doppelfinger zieht dich auf „by design“ in seinen Bann

doppelfinger (Foto: Sophie Löw)

Für mich war Musik schon immer Eskapismus. Als ich zum ersten Mal den Song „how to hide“ aus dem Debütalbum „by design“ des österreichischen Newcomer doppelfinger zu Gehör bekam, hatte dieser genau aus diesem Grund mein Herz, das seitdem viel für seinen Indie-Folk übrighat, für sich erobert. Warum doppelfinger mit seinem Debüt den perfekten Ort zum Fallenlassen erschaffen hat, liest du hier.

doppelfinger heißt im echten Leben Clemens Bäres und kommt aus Österreich. Sein Indie-Folk kann als Pendant zur Rasanz unseres Zeitgeistes, der sich auch in der Popmusik widerspiegelt, verstanden werden. Wer die ersten Töne seines Debütalbums „by design zu Gehör bekommt, merkt schnell, dass diese Platte Zeit braucht, um gehört zu werden. Oder besser gesagt: Sie verlangt danach, sich Zeit für sie zu nehmen.

Der Newcomer setzt alles daran, dass einem keine einzige Sekunde daran verschwendet vorkommt. Die Kompositionen auf dem Album sind minimalistisch und dennoch detailverliebt, die Texte geradsinnig und verletzlich. Der Titel des Albums „by design“ ist vor diesem Hintergrund klug gewählt.

Versteckspiel: „how to hide“ als Herzstück des Debüts

Über eine Zeile bin ich beim mehrfachen Hören des Albums besonders gestolpert. Cause I feel bad about every line I write“ beklagt doppelfinger im Closer „how to hide”. Ich würde doppelfinger gerne das Gegenteil einreden. Denn: Seine Zeilen wirken ein bisschen wie ein frisches Pflaster auf einer Schürfwunde. Beim Wechseln zieht’s und tut bisschen weh, aber danach fühlt es sich viel besser an als vorher. Trotz der Abgründe, die doppelfingers Songwriting offenbart, gibt es nämlich immer wieder Lichtblicke, die das Erleben des Albums umso spannender werden lassen.

Nach den letzten Klängen von „how to hide“, die das Album rühmlich abschließen, lässt einen ein diffuses Gefühl zwischen Hoffnung und Zweifeln zurück. Clemens hat keine direkte Antwort darauf, wie man sich am besten vor seinen eigenen Gefühlen versteckt – auch wenn der Songtitel dies zunächst vermuten ließe. Und auch, wenn doppelfinger im Song beteuert gelernt zu haben sich zu verstecken, ist die bahnbrechende Erkenntnis, denke ich, eine andere: Nämlich der Entschluss, sich an diesem Versteckspiel nicht weiter beteiligen zu wollen.

Fazit

Das Album spannt die Tücher, bevor man in die von doppelfinger offenbarten Abgründe stürzen könnte, auf. Man kann sich darauf verlassen, von ihnen aufgefangen zu werden. Zumindest gibt einem Clemens vertraute Stimme dieses Gefühl. „by design“ ist Abgrund und Zufluchtsort zugleich. Ein Ort, an dem man sich selbst reflektieren kann und darf, entgegen dem Trubel, der einen sonst umgibt. Ein Ort zum Fallenlassen, zum Denken und Fühlen. doppelfinger lässt uns Teilhaben an seinen dunklen Seiten. Er muss die Isolation, Leere und Trauer nicht mehr allein stemmen. Zuhörer*innen dürfen die bittersüße Melancholie, die dieses Album durchtrieft, kosten.