Ein zufriedenes Lächeln: Leoniden über ihr Live-Comeback, Reisgläser als Shaker und ihre neue Single „Smile“

Leoniden (Foto: Niren Mahajan)

Lennart und Jakob von den Leoniden lassen im Interview mit picky Sofia ihre ersten Club-Shows seit 2019 Revue passieren und geben Einblicke in die Entstehung ihrer neuen Single Smile. Ein Gespräch über Pandemie-Konzerte als Zäsur, die Essenz von Leoniden, das bandeigene Studio und Träume als Käfig.

picky Sofia: Im August ist euer Album rausgekommen. Nehmt uns mal mit, was ist seitdem bei euch so passiert?

Lennart: Seitdem ging vor allem ab, dass wir die Tour zum Album noch zwei Mal verschieben mussten. Es gab aber einen Turn ins Happy End: Weil wir endlich nach 2 Jahren Pause, die sein musste, wieder auf Tour gehen konnten. Wir kommen gerade von den ersten richtigen Clubkonzerten, die wir seit 2019 gespielt haben, wieder.

Jakob: Es ist jetzt auch ein bisschen so, als wär jetzt einfach September. Die Zeit dazwischen war sehr nichtig, irgendwie.

picky Sofia: Als klar war, dass Clubkonzerte wieder möglich sein werden, habt ihr spontan eine Show im Molotow angekündigt und gespielt. Was verbindet ihr mit diesem Ort, dass ihr ihn für euer Live-Comeback ausgewählt habt?

Jakob: Das Molotow und Leoniden gehören total zusammen. Ich glaube tatsächlich, selbst bevor wir Leoniden waren, gehörten wir schon ins Molotow. Das war immer so der wichtigste Club, wo die ganzen Indie-, Alternative- und Emo-Bands vorbeigekommen sind. Das war auf jeden Fall total der wichtige Ort, um die ganze Musikkultur, die ich sonst nur übers Internet kommunizieren konnte, direkt vor der Nase zu haben. Leoniden kennen alle Bühnen, die das Molotow jemals hatte. Wir haben auf jeder Bühne im alten und neuen Molotow schon mal gespielt. Wir sind mit den Leuten sehr eng befreundet und es war einfach klar, dass sobald man spielen kann, wir unsere Sachen packen und ins Molotow fahren!

Lennart: Unabhängig davon, was der Club uns bedeutet, ist es bestimmt einer der wichtigsten Indie-Clubs in Deutschland.

Jakob: Wenn nicht sogar der Wichtigste…

Lennart: Seit Jahrzehnten haben die immer ganz früh richtig gute Bands da. Wie Jakob schon meinte, sind das Freunde von uns, die den Laden schmeißen. Es war so eine Hals-Über-Kopf-Sache. Wenn man in der Zeitung liest, dass in drei Wochen möglicherweise die Maßnahmen fallen, muss man auch erstmal Leute haben, die dann Zeit und Bock haben so spontan ein neues Konzert aufzusetzen, dass nicht schon seit zwei Jahren geplant ist. Und für sowas ist man am Molotow immer an der richtigen Adresse.

Jakob: Absolut, ja!

picky Sofia: Zwei Wochen nach der Molotow-Show seid ihr ja auf Tour gegangen, wie ihr schon angerissen habt. Wie fällt euer Fazit aus? Was sagt eure Gefühlslage gerade?

Jakob: Ich will das ganz ehrlich eröffnen: Das Molotow-Konzert zu spielen war halt super cool, aber irgendwie auch nicht richtig greifbar für mich. Das erste Tour-Konzert in Bern zu spielen war fast das gleiche… Und dann ab dem zweiten oder dritten Tour-Tag, da kam das erste Mal so richtig intensiv dieses Gefühl von 2019 wieder auf; diese absolute Überzeugung, dass das genau das ist, was ich mit meinem Leben zu einhundert Prozent machen will. Spaß gemacht haben mir alle Konzerte, aber in meinem Kopf war es anfangs wirklich transzendent (lacht). Ich war richtig so: Fuck, ey… Und die Leute sind immer noch so wahnsinnig involviert in unsere Konzerte! Das kann man sich nicht einreden, während man keine Konzerte spielt. So doll man das tut, so doll wie wir uns immer sagen: “Boah, weißt du noch, wie geil Konzerte sind? Konzerte sind das Geilste!”, Konzerte sind IM Konzert das Geilste, was es für uns gibt.

Lennart: Wir haben es voll verdrängt, was es eigentlich bedeutet, so ein Live-Konzert zu spielen. Es war verrückt, das dann wieder zu erleben und sich auch daran zu erinnern, wie selbstverständlich das einmal war. Konzerte spielen war für uns etwas sehr routiniertes, wodurch es so eine schöne Selbstverständlichkeit bekommen hat. Es ist schön, dass man das wieder fühlen kann, dass einen das nochmal so aus den Latschen hauen kann.

picky Sofia: Warum verdrängt? Aus Selbstschutz?

