K.I.Z (Beitragsbild: Philipp Gladsome)
Im letzten Jahr kam das neue Album „Rap über Hass“ von K.I.Z heraus. In unserer Redaktion hat das für heftige Diskussionen und lange Sprachnachrichten im Gruppenchat gesorgt. Die Meinung waren geteilt, und schließlich wurde das Thema fallengelassen. Aber die Frage blieb: Kann man als Feminist*in K.I.Z hören?
Die kurze Antwort ist: ja. Die lange Antwort auch. Aber natürlich geht diese Frage tiefer, und hier soll es darum gehen, was mit der Frage eigentlich gemeint ist. Darf man als Feminist*in sexistische Texte hören? Darf man eine Band unterstützen, die solche Texte verbreitet, sei es nun „nur“ durch Streams oder auch durch Konzerttickets, Merchandise-Kauf oder ähnliches? Ist es nicht widersprüchlich, dass man sich für etwas oder jemanden interessiert, der seinen*ihren Grundsätzen zuwider handelt?
Als Feminist*in darf man erstmal alles.
Nun, ich würde sagen, als Feminist*in darf man erstmal alles. Denn genau darum geht’s: keine Einschränkungen aufgrund von Gender oder sexueller Orientierung. Natürlich ändert das nichts daran, dass die persönliche Freiheit genauso weit geht, wie man Fingerspitzen ausstrecken kann. Feminismus ist kein Freifahrtschein zur Einschränkung oder Benachteiligung anderer, nicht falsch verstehen. Aber es bleibt meine Freiheit, alle Musik zu hören, die ich hören will, und mir vor allem meine eigene Meinung darüber zu bilden. Die Frage des Dürfens ist also geklärt, vielleicht sogar die Frage des Sollens. Bleibt nur die Frage: Will man das?
Will ich jemand sein, dem die Musik von K.I.Z oder ähnlichen Bands gefällt? Ich möchte hier nicht diskutieren, ob K.I.Z sexistische Texte zum Besten geben. Die Objektifizierung von Frauen ist ein allgemein herrschender Tenor, nicht nur bei K.I.Z, sondern in einem großen Teil der Populären Musik. Es soll hier ja auch nicht im Speziellen um „Rap über Hass“ gehen, sondern um das Problem im Allgemeinen.
„Aber die meinen das doch gar nicht so“ – Ironie ist zwar Stilmittel, aber kein Freifahrtschein
Wie ernst oder ironisch diese Texte gemeint sind, liegt meiner Meinung nach im Ohr des*r Zuhörers*in. K.I.Z schockieren mit ihren Lyrics, wenn man sie zum ersten Mal hört. Aber bei genauerer Betrachtung kann man deutlich sehen, dass die Rapper hier parodieren, und nicht zur Nachahmung auffordern. Das ist der erste Grund, warum auch ich als Feminist*in mit Fug und Recht behaupten kann, dass mir K.I.Z gefällt. Eine geschickte ironische Darstellung von Sexismus (und anderen Problemen), die so gelungen ist, dass sie beinahe authentisch wirkt, ist bewundernswert und regt zur Diskussion an. Das ist meiner Meinung nach mit das Beste, was Kunst bewirken kann. Es bleibt natürlich die Frage, ob es nicht geschicktere Kunstgriffe gibt, um gesellschaftliche Probleme an den Pranger zu stellen. Die Entscheidung, ob es sich um ironischen oder ernstgemeinten Gebrauch problematischer Praktiken handelt, liegt nicht nur beim Kunstschaffenden, sondern auch beim der Konsumierenden. Ungewollt kann Ironie ernst genommen werden, kann so als Bollwerk für das stehen, was sie ablehnt. Man kann sich leider nicht immer auf ein aufmerksames und reflektiertes Publikum verlassen.
Musikgeschmack ist leicht gemacht
Jetzt schieben wir diese ganzen moralischen Bedenken mal kurz beiseite. Ob die Texte jetzt ironisch gemeint sind oder nicht, man muss als Feminist*in kein schlechtes Gewissen haben, wenn einem die Musik gefällt. Wie unser Musikgeschmack ausfällt ist das Ergebnis langer Jahre unserer Sozialisierung, für die wir meistens herzlich wenig können. Deswegen hasse ich auch den Begriff „guilty pleasures“: ich muss mich nicht schuldig fühlen, weil ich gerne „Hit Me Baby One More Time“ im Auto schmettere, obwohl ich sonst nur schwermütigen Indie höre. Ich habe dazu früher mit meiner großen Schwester getanzt. Der Song erinnert mich an den Geschmack von Kiosk-Süßigkeiten und heimliches Pokémon-Schauen. Ich mag den Song nicht, weil er politisch korrekt ist oder weil er genau das trifft, was ich sonst höre – ich mag ihn für das, was er für mich bedeutet. Das heißt nicht, dass man Songs, die möglicherweise schwierig sind, nur mögen darf, wenn rührselige Erinnerungen daran hängen. Vielmehr soll das zeigen, wie komplex unser Musikgeschmack gebildet wird.
Fazit
Hör doch, was du willst. Und zwar nicht, obwohl du Feminist*in, sondern weil du Feminist*in bist. Dir steht die ganze Welt der Musik offen, und wenn du etwas findest, was dir die Musik vermiest, dann hörst du es halt nicht mehr. Das heißt auch nicht, dass du sexistische, diskriminierende, sonst wie gemein(t)e Texte von irgendwelchen Idioten mögen musst, um deine absolute Freiheit auszuleben. Im Gegenteil. Dir wird auch vieles nicht gefallen, eben weil es sexistisch, rassistisch, diskriminierend oder sonst wie ist, und das ist auch richtig so. Mir geht es genauso. Vielleicht kannst du dich ja ab und zu fragen, warum dir dieses oder jenes gefällt, oder warum auch nicht, denn unser Musikgeschmack sagt wirklich viel über uns aus. Und wenn du dich fragst, ob du etwas „hören darfst“, weil es deinen Überzeugungen widerspricht, zeigt das nicht, dass du es mit diesen Überzeugungen nicht ernst meinst. Es zeigt viel mehr, dass du dir deiner selbst sicher genug bist, um schwierige Fragen überhaupt zuzulassen.