So war das Rocken am Brocken Festival 2022

Rocken am Brocken Festival 2022 (Foto: Diana Hellmann)

Nach nun doch fast zwei Jahren Pause mag diesen Sommer die Festivalsaison gar kein Ende nehmen. Auch wir haben uns keine Gelegenheit nehmen lassen, in Gummistiefeln über die Tanzflächen zu rauschen und mit Glitzer im Gesicht den großen Bühnen entgegen zu strahlen. Ich hatte das große Vergnügen dieses Jahr das Rocken am Brocken 2022 mitzuerleben und möchte euch die folgenden Zeilen ein wenig von meinen Eindrücken berichten.

Natur.

Das Rocken am Brocken versteht sich als durch und durch grüne Veranstaltung und verspricht ein Festivalerlebnis in Natur. Umringt von Waldlandschaft und Bäumen bietet das Gelände am Rande des Nationalsparks Harz eine einmalige Kulisse. Getanzt und gefeiert wird dort, wo sonst die Kühe grasen. Da ist sich das Festivalteam natürlich seiner ökologischen Verantwortung bewusst. Es gibt Müllpfand für richtig sortierte Müllbeutel, ausgeschilderte Grillplätze um der Brandgefahr vorzubeugen und erstmals sogar nachhaltige Kompostklos.

Musik.

Musikalisch bewegen sich die Acts des Rocken am Brocken irgendwo zwischen Indie und Rock. Nationale wie auch internationale Künstler*innen lassen die 4 liebevoll gestalteten Bühnen zum Beben bringen.

Hier spielt die Musik von Morgen

Die Hexenhütte bietet vor Allem Neuankömmlingen in der Musikbranche eine Bühne. Wer die Zeit auf dem Infield dazu nutzten möchte seinem musikalischen Horizont zu erweitern und die Musik von morgen zu entdecken, der ist bei der Hexenhütte bestens aufgehoben. Hier haben wir den bezaubernden Klängen von Wezn gelauscht, sind mit Baba Blakes zu „On the run“ abgegangen und haben uns für Donna Leona im Kreis gedreht. Die Hexenhütte ist vielleicht nichts für eigenfleischte Mosher, bietet dafür aber sein ganz eigenes Erlebnis mit sehr intimen Auftritten und genug Raum um die eigenen Tanzfähigkeiten auszutesten.

Feiern bis die Sonne aufgeht

Wem die Hexenhütte nicht aufregend genug ist, der versucht sein Glück besser im Zauberwald. Aber gebt aufeinander gut Acht! Der ein oder andere soll hier schon Zeit und Raum vollends vergessen haben. Bereits zum Nachmittag verzaubern DJs aus ganz Deutschland mit ihren elektronischen Klängen und schlagen in ihren Bann. Der Zauberwald ist genau der richtige Ort für all jene, die auch nach den letzten Acts des Tages noch nicht genug haben und auch zu später Stunde die Nacht zum Tag werden lassen wollen.

Ein Highlight jagt das andere

Die beiden Hauptstages des Rocken am Brocken liegen direkt nebeneinander. Auf der Brockenbühne und der Sternwarte wechseln sich die Künstler*innen stündlich bis anderthalbstündlich ab. Als ambitionierter Festivalgänger könnte man also nahezu jeden Auftritt mitnehmen, ohne sich zwischen den größeren Acts entscheiden zu müssen.

Am Donnerstag ging es auch gleich richtig los. Der Berliner Rockband Westhafen gebührte die große Ehre das Rocken am Brocken 2022 einzuläuten. Und der erste Tag brachte bereits mehr Highlights mit sich als Main Act Faber wohl jemals besingen könnte. Da waren Ätna, die nicht nur eine einzigartige und mitreißende Bühnenshow abgeliefert haben. Sängerin Inéz hat im gleichen Zuge die Festivalcrowd eben mal zur kleinen Workout-Session motiviert. Die vierköpfige Band Everything Everything aus den UK haben mit einem ganz eigenen, sehr groovigen Indie Sound überrascht. Und nicht zu vergessen ist natürlich Fabers eigner grandioser Auftritt. Der Schweizer Singer-Songwriter hatte vom ersten angespielten Ton an mich und sicher auch alle anderen Zuschauer unmittelbar in seinen Bann geschlagen.

Hüpferei und Angerempel

Auch Freitag ließ sich das Lineup mehr als nur sehen. Trotzt stark gesunkenen Temperaturen und ersten Katererscheinungen hielt das DJ-Kollektiv Freak de l’afrique die Stimmung hoch und brachten uns mit ihren tanzbaren Afrobeats gehörig ins Schwitzen. Zum Auftritt von Kaffkiez setzten dann auch spätestens die ersten Mosh-Pits wieder ein, sodass die Meute für Paula Hartmann und Nina Chuba wieder richtig gut in Form war. Wer sich nach einer kurzen Pause von der ganzen Hüpferei und dem Angerempel sehnte, der ließ sich von den Jungs von Rikas mit ihrem Good-Vibes-Only-Pop mitreißen und verlor sich für einen Moment im Overthinking.

Natürlich nur, um dann zur Show von Blond nochmal alle Reserven hochzufahren. Die drei Chemnitzer haben sich wie üblich eine ganz besondere Bühnenperfomance überlegt und nicht nur mit ihren wohl einmaligen Outfits, sondern auch mit einer kleinen Vokabelstunde, beeindruckt. Da fehlte nur noch eins, um den Abend zu einen unvergesslichen Festivalabend werden zu lassen. Einmal aus ganzer Kehle gemeinsam mit Sänger Ben Hartman der Berliner Gruppe Milliarden die Freiheit als eine Hure beschimpfen.

Zum Abschied ein Arrivederci

Und schon war es Samstag. Doch bevor man sich der Melancholie des letzten Tages hingibt, empfehle ich tunlichst sich lieber ein Glas Vino Bianco einzuschenken und dann zu springen, wenn Mola es auch tut. Die Mädels von Steiner & Madlaina haben nicht nur ihre sondern auch unsere Stimmen auf die Probe gestellt und ganz nebenbei festgestellt, was ein „vernünftiges“ Festivalpublikum das Rocken am Brocken doch habe. Nun gut, dass die beiden eben jenes Festivalpublikum kurze Zeit später bei Provinz nicht miterlebt haben.

Denn von Vernunft konnte da nun wirklich nicht mehr die Rede sein. Ferner darf ich an dieser Stelle stolz behaupten, Teil des bisher größten Provinz Mosh-Pits gewesen zu sein. Die liebenswerten Provinzer machen es einem aber auch so leicht sich gänzlich in ihrer Musik zu verlieren.Großes Highlight des letzten Tages war natürlich der Auftritt der Beatsteaks. Und der Zeitslot direkt vor dem Headliner ist sicher eine der schwierigsten Aufgaben, der nur wenige Standhalten. Aber auch nur wenige sind eben so wie Schmyt. Ich könnte euch nun die folgenden Zeilen ellenlang von dem Sänger und Rapper vorschwärmen oder es einfach zu dem Punkt bringen, dass Schmyt eine unglaubliche Show hingelegt hat. Auch zwei Wochen später noch kann ich mich von seiner Musik nicht losreißen und genauso wenig von meinen Erinnerungen an genau diesen Auftritt.

Und dann lag es an Roy Bianco & den Abbrunzati Boys mit ihrem unverkennbaren Italo-Schlager den Abend zu schließen. Keiner wäre wohl besser geeignet die Menge ein letztes Mal zum Beben zu bringen und damit das Rocken am Brocken 2022 zu verabschieden.

Freundschaft.

Neben seiner ganz besonderen Location ist das Rocken am Brocken noch vor Allem für eines bekannt, sein umfangreiches Rahmenprogramm. Denn auch wer auf die Runde Flunkyball beim Zeltplatz lieber verzichtet und sich den Vormittag nicht nur mit Bierpong und Dosenbier vertreiben mag, der brauchte sich dieses Jahr nicht auf dem Festivalgelände zu langeweilen. Das Team ist mit einer tollen Auswahl an Workshops und anderen Aktivitäten aufgefahren. Handwerklich konnte sich beispielsweise beim Holzschnitzkurs oder dem Upcycling von Raviolidosen ausgetobt werden. Das Körperfunkkollektiv lud zum Radioballett ein – eine interaktive Performancekunst, bei der einem über Kopfhörer eine Geschichte erzählt wird. Durch das Befolgen eingespeister Handlungsanweisungen wird gemeinsam in der Gruppe die Erzählung schließlich zum leben erweckt wird. Allen Sportbegeisterten bot sich die Möglichkeit im Volleyball- oder Fußballturnier das eigene Können unter Beweis zu stellen.

Wenn sich Natur und Musik vereinen

Ein ganz besonderer Programmpunkt des Rocken am Brocken ist in der Reihe der Aktivitäten, die man um ein Festival herum planen könnte, wohl einmalig. Der Akustikpfad ist eine Ranger-geführte Wanderung durch den Nationalpark Harz, die von kleinen musikalischen Highlights begleitet wird. Los ging es am Campingplatz zur ersten Station, der kleinste Holzkirche Deutschlands. Hier wurden wir von Son of Polvo begrüßt, der mit seinem atmosphärischem Blues zum Auspannen und Zurücklehnen einlud. Nach einem kleinen Aufstieg und einigen interessanten Informationen zum Zustand des Waldes im Naturpark, erzählte Herr D.K. mit seiner einlullenden Stimme von Herbstgefühlen und dem Club 72. Zurück auf dem Weg zum Camp, vorbei an plätschernden Bächen und wogenden Baumwipfeln, holte uns schließlich der talentierte John Steam Jr. mit seinem ehrlichem Songwriting zurück in die Realität. Der Akustikpfad ist ein ganz eigenes Erlebnis von Natur und Musik und lässt einen für einen kurzen Moment die Aufregung des Festivals und der vorangegangen Tage vollends vergessen.

Fazit

Also was kann ich abschließend sagen? Das Rocken am Brocken ist ein Festival voller Liebe zur Natur, zur Musik und zur Freundschaft. Ich hatte eine wundervolle Zeit und kann jeden nur ans Herz legen, einmal an diesen zauberhaften Ort zu kommen um seine ganze Magie selbst zu erleben. Ihr werdet es sicher nicht bereuen. Also… vielleicht bis nächstes Jahr!