Rap über Hass.
Ich hänge also mit meinen Freund*innen in einem Wohnzimmer ab und höre Musik (geimpft und getestet, natürlich). K.I.Z haben ein neues Album rausgebracht: „Rap über Hass“. Wir lachen über das Cover. Der*die eine oder andere hat schon einen Lieblingssong von dem Album. Wir hören also rein. Ich persönlich hatte nie viel mit KIZ am Hut, aber bilde mir was auf meine Offenheit ein, also protestiere ich nicht. Und tatsächlich hatte der Abend zur Folge, dass ich mir das Album nochmal genauer angehört habe. Wer hätte es gedacht, ich finde es gar nicht mal übel. Aber ich musste mir eine Frage stellen: Kann man als Feminist*in K.I.Z. hören?
Die kurze Antwort ist: ja. Die lange Antwort auch. Aber ich verstehe, was mit der Frage eigentlich gemeint ist. Darf man als Feminist*in sexistische Texte hören? Darf man eine Band unterstützen, die solche Texte verbreitet, sei es nun „nur“ durch Streams oder auch durch Konzerttickets, Merchandise-Kauf oder ähnliches? Ist es nicht widersprüchlich, dass man sich für etwas oder jemanden interessiert, der seinen*ihren Grundsätzen zuwider handelt?
Als Feminist*in darf man erstmal alles.
Nun, ich würde sagen, als Feminist*in darf man erstmal alles. Denn genau darum geht’s: keine Einschränkungen aufgrund von Gender oder sexueller Orientierung. Und ein kleiner Teil in mir sagt auch, dass, gerade weil es erstmal so scheint, als dürfe man etwas nicht, man es mit umso mehr Überzeugung tun sollte. Dieser Gedanke hat das Bild der „typischen Feminist*in“ geprägt: androgynes Aussehen und lautes Auftreten, eine Darstellung von Regelbruch, indem man non-feminine Eigenschaften annimmt und präsentiert. Natürlich wissen wir, dass nicht jede*r Feminist*in so aussehen oder so handeln muss, doch das Bild hält sich hartnäckig.
Die Frage des Dürfens ist also geklärt, vielleicht sogar die Frage des Sollens. Bleibt nur die Frage: Will man das? Will ich jemand sein, dem die Musik von K.I.Z. oder ähnlichen Bands gefällt?
Ich möchte hier nicht diskutieren, ob KIZ sexistische Texte zum Besten gibt. Die Objektifizierung von Frauen ist ein allgemein herrschender Tenor, nicht nur bei K.I.Z., sondern in einem großen Teil der Populären Musik. Es soll hier ja auch nicht im Speziellen im „Rap über Hass“ gehen, sondern um das Problem im Allgemeinen.
„Aber die meinen das doch gar nicht so!“
Wie ernst oder ironisch diese Texte gemeint sind, liegt meiner Meinung nach im Ohr des*r Zuhörers*in. K.I.Z. schockieren mit ihren Lyrics, wenn man sie zum ersten Mal hört. Aber bei genauerer Betrachtung kann man deutlich sehen, dass die Rapper hier parodieren, und nicht zur Nachahmung auffordern. Das ist der erste Grund, warum auch ich als Feminist*in mit Fug und Recht behaupten kann, dass mir K.I.Z. gefällt. Eine geschickte ironische Darstellung von Sexismus (und anderen Problemen), die so gelungen ist, dass sie beinahe authentisch wirkt, ist bewundernswert und regt zur Diskussion an. Das ist meiner Meinung nach mit das Beste, was Kunst bewirken kann.
Und wenn die Texte gar nicht ironisch gemeint sind? Tja, dann würde ich sagen, jokes on you, denn ich kann sie so interpretieren. Und wenn ich als Feminist*in eure Lyrics zum Empowerment nutzen kann, seid ihr eben verdammt schlechte Sexist*innen. Ja, in dem Fall gebe ich vielleicht Geld aus, dass möglicherweise in der Tasche von Sexist*innen landet (sehr sicher sogar, aber das hat nichts mit den Texten von KIZ, sondern mit der Musikbranche zu tun – ein anderes Mal, meine Lieben). Ich würde trotzdem sagen, dass die Diskussion, die angeregt wird, die paar Steine wert sind, die ich als einzelne*r Fan investiere. Dem liegt eine demokratische Überzeugung zu Grunde: nichts Schlechtes ist an sich schlecht, solange es diskutiert und opponiert werden kann.
Musikgeschmack ist leicht gemacht
Jetzt schieben wir diese ganzen moralischen Bedenken mal beiseite. Ob die Texte jetzt ironisch gemeint sind oder nicht, man muss als Feminist*in kein schlechtes Gewissen haben, wenn einem die Musik gefällt. Wie unser Musikgeschmack ausfällt ist das Ergebnis langer Jahre unserer Sozialisierung, für die wir meistens herzlich wenig können. Deswegen hasse ich auch den Begriff „guilty pleasures“: ich muss mich nicht schuldig fühlen, weil ich gerne „Hit Me Baby One More Time“ im Auto schmettere, obwohl ich sonst nur schwermütigen Indie höre. Ich habe dazu früher mit meiner großen Schwester getanzt. Der Song erinnert mich an den Geschmack von Kiosk-Süßigkeiten und heimliches Pokémon-Schauen. Ich mag den Song nicht, weil er politisch korrekt ist oder weil er genau das trifft, was ich sonst höre – ich mag ihn für das, was er für mich bedeutet. Das heißt nicht, dass man Songs, die möglicherweise schwierig sind, nur mögen darf, wenn rührselige Erinnerungen daran hängen. Vielmehr soll das zeigen, wie komplex unser Musikgeschmack gebildet wird.
Fazit?
Hör doch, was du willst. Und zwar nicht, obwohl du Feminist*in, sondern weil du Feminist*in bist. Dir steht die ganze Welt der Musik offen, und wenn du etwas findest, was dir die Musik vermiest, dann hörst du es halt nicht mehr. Das heißt auch nicht, dass du sexistische, diskriminierende, sonst wie gemeine Texte von irgendwelchen Idioten mögen musst, um deine absolute Freiheit auszuleben. Dir wird auch vieles nicht gefallen, eben weil es sexistisch, diskriminierend oder sonst wie gemein ist, und das ist auch richtig so. Vielleicht kannst du dich ja ab und zu fragen, warum dir dieses oder jenes gefällt, oder warum auch nicht, denn unser Musikgeschmack sagt wirklich viel über uns aus. Und wenn du dich fragst, ob du etwas „hören darfst“, weil es deinen Überzeugungen widerspricht, zeigt das nicht, dass du es mit diesen Überzeugungen nicht ernst meinst. Es zeigt viel mehr, dass du dir deiner selbst sicher genug bist, um schwierige Fragen überhaupt zuzulassen.