Lennart: Jein, ich glaube…

Jakob: …Würd ich schon sagen.

Lennart: Ja?

Jakob: Ja. Ich glaube auch, dass man’s verdrängen musste während der Picknickkonzerte, um sich die guten Gefühle, die das dann doch gemacht hat, zu erhalten. Aber so schnell würden wir die nicht wieder spielen.

Lennart: Wenn es dieses Jahr wieder so weitergehen würde, dass man keine Konzerte ohne die ganzen Corona-Maßnahmen spielen kann und es stattdessen wieder Sitz-Konzerte gibt…

Jakob: …Dann müsst ihr auf uns warten (lacht).

Lennart: Man hat sich bei diesen Corona-Konzerten schon einfach gefragt, ob man die Konzerte damals vor der Pandemie total idealisiert hat, oder ob das wirklich was anderes ist.

Jakob: (*fuchtelt energisch mit seinem Zeigefinger rum*) Genau das ist es nämlich! Genau das ist es! Diese Einsicht kam dann irgendwann ab dem zweiten Tour-Konzert, dass man gedacht hat: Neiiiin, Club-Konzerte haben wir nicht idealisiert…

Lennart: Wir haben das einfach nicht mehr erlebt. 

Jakob: Exakt. 

Lennart: Da waren die Pandemie-Konzerte richtig eine Zäsur gegen. Wenn man dann wieder merkt, was eigentlich ein echtes Konzert ist.

„A silent smile to praise the imperfection, I was blinded while I chased after the sun.“

Leoniden – Smile

picky Sofia: Kommen wir zu eurer neuen Single “Smile”. Ihr habt den Song bei euch im Proberaum in DIY-Manier aufgenommen. Fühlt sich das wie ein Schritt zurück in alte Zeiten an?

Jakob: Ne. Unser Proberaum ist schon immer mehr zu einem Studio gewachsen, sodass auch Vorproduktionen immer besser wurden und wir mit 120 Spuren in Studios gekommen sind und so waren: Hey, die müssen jetzt nur noch gut klingen. Wir haben festgestellt, dass man Studio, Engineer, Kumpel und Produzent auch hierher holen kann und direkt schon beim Schreiben aufnehmen kann. Die Qualität der Aufnahmen, würde ich sagen, ist mindestens genauso hoch. Bei “Smile” denkt keiner von uns an eine ältere Version des Songs. Der Song ist entstanden und fertig. Es gibt jetzt einfach keine Demos mehr.

Das Cover zur aktuellen Single „Smile“ der Leoniden

Lennart: Es ist vor allem so, dass wir bisschen was verändern und den Prozess, wie wir jetzt schon drei Alben geschrieben haben, erneuern wollten. Ich glaube, das ist eine gesunde Weiterentwicklung. Man wäre schön blöd zu sagen, dass das jetzt drei mal so funktioniert hat und wir das deswegen immer so weiter machen. Wir haben gemerkt, dass wir Bock auf einen noch intensiveren Prozess haben. Nicht auf einen, der so drei Wochen gebündelt ist und dann ist er wieder zu Ende. Jetzt hört es nicht mehr auf. 

picky Sofia: Welche Vorteile zieht ihr für euch daraus, bei euch aufnehmen zu können?

Jakob: Es wird dadurch tatsächlich auch ein bisschen romantischer, weil man wirklich sagt: “Ey, komm, ich hol’ das Glas Reis von oben und wir benutzen es als Shaker”. Und auf einmal klingt es ganz besonders und das ist dann auch die finale Spur. Es ist viel organischer, viel echter. Ich hab das Gefühl, bei den Songs, die wir jetzt schreiben, wird noch eine Schicht oben abgenommen und man kann noch direkter reingucken als Zuhörer*in.

Lennart: Wenn man das erste Mal irgendwas aufnehmen geht, dann fühlt man sich voll groß und wichtig, wenn man in ein Studio kommt, wo richtig cooles Zeug rumsteht. Wenn man das erstmal ein paar Male gemacht hat, merkt man, dass der nächste Schritt ist, dass du dir dein Studio Zuhause aufbaust und nicht mehr in die Studios gehen musst. Du kannst dann 24/7 arbeiten. Ohne Zeitdruck, in deinem eigenen Rhythmus. Du musst dafür keine Tagesmieten zahlen oder dich mit anderen Leuten im Kalender abstimmen. Das ist eigentlich der größte Traum, den wir mit Blick auf das Musik-Produzieren hatten. Es ist halt richtig krass, dass der über die letzten Jahre wahr geworden ist. Wir nennen es natürlich weiterhin Proberaum, aber es ist mittlerweile ein absolut konkurrenzfähiges Studio. Wir können hier machen was wir wollen. Das ist das Ergebnis von jahrelangem Geldsparen, Suchen auf eBay-Kleinanzeigen, selber bauen, optimieren, machen und ausprobieren.

 

Jakob: Ist natürlich auch spannend, ob du meinst einen Unterschied zu hören?

picky Sofia: Ne, absolut nicht.

Jakob: Nice! (lacht)

picky Sofia: Als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, meintest du, Jakob, zu mir, dass ihr beim Versuch den Kern von Leoniden zu treffen mit dem letzten Album wesentlich näher rangekommen seid. Wo lässt sich jetzt “Smile” verorten, wenn man dieses Bild weiterdenkt?

Jakob: Ich glaube, wir schaffen gerade den größten Sprung an unsere Essenz heran. Wir haben aktuell einfach sehr viel Zeit uns zu finden, wie wir sind, obwohl wir gar nicht richtig auf der Suche sind.

Lennart: Wir wollen uns weiterentwickeln und nicht auf der Stelle stehenbleiben. Das ist natürlich schwierig, weil wir gewisse Sachen auch gerne machen. Wir wollen uns darin aber nicht wiederholen. Das beste was man da machen kann ist, glaube ich, auszuprobieren und sich mit viel Zeit an Sachen ran zu wagen, an die man sich bisher nicht ran gewagt hat. Wir haben hier für uns ein Labor, in dem wir ganz viel experimentieren können. 

picky Sofia: In “Smile” benutzt ihr in der ersten Strophe das Bild eines Hauses, das man baut, bei dem man aber die Türen vergisst und nicht mehr raus kommt. Können Träume auch ein Käfig sein?

Jakob: Man muss sich schon mal hinsetzen und schauen, was man in dem Wahn, in dem man sich befindet, so tut. 

Lennart: Wenn man so getrieben ist, dann guckt man gar nicht was man hat und will es immer nur höher, besser, schneller, bunter. Es ist eigentlich eine totale Kunst zu gucken, ob man nicht eigentlich schon da ist, wo man sein will und ob man das nicht genießen sollte.

Jakob: Wenn man ein Haus ohne Türen gebaut hat, dann weiß man eigentlich, wie man das schnell optimieren kann, bevor man das dritte und vierte Stockwerk draufsetzt. 

picky Sofia: Der Song klingt in meinen Ohren erstaunlich selbstsicher und reflektiert. In früheren Songs habt ihr oft die Suche nach Identität und dem Platz in der Welt thematisiert. Habt ihr Frieden mit eurem Dasein geschlossen, seid ihr gefestigter?

Jakob: Ich ehrlich gesagt voll. Muss ich wirklich ganz direkt mit ja antworten. Ich besinne mich jetzt friedlich darauf was ich immer war und bin. Du auch! (schaut rüber zu Lennart) (lacht)

Lennart: Ich find’s schwer zu sagen. Gerade wenn man denkt, man ist gefestigt oder so, ist das eine trügerische Sicherheit. Ich glaube, dass man auch den Zustand in dem wir jetzt sind immer hinterfragen und weiterentwickeln wird. Es gibt immer eine Suche danach, wie es weitergeht. Die Suche ist nur nicht mehr so schrill, nicht mehr so impulsiv. Wenn man meint gefestigt zu sein, dann würde ich das eher so definieren, dass man akzeptiert, dass es immer eine Suche gibt und einen guten Umgang damit hat, ohne dass man alles was man schon gemacht hat in Frage stellt. 

Jakob: Das würde ich tatsächlich auch gar nicht verneinen. Ich glaube, wir finden zusammen, indem ich sage, dass ich nicht mehr in so einer Unsicherheit bin, aus der ich sowas sagen würde wie: “Ich will jemand anderes sein!” Das habe ich total abgehakt. 

picky Sofia: Abschließende Frage: Ist das Lächeln in “Smile” ausschließlich ein “silent Smile”?

Jakob: “Silent” im Sinne von null Dezibel würde ich nicht sagen. Es ist ein Smile, das vor allem einen selbst erreicht. 

Lennart: Ein zufriedenes, in sich gekehrtes Lächeln an sich selbst.

Smile ist ab sofort auf der Streamingplattform deines Vertrauens hörbar.

Zum Beispiel hier:

 

Leoniden live 2022

02.06. – Kiel – Pumpe
03.06. – Münster – Sputnikhalle
11.08. – Leipzig – Felsenkeller
19.08. – Osnabrück – Hyde Park
23.08. – Salzburg – Rock House
24.08. – München – Muffathalle
25.08. – Wiesbaden – Schlachthof
26.08. – Köln – Palladium
27.08. – Bremen – Pier 2
05.09. – Stuttgart – Wagenhallen
08.09. – Berlin – Columbiahalle
12.11. – Hamburg – Sporthalle

Hier kannst du die Titelstory zum Album nachlesen