Porrdige Radio statteten der Hauptstadt im Rahmen ihrer Album-Tour einen Besuch ab. (Foto: privat)
Picky Johannes hat für euch Porridge Radio im Festsaal Kreuzberg besucht und die Geschehnisse des Abends zu Papier gebracht.
Die Temperatur ist unter dem Gefrierpunkt vor dem Festsaal Kreuzberg. Drinnen steht schon
ein Tannenbaum, der große Raum vor der Garderobe ist weihnachtlich geschmückt, während die BesucherInnen ihre Daunenjacken und Mäntel abgeben.
Dana Margolin, die Frontfrau der britischen Indie-Band, kommt mit orangener Balaclava über ihren kurzen Haaren und Kopfhörern in den Ohren telefonierend an den Merch-Stand und bringt ein DIY-Pappschild mit den jeweiligen Preisen vorbei, kurz bevor die Vorband Grief Scene anfängt. Nach dem in Berlin ansässigen Trio wird es dunkel und Scooters „Logical Song“ wird gespielt, wozu die vier Brightonians die Bühne betreten. „One, two, three, four, don’t you know what i’ve been waiting for?”, fragt Margolin schließlich während des ersten Songs „Give/Take“ ins Publikum. Es ist das erste Konzert der Band in Berlin, die letzten beiden Jahre wurden die Termine immer wieder verschoben.
„Waterslide, Divingboard, Ladder to the Sky”, heißt das neue Album der Band. Und eben
jene – eine Wasserrutsche, ein Sprungbrett und eine schier nicht enden wollende Wendeltreppe – verschwimmen im Bühnenbild zu einem blau-schwarz-gelb-lila Gemisch und der Bandname ist kaum mehr leserlich, als Dana Margolin im Einklang mit der Zweit- und Dritt Stimme „I don’t want to go back“ schreit. Harmonische Backing-Vocals in Kombination mit den häufig repetitiven Texten und die Spannweite von zärtlichem Gesang, der sich in verzweifeltes Schreien entwickelt, formen sich zu einem Klangteppich, der einen Stück für Stück komplett vereinnahmt. Ohne es zu merken, verfällt man in einen Tunnelblick und findet sich auf eben jener Himmelsleiter wieder, um vor der Realität zu fliehen.
„Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“ ist während der Pandemie entstanden. Dementsprechend können alle nachvollziehen, inwieweit die Isolation und die Erfahrungen der letzten beiden Jahre auf der Bühne verarbeitet werden. Bei den momentanen Lebensumständen vieler Leute, die von Krieg, Post-Covid, Inflation, den Mietpreisen, Gasmangel und Zukunftsängsten geprägt sind, verwundert es nicht, dass eine Himmelsleiter weg von der Realität im Unterbewusstsein wie eine gar nicht so schlechte
Alternative erscheint.
Doch nach dem Verlassen der Konzerträume kommt die Lebensrealität ebenso wie die Kälte langsam zurück und sucht sich ihren Weg durch die dicken Jacken und Mäntel, um einen bis auf die Knochen spüren zulassen, dass sie nie ganz weg war, sondern nur ausgeblendet wurde. Anders als die winterlichen Widrigkeiten lässt sich die Lebensrealität ändern.