Pabst im Interview über ihre zweite Platte „Deuce ex Machina“, und, warum das Album hier definitiv mein Album des Jahres ist:
Meine allererste Erinnerung an Pabst ist vom Obstwiesen-Festival in Ulm letzten Sommer. Während deren Soundcheck unterhalte ich mich mit Jakob von den Leoniden in der Crowd. Und als Jakob das Lied, das grade gecheckt wird, erkennt, muss er natürlich gleich mitsingen! Die Jungs auf der Bühne sehen ihn, und stimmen erst mal Nevermind an.
Seitdem ist unglaublich viel passiert, und morgen, am 19. Juni, kommt ENDLICH das (meinerseits jedenfalls sehr) herbeigesehnte zweite Album von Pabst auf den Markt!
Alle, die Musik laut und gesellschaftskritisch mögen, sollten an dieser Stelle auf jeden Fall gut zuhören. Los geht’s mit Machina, und ich bin sofort begeistert, aber spätestens als am Ende das Tempo hochgedreht wird und es erst mal fett Gitarre auf die Ohren gibt bin ich mir sicher: Das wird mein Album des Jahres.
Weitere Highlights folgen mit:
- Ibuprofen: Ich muss sagen, auch wenn ich tödlich allergisch auf Ibuprofen bin, ist das Lied ein Banger.
- Legal Tender: Hands down einfach das beste Lied auf diesem Album. Clap Clap Clap und wie immer viel Gitarre. Und die Lyrics… einfach maximal relatable (aber dazu weiter unten mehr)
- My Apocalypse: Zugegebenermaßen hat das Lied das Grusel-Potential erst zusammen mit dem Musikvideo erhalten, aber das Düstere hat auf jeden Fall was.
Zum Album: Richtig geile Scheibe muss ich sagen. Auch das Wortspiel… ich hab mal Google gefragt, was genau das denn heißt. „Deus Ex Machina“ heißt sprichwörtlich ja, dass in einer aussichtslosen Notlage auf einmal eine göttliche, helfende Hand auftaucht. Schon genial, in dem Ausdruck Gott („deus“) durch den Teufel zu ersetzen.
Wie genau seid ihr da denn draufgekommen, und was hat euch dazu bewegt, euer zweites Album danach zu benennen?
Erik: Naja, eigentlich genau wie du das auch hergeleitet hast. Ich steh mega auf so Wortspiele, irgendwann ist mir das eingefallen. Und ich dachte „wenn es DAS noch nicht gibt, dann nehmen wir das für unser zweites Album.“ – ich glaub das ist auch schon echt lange her. Als ich das vorgeschlagen habe, hatten wir noch nicht mal einen Song geschrieben. Wir dachten einfach, das passt so geil zum zweiten Album, weil „deuce“ ja auch Nummer zwei heißt, und da passt das perfekt. Und auch inhaltlich kann man total viel reininterpretieren. Da war die Wahl relativ easy.
Ja stimmt, das passt echt einfach richtig gut! Ich hab mir dann auch mal die Lyrics angeschaut, und ich muss sagen, dass es mir echt nicht leicht gefallen ist, mir da irgendwie eine Lieblingszeile auszusuchen. Aber „Legal tender is just a hoax / I’ve become a socialist cause I’m chronically broke” ist auf jeden Fall ziemlich oben mit dabei. Welche Lyrics vom Album sind denn eure Favoriten?
Erik: (nachdenklich)
Tore: Das ist auf jeden Fall auch einer von meinen. Da würd‘ ich sagen da geh ich mit.
Tilman: Generell ist der Song ja sehr plakativ, da hat es einige Aussagen, die man gut auf ein T-Shirt drucken kann. Also ja, bei Legal Tender gibt es den einen oder anderen Spruch, den man da rausnehmen kann.
Erik: Ja, wie Tilman schon meinte, ich mag Zeilen die man auf T-Shirts drucken kann. Also die einfach so richtig Poster-mäßig sind.
So wie „Punch a Nazi“?
Erik: Ja genau! Einfach was quotable is. Aber „this city’s no place for losers like us”, bin ich ganz happy mit. Oder halt auch aus Legal Tender, das haben wir auch tatsächlich auf ein T-Shirt gedruckt: „I’m here for a good time, and not to pay the bills“. Weil es wie ein Leitspruch, aber total bescheuert ist. Fand ich auch ganz cool. Es gibt auf jeden Fall viele One-Liner über die ich mega happy bin! Aber ist schwer zu sagen. Ich hab die Texte auch geschrieben, wär jetzt komisch zu sagen ich hab nen Lieblingstext oder so.
Wie kam es denn dann zu der spanischen Zeile in Hell?
Erik: Ich hab mir irgendwann gedacht: ich sing ja auf Englisch, und das ist eigentlich genauso random wie auf irgendeiner anderen Sprache zu singen. Aber ich kann halt sonst nur Englisch. Deutsch hat irgendwie zu der Band nicht gepasst, zu dieser ganzen Ästhetik und so die wir von Anfang an hatten. Wir haben uns sofort auf Englisch festgelegt. Voll gerne hätte ich auch mal nen ganzen Song auf Spanisch, ich kann das nur halt nicht. Dann dachte ich, jetzt bau ich ne spanische Zeile ein. Der Joke ist auch – die Zeile hab ich selber mit Google Translate übersetzt, ich hab niemanden gefragt ob das richtig ist. Also keine Gewähr! Es ist aber genau die gleiche Zeile wie davor.
Ich muss zugeben, ich hab die Zeile vorhin auch mit Google Translate zurückübersetzt.
Tilman: Wahrscheinlich kam dann was ganz anderes raus dabei. Ein Kochrezept oder so. (lacht)
Erik: Da ist halt immer die Gefahr, ob man das überhaupt so sagen kann. Aber darum ging es mir in dem Moment gar nicht. Von mir aus kann das mega falsch sein. Wenn jetzt zum Beispiel ein Engländer einen deutschen Text schreibt, da findet man das ja auch nicht schlimm, wenn der grammatikalisch ein bisschen krumm ist. Es soll auf jeden Fall heißen: Ein Deal mit dem Teufel, ohne dass man etwas zurückbekommt. Und wenn es das IRGENDWIE heißt, dann bin ich schon glücklich. (lacht) … Ich weiß gar nicht, warum mich bis heute niemand danach gefragt hat.
Deuce Ex Machina habt ihr ja live eingespielt, nicht wie Chlorine. Wie sehr hat das verändert, wie ihr an die Songs herangeht?
Erik: Grundlegend!
Tilman: Sehr sehr anders als zum Album davor. Uns ist im Nachgang vom aufgefallen vom ersten Album, dass relativ viele Songs Stückwerke waren. Oder dass wir uns, als wir versucht haben, diese geschriebenen Songs live zu spielen, uns irgendwie … selbst gecovert haben. Also gedacht haben „das ist schon irgendwie ziemlich weird“ oder „das lässt sich nicht so gut adaptieren für eine Live-Situation“. Soll heißen: Für das zweite Album sind wir so rangegangen, dass wir gesagt haben: Jeder Song, den wir schreiben, muss live auch richtig gut funktionieren. Und das hat sich dann auch komplett auf den Schreibprozess übertragen. Weil wir wussten, wir basteln nicht am Ende den Song mit allen möglichen Tools zusammen. Sondern der muss fertig sein, bevor wir ins Studio gehen.
Habt ihr dann einige Songs geschrieben und dann im Nachhinein ausgewählt, welche aufs Album sollen? Oder euch eher auf die Songs konzentriert, bei denen ihr gemerkt habt, dass sie aufs Album müssen?
Erik: Ja schon eher letzteres. Aber man hört das ja schon öfters, dass Bands ins Studio gehen, 40 Songs aufnehmen und 10 kommen dann aufs Album? Bei uns ist das eher so, wenn wir merken, da wird was draus, dann arbeiten wir auch intensiver dran. Songs werden relativ schnell aussortiert – entweder wir befassen uns gar nicht erst richtig damit, weil es nicht sofort klick macht, oder wir merken super schnell das wird nix. Aber wir machen auf jeden Fall gar keine Songs so richtig fertig, gehen dann ins Studio, und dann packen wir die nicht aufs Album. Das hat zeitlich auch dieses Mal gar nicht hingehauen.
Beim ersten Album hatten wir ein Outtake, das war Forever O.K. – den hätten wir auch raufmachen können. Das hat sich bloß einfach nicht so richtig angefühlt. Aber wir haben jetzt keine krasse Ausfallquote irgendwie bisher gehabt. Wir hatten einen Song, der komplett weggefallen ist… Aber den haben wir einfach gar nicht aufgenommen. Schon früher aussortiert. Der hatte auch noch gar keinen Text oder so. Der war einfach nicht geil.
Vielleicht kann man da ja später noch was daraus basteln oder so?
Erik: Bei uns ist es eigentlich eher so „wenn es nicht mega fett ist dann lass was neues machen“ (lacht) Wir arbeiten ungerne ewig an etwas rum.
Wie lange ist das Album denn dann schon fertig?
Tilman: Also KOMPLETT fertig vielleicht seit so drei, vier Monaten.
Erik: Ich glaub es gab nen Abgabetermin, der war irgendwie Ende Februar oder so? Würde zeitlich hinhauen.
Tilman: Aber man hat die Songs natürlich schon viel früher geschrieben. Eine Hälfte des Albums ist geschrieben und aufgenommen schon seit über einem Jahr! Die andere Hälfte wurde erst dieses Jahr beendet. Und da gibt es schon einen zeitlichen Unterschied. Manche Songs sind schon über ein Jahr alt, und manche noch relativ frisch!
Das Debütalbum ist ja quasi der Einstieg in die Musikwelt für Künstler. Das zeigt ein erstes Bild, und das soll ja perfekt werden. Also gibt es ziemlichen Druck auf den Künstler, alles richtig zu machen. Aber auch beim zweiten Album ist das ja nicht unerheblich anders. Da heißt es dann oft, wenn die Songs zu ähnlich klingen, dass man sich nicht weiterentwickelt hätte. Und wenn man einen zu deutlichen Unterschied zum ersten Album aufzeigt wird man als Sell-Out bezeichnet, oder es beginnt ein nicht endendes „aber die ältere Musik find ich besser“. Wie ging es euch damit bei diesem Album?
Tilman: Wir selbst sind nicht mit so einer Außenperspektive rangegangen, das war schon etwas das nur von uns innen kam. Wir haben jetzt nicht gesagt „Irgendjemand hat bestimmte Erwartungen an uns, deswegen muss das Album so und so klingen“. Ein bisschen schwingt sowas natürlich immer mit, aber wir hatten da jetzt gefühlt keinen SO großen Unterschied vom ersten Album zum zweiten Album. Ich glaube aber, was uns allen wichtig ist, ist, dass es immer die Möglichkeiten gibt, sich weiterentwickeln zu können. Also ich persönlich würde zum Beispiel ungern mehrmals das erste Album machen. Das nur nochmal aufwärmen oder anders formulieren oder so. Ich glaub da haben wir als Band auch einen gewissen Anspruch, dass man sich verändern kann. Das ist auch voll normal. Dann ist es auch normal, dass manche Leute die ersten beiden Alben einer Band mehr feiern als die letzten beiden.
Ich kenn da auch genug Beispiele von irgendwelchen Lieblingsbands oder so von mir selbst. Wo man sich denkt „Danke, aber ihr hättet auch vor 10 Jahren aufhören können und es wär alles viel cooler gewesen“ (alle lachen) Vielleicht denken Leute auch irgendwann so über uns. Aber das kann man sicher von außen besser beurteilen. Wie findest du das denn? Findest du, dass das ein krasser Unterschied ist von Album eins zu Album zwei?
Also ich find es … eine natürliche Entwicklung.
Erik: Ist es im Endeffekt ja auch, wa? Das Ding ist nur, wir sind wahrscheinlich so unberechenbar, dass wir dann vielleicht irgendwann sagen „Ey, jetzt nehmen wir n Jazzalbum auf“ oder so… Aber dafür können wir nicht gut genug spielen.
(alle lachen)
Erik: Aber es ist schon echt interessant, weil man irgendwann dann vielleicht doch anfängt, so ne Erwartungsperspektive zu einzunehmen und zu sagen „wie können wir die Leute jetzt extra enttäuschen?“, weil man dann so tickt? Weil man sagt „ich mach IRGENDWAS grade, ist mir so egal, Hauptsache es schlägt Wellen“. Es gibt da auf jeden Fall witzige Beispiele von Bands, die ne 180-Grad-Drehung gemacht haben. Einfach nur, weil es witzig ist. Und dann mal gucken, was passiert. Kann auch cool sein! ……Aber bei uns war das jetzt tatsächlich nur so, dass wir Songs geschrieben haben, wie wir es immer gemacht haben, nur eben mit diesem neuen Fokus „es muss live aufgenommen werden“. Es hat sich zu früher auch verändert, wer wieviel Einfluss hatte auf die Songs.
Wie am Ende von jedem PickyMagazine-Interview gibt es noch eine Blank Space, wo ihr noch loswerden könnt, was euch auf dem Herzen liegt:
Erik: Jetzt kommt der Moment mit dem Finger: Wenn ihr euch nicht sicher seid, hört auf die Leute die Ahnung haben. Glaub das kann man gerade relativ gut gebrauchen, als Tipp so. Denkt nicht, ihr seid fein raus aus allem und ihr habt Ahnung und den vollen Durchblick… sondern lasst euch überzeugen von Leuten die Erfahrung haben. Das ist sowohl auf Corona anwendbar als auch auf Black Lives Matter. Nicht sagen „Mich geht sowas nicht an, ich bin eh kein Rassist“, sondern sich damit auseinandersetzen, offen bleiben, und sich eingestehen, dass man vielleicht eben doch ein bisschen rassistisch ist und daran arbeiten muss… Ja. Wort zum Sonntag!