzem erschienene EP eingehen. Darauf gibt es einen Song namens “Irgendwie auch schön” – Was findet ihr “schon scheiße, aber irgendwie auch schön”?
Linus: In ganz Deutschland verstreute Freunde zu haben. Das ist schon scheiße, aber irgendwie auch schön. Jetzt, nach dem Studium, machen alle Leute ihren Master irgendwo anders. Oder unser Drummer, der in Osnabrück studiert. Meine Freund*innen sind in ganz Deutschland verteilt, was erstmal schön ist, weil ich überall eine Anlaufstelle habe. Aber es ist auch scheiße, weil die nicht hier sind.
Lena: Das ist eine gute Antwort! Mir ist nur eingefallen, dass ich feiern gehen scheiße, aber irgendwie auch schön finde. Da muss ich schon in der richtigen Mood sein, um im Club zu sein. Es gibt ein kleines Zeitfenster, da habe ich Spaß daran und dann ist es auch wieder gut. (lacht)
picky Hannah: Fair, da ist dann manchmal auch der Tag danach ein bisschen scheiße.
Lena und Linus: Der ist aber dann nur scheiße. (lachen)
picky Hannah: Der ist vielleicht irgendwie auch schön, weil man sich im besten Fall daran zurückerinnert, was man für einen schönen Abend hatte – im besten Fall. (lacht) Eure EP heißt “Fühlst du dich allein?” und dieses Gefühl zieht sich auch als Motiv durch die Songs – Was hilft euch, wenn ihr euch allein fühlt?
Linus: Ich muss da ganz konkret an einen guten Kumpel von mir denken, Nico. Wir wohnen in einer Straße und er kommt ganz oft zu mir. Ich wohne im Erdgeschoss und im Hof kann man am Fenster klopfen und das macht er dann immer. Diese Situation gab es jetzt schon ein paar Mal, wo ich in meinem allein Sein versumpft bin und es dann an meinem Fenster geklopft hat und Nico da stand. Dann haben wir einen Kaffee getrunken oder sind in eine Bar gegangen. Deswegen würde ich bei mir sagen: Freunde, die sich um mich scheren.
Lena: Ja, das ist echt schön. Und mit der Mama telefonieren, würde ich sagen, hilft uns beiden auch gut. Manchmal muss man es aber auch mal zulassen, dass man sich einen Moment einsam fühlt, sich ausheulen und dann geht es weiter. Manchmal braucht man aber auch Ablenkung von anderen.
picky Hannah: Klar, das ist total situativ, da bin ich voll bei dir. Das ist dann manchmal “schon scheiße, aber irgendwie auch schön” – wenn man heulend alleine daheim sitzt und danach ist es aber besser. Mir ist auch aufgefallen, dass es auf eurer EP keine Features gibt, hat das einen Grund?
Lena: Als wir die EP aufgenommen haben, kannte uns auch noch niemand – die Songs liegen schon lange rum. Außerdem wollten wir erst einmal finden, wer wir sind und das auch heruntergebrochen zeigen.
„Wir haben dann auch gesagt: Das Trettmann-Feature, das packen wir nicht auf die erste Platte.“ (lacht)
Linus von Lena&Linus
picky Hannah: Klar, das muss man in der Hinterhand behalten. (alle lachen) Aber wäre Trettmann dann auch eines eurer Traum-Features oder wer gehört da dazu?
Linus: Klar, das wäre natürlich richtig geil, aber ich glaube, Trettmann kennt uns gar nicht.
picky Hannah: You never know! Man dachte auch, dass Trettmann Levin Liam nicht kennt und jetzt haben die beiden einen Song zusammen. Vielleicht kommt da ja noch was.
Linus: Ja, das wäre schön – Tretti, call us!
picky Hannah: Habt ihr irgendeinen Traum-Featuregast, der euch spontan einfällt?
Lena: Ich hätte Bock auf ein Makko-Feature.
Linus: Ja, oder – wo wir gerade dabei sind – Levin Liam wäre natürlich auch krass. Und natürlich Blumengarten!
picky Hannah: Solide Choices! Alles krasse Menschen und Musiker*innen. Eine allerletzte Frage habe ich noch an euch, weil die Leute hinter den Kulissen ja leider oft unter den Tisch fallen – Wem möchtet ihr gerne danken?
Lena: Da würden wir gerne Katharina, unserer Managerin, danken. Das war Liebe auf den ersten Blick und ohne sie wäre das alles auf jeden Fall nicht möglich.
Linus: Ja. Und auch einen großen Dank an unsere Band – unseren Drummer und unseren Gitarristen – die mit uns diese Platte aufgenommen haben. Die bekommen zwar genug Liebe von uns, aber trotzdem einen ganz, ganz großen Dank an die Band, die das musikalisch so stilvoll umgesetzt hat. Kurz und knackig.
picky Hannah: Wie schön. Was ich immer am Ende noch gerne mache, ist die Frage zu stellen, ob ihr noch irgendetwas auf dem Herzen habt oder noch etwas unbedingt loswerden wollt, das ihr nicht gefragt wurdet.
Lena: Ich hätte nichts, hast du noch was?
Linus: Ja, vielleicht. Wir haben letzte Woche eine zweite EP fertiggestellt. Die wird nochmal super schön, da kann man sich darauf freuen. Die macht nochmal eine ganz andere Sound- und Themenwelt auf. Da kommt also demnächst vielleicht schon die ein oder andere Single.
picky Hannah: Das ist perfekt, Cliffhanger zum Ende sind immer gut. (alle lachen) Danke euch beiden für das schöne Gespräch!
Lena und Linus haben mit ihrer „Fühlst du dich allein?“-EP nicht nur die unterschiedlichsten Facetten der Einsamkeit eingefangen – und das auf eine schonungslos ehrliche Art und Weise. Sie schaffen es mit ihren reduzierten Instrumentals und glasklarem, zweistimmigen Gesang außerdem, den Soundtrack für Trennung und Herzschmerz zu schreiben. Und wenn die beiden die letzten Tränen aus uns heraufbeschwören und unsere Hand beim Ausheulen auf dem Nachhauseweg halten, stellt sich eigentlich nur noch die Frage: „Ob es Timothée genauso geht, wenn er sich nach den Oscars schlafen legt?“
Genau diesen Herzschmerz-Soundtrack kannst du dir hier anhören:
One thought on “„Fühlst du dich allein?“ – Lena&Linus über Einsamkeit, den Songwriting-Prozess und Trettmann-Features”
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