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Ein Abend mit Zimmer 90 – Wenn TikTok Hits den digitalen Raum verlassen

Zimmer90 in München 2025

Zimmer90 auf der Far From Home Tour 2025 in der Muffathalle München. (Foto: Elena Dersch)

Mehr Klicks, mehr Follower, mehr Fans? Wer auf TikTok einen viralen Hit landet, kann erst mal durchatmen – die Maschinerie läuft. Aber was bedeutet das für Livekonzerte? Ändern sich Publikum, Stimmung und Erwartungshaltung? Ein Abend mit Zimmer90.

Ein Abend mit Zimmer90 – und die Frage: Wie verändert TikTok die Konzertkultur? Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf den aktuellen Musikmarkt. Monatlich werden Spotify, Apple Music und Co. mit über 100.000 Veröffentlichungen von Künstler*innen rund um die Welt geflutet. Um da noch irgendwie stattzufinden, bedienen sich Musiker*innen natürlich auch den neuen technischen Möglichkeiten – besonders auf Instagram und TikTok. Eine der ersten Künstlerinnen, die mit einem kurzen Snippet auf TikTok nicht nur durch die Szene, sondern ganz Deutschland, geschossen ist, war Nina Chuba mit ihrem Hit Wildberry Lillet. Fast kometenhaft ist die junge Künstlerin aufgestiegen. Dass diese Marketing-Strategie längst von anderen Artists übernommen wurde, überrascht daher kaum.

Doch nicht alle viralen Hits führen auch automatisch zu dauerhafter Bekanntheit. Während viele Acts in Schüben viral gehen, konnten nur wenige Nina Chubas Erfolg wiederholen. Eine Band, die es dennoch geschafft hat, sich auf Social Media eine treue Fanbase aufzubauen, ist Zimmer90. Die Musiker Finn und Josha aus Stuttgart haben in 2023 mit ihrem Song What Love Is den Soundtrack für den Sommer erschaffen und begeisterten durch die sozialen Medien Menschen auf der ganzen Welt. An sich ja erst mal gut, als Band will man natürlich, dass die Musik von vielen Menschen gehört und gefeiert wird. Ob und wie die Band sich verändert hat, lässt sich von dem Besuch auf einem Konzert natürlich schwer sagen. Auch das Publikum und die Erwartungen kann man nicht einschätzen und pauschalisieren. Doch was bedeutet das konkret für Live-Konzerte? Ist der Erfolg von Zimmer90 nur ein Social-Media-Phänomen, oder steckt mehr dahinter?

Aufstieg um jeden Preis? 

Verändert ein viraler Hit die Erfahrung von Live Musik bei Konzerten oder Festivals? Ist das Publikum nur hyped für den einen Song oder während des ganzen Konzerts? Für Zimmer90 lässt sich auf jeden Fall sagen, dass die Band es schafft, das Publikum von Anfang an mitzureißen. Die Fans sind von Sekunde eins begeistert und schwingen bei der Musik von Finn und Josha, dem Kern der Band, mit. Es ist also nicht so, dass der Vibe träge ist und nur bei bekannteren Songs peakt – bei einem Zimmer90 Konzert ist man von Anfang bis Ende wie in Trance. Die Energie bleibt konstant, anders als bei manchen Konzerten, wo nur die großen Hits gefeiert werden. Aber wie sieht es mit dem Publikum aus? Kommen die Fans wegen der Band oder nur wegen eines viralen Songs?

Gerade jüngeren Fans könnten oft nur wegen bestimmten Songs kommen, wodurch Momente entstehen können, bei denen bei bekannten Hits laut mitgesungen wird, während bei weniger bekannten die Stimmung abfällt. Die ein oder anderen “One Song”-Fans sind bestimmt auch im Publikum dabei, aber insgesamt ist die Stimmung durchgehend gut – nicht abwartend auf einen bestimmten Track. Diese durchgehende Euphorie liegt nicht nur an den Fans – sie liegt auch an der Band selbst.

Große Dankbarkeit auf der Bühne

Die Band spielt jetzt zwar größere Hallen und sogar eine lange internationale Tour, aber auf der Bühne wirken die Musiker dennoch nett und vor allem dankbar. Finn und Josha schaffen es, ihr Gefühl von Dankbarkeit so ins Publikum zu transportieren, dass es ehrlich und aufrichtig klingt. So bekommen die Fans zu spüren, dass es für die Band auch nicht selbstverständlich ist, in so kurzer Zeit so große Erfolge feiern zu können. Trotz des schnellen Erfolgs wirken Finn und Josha auf der Bühne authentisch und dankbar. Das Publikum spürt, dass der Erfolg für sie nicht selbstverständlich ist – ein Gefühl, das sich durch das gesamte Konzert zieht. Zimmer90 schaffen es, für zwei Stunden eine verträumte, sorglose Atmosphäre zu schaffen, in der man sich einfach von ihrer Mischung aus Disco, Indie, Alternative und Pop treiben lassen kann.

Zimmer90 in München 2025.

Zimmer90 in der Muffathalle in München 2025. (Bild: Elena Dersch)

Doch was passiert, wenn der Hype nachlässt? Zimmer90 haben bewiesen, dass sie mehr als nur ein viraler Act sind. Aber nicht alle Künstler*innen haben dieses Glück oder Talent. Finn und Josha haben es auf jeden Fall geschafft, mit ihrem viralen Song Fans dauerhaft für eine neue Klangwelt zu begeistern. Es bleibt aber dennoch zu sagen: Wenn Newcomer*innen schneller aufsteigen und zu größerer Bekanntheit kommen, führt das oft dazu, dass kleinere Acts größere Hallen buchen und auf Festivals spielen können. Und das ist natürlich an sich in erster Linie gut, führt aber auch zu schwankenden Ticketpreisen und dazu, dass Shows eventuell wieder verlegt oder abgesagt werden, wenn der Hype nachlässt. Zimmer90 haben es geschafft, trotz großer Erfolge bodenständig zu bleiben – also genau das, was sie von Beginn ihrer Karriere ausmacht.

Will We Stay The Same?

Was mittlerweile Standard auf Konzerten ist, bleibt auch bei Zimmer90 nicht aus. Die Leute im Publikum filmen mit, aber nicht nur bei What Love is, sondern auch bei älteren Songs, durch die die Band per se nicht so bekannt geworden ist. Was jetzt vielleicht negativ klingt, ist aber positiv gemeint. Natürlich filmen die Leute bei dem Konzert mit – aber das ist ja auch irgendwie klar. Man würde lügen, wenn man behaupten würde, dass man nicht auch mal das Handy zum filmen zückt. Was für Zimmer90 eine gute Nachricht sein dürfte, ist ja, dass die Fans bei allen möglichen Songs filmen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Band eine feste Fanbase hat, die eben nicht nur für den einen viralen Song auf ein Konzert geht. 

Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass TikTok die Konzertkultur dennoch auf jeden Fall verändert hat. Newcomer*innen können schneller größere Shows spielen und neue Fans erreichen. Wie gesagt, ist das aber auch mit Risiken verbunden, die man vielleicht bei organisch wachsenden Künstler*innen so eher selten hat. Die Dynamik im Publikum hängt aber wie bei allen Konzerten sowohl von den Artists wie auch den Fans ab. Wenn die Musiker*innen die Stimmung nicht transportieren können, kommt sie im Publikum nicht an. Genauso spüren Bands und Solo-Künstler*innen aber auch, wenn die Zuhörer*innen nur für die drei viralen TikTok-Minuten da sind. Am Ende zeigt sich also: Die Dynamik bei Live-Konzerten ist nicht nur eine Frage von TikTok-Hits, sondern hängt von vielen Faktoren ab – von der Band, den Fans und der Live-Performance. Doch eines ist sicher: Konzerte sind längst nicht mehr nur analoge Erlebnisse.

Nicht abstreiten lässt sich aber, dass Konzerte einfach auch immer mehr zu einem digitalen Erlebnis werden. War man überhaupt auf dem Konzert, wenn es keine Insta-Story gibt? Die Antwort ist natürlich ja. Aber ein paar Konzertaufnahmen für das eigene digitale Tagebuch zu sammeln ist am Ende des Tages ja auch nicht verwerflich – solange der Moment im Fokus bleibt.

Zimmer90 sind noch bis zum 28. Mai auf ihrer Far From Home Tour.

Zimmer90 auf Spotify anhören.

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