„Auf Tour muss man nicht immer die typischen Medienstädte abklappern“: Ein kleiner Plausch mit VAN HOLZEN

VAN HOLZEN (Foto: @CAPADOL – Lih Tsan)

VAN HOLZEN sprachen im Picky Magazine-Interview mit Nadine über ihre letzte Tour, autarkes Arbeiten, Labels, Social Media und ihre aktuelle Single Stich für Stich.

Bereits seit 2009, also mittlerweile 14 (!) Jahre, bilden Sänger und Gitarrist Florian Kiesling, Bassist Jonas Schramm und Schlagzeuger Daniel Kotitschke die Band VAN HOLZEN. Über Warner Music veröffentlichten sie ihre ersten EPs und Alben, bis sie dann 2021 ihr Album „Aus der Ferne“ im eigenen Studio aufnahmen und rausbrachten. Während sie früher klar dem Rockgenre zugeordnet werden konnten, ist das Trio mittlerweile immer mehr in Indie-Gefilden unterwegs.

Diesen Freitag haben die drei ihre aktuelle Single „Stich für Stich“ veröffentlicht. Poppig leicht kommt diese daher, obwohl es im Text nur bedingt um Gute Laune geht. Vielmehr singt Florian darüber, wie er sich immer weiter von sich selbst entfernt, er im selben Moment aber auch Halt durch eine weitere Person erfährt. „Stich für Stich“ ist nicht nur ein totaler Ohrwurm, sondern zeigt auch, wie facettenreich Alternative-Rock klingen kann.


Berlin, blauer Himmel und Sonnenschein: Ich sitze in meiner Wohnung vor meinem Laptop. Aber das macht mir heute gar nichts, denn ich bin mit VAN HOLZEN verabredet. VAN HOLZEN, das sind Florian, Jonas und Daniel. Für das Interview haben wir unter anderem über ihre letzte Tour, autarkes Arbeiten, Labels und Social Media gesprochen.

picky Nadine: Meine erste Frage: Ihr wart jetzt circa einen Monat lang auf Tour quer durch Deutschland. Die letzte Show war am 19.05., also vor ein bisschen mehr als einer Woche. Wie war es denn? Wie hat es euch gefallen?

Jonas: Mega nice. (grinst) Es hat sich irgendwie angefühlt wie die beste Tour, die wir je gespielt haben. Hat richtig Spaß gemacht! Und es war krass zu sehen, dass in Städten, in denen wir noch nie waren, neunzig Leute vor der Bühne stehen und übelst abgehen. War schon irgendwie schön…

Daniel: Ja, war sehr cool!

Florian: Gute Energie! Also irgendwas hat sich verändert, hab ich das Gefühl. Auch im Vergleich zu Vor-Corona: Die Leute sind irgendwie so angezündet. Es hat echt richtig Spaß gemacht, hat uns richtig motiviert.

picky Nadine: Schön. Das wäre tatsächlich auch meine nächste Frage gewesen: Ihr habt euch ja eher mittelgroße Städte rausgesucht – ihr wart zum Beispiel Potsdam und nicht direkt in Berlin. Hatte das einen bestimmten Grund? Oder waren da einfach die schöneren Hallen?

Florian: Ne, voll. Wir haben das genau so geplant. Ich finde es total schade, dass man nur alle zwei Jahre eine Tour spielen darf zu einem Album. Und das dann immer nur in den typischen Medienstädten, nur damit hoffentlich viele Tickets verkauft werden. Aber in Weiden in der Oberpfalz – auch wenn man es nicht glaubt – gibt es auch Menschen, die Bock auf ein geiles Konzert haben. Und das macht dann schon was. Die Leute freuen sich total, dass da was geht und kommen dann auch eher. Wir wollten das einfach mal machen und ich bin mir sicher, dass wir das wieder machen werden.

picky Nadine: Das glaub ich. Gab es denn Lied, das bei euch im Tourbus auf und ab lief? Hattet ihr da einen Song der euch die ganze Zeit begleitet hat oder war das einfach eine random Playlist, die ihr angemacht habt?

Florian: Jonas darf immer bestimmen, weil Jonas jede Strecke fährt.

Daniel: Ja es gab nicht DEN Song, aber… (lacht)

Jonas: Ja, ich kann mich da dann auch gar nicht so richtig entscheiden, also ich hör gern genau das Gleiche über eine gewisse Zeit, weil das irgendwie kickt. Es gibt aber jetzt nicht unbedingt den einen Song. Ich hab da halt so eine Playlist, die dann die ganze Zeit läuft. Aber ich geh davon aus, dass die anderen dann ihre Stöpsel reinmachen und schlafen oder halt was anderes hören. Dann ist es auch in Ordnung für mich das Gleiche zu hören, weil mir bockt´s ja und die anderen können ja ausweichen.

picky Nadine: Okay, also ihr hattet jetzt nicht einen speziellen Song, der euch die ganze Zeit unterhalten hat? Das hört man ja manchmal.

Jonas: Nicht direkt. Aber jeder von uns hat jetzt seine eigene Playlist veröffