Die Verlierer aus Berlin (Foto: Wolfgang Amadeo)
Picky Johannes nominierte Die Verlierer in unserem ausführlichen Jahresrückblick 2022 mit ihrer Single „Mann im Mond“ für die Kategorie Lieblingssongs. Wie sich die Mischung aus Krautrock, Punk und NDW à la Fehlfarben live macht, hat er vergangenes Wochenende im SO36 für euch ausgecheckt. Den Konzertbericht dazu lest ihr hier.
Ein Mensch großes Ei mit Kiss-Gedächtnis-Schminke betritt die Bühne. EGG-IDIOT aus Leipzig
schreit das sich langsam mehrende Publikum im Saal an, das Konzert im SO36 ist ausverkauft. Die Instrumentals inklusive abgehackter Gitarren-Riffs spielt er über seinen Laptop ab. Begonnen hatte die Band B!Schissn aus Halle, als Hauptact spielen Die Verlierer. Das Berliner Quintett setzt sich aus Mitgliedern anderer Bands zusammen. Im SO36 wird bisher aber niemand von ihnen gespielt haben, wenn man ihren teils ungläubigen Gesichtern während des Konzerts glauben schenken mag.
Einer der Sänger, Hannes Berwing, zündet sich erstmal eine Kippe an, bevor die Band von vorne bis hinten ihr im März erschienenes s/t Debütalbum runterspielt. Die Songs mit den destruktiven Texten wie: „es wird noch schlimmer / nichts funktioniert“, die musikalisch irgendwo zwischen Punk, Neue Deutsche Welle und Krautrock ummantelt werden, entfalten sich durch die Bühnenpräsenz der Bandmitglieder und deren Live-Instrumentalisierung und reißen die Menge dabei so sehr mit, dass „Nichts funktioniert“ am Ende nach den beiden neuen Songs, die als Zugabe gespielt wurden, noch ein zweites Mal hingerotzt wird.
„Politik ist für die Galerie“
Die Verlierer – Nichts funktioniert
Die Verlierer haben wenig dafür übrig, welche Entwicklung von statten geht, sei es musikalisch, gesellschaftlich oder politisch (siehe Zitat). Dabei geht es auch nicht darum, eine goldene Alternative aufzuzeigen oder konstruktive Kritik zu üben und sollte es auch gar nicht. Vielmehr geht es in erster Linie um die Formulierung, das nach außen tragen der Erkenntnis über den jetzigen Zustand und seiner Perversion („Plastic Life / livin‘ a lie“) und eben jenen Inferno-ähnlichen Zustand mit jeder Faser des Körpers abzulehnen. Das schaffen Die Verlierer wie kaum eine andere Band aktuell. Dabei behalten sie auch noch ihre Selbstironie und man darf hoffen, dass da noch mehr kommen mag.
Ohne dabei in ein plumpes „früher war alles besser“ zu verfallen bedienen sich die fünf sowohl musikalisch als auch einem Habitus der späten 70er Jahre, den es so nicht mehr gibt, auch nicht im SO36. Der Kapitalismus hat selbstverständlich auch den einst legendären Punk-Laden vereinnahmt. Deswegen sind wir vielleicht alle Verlierer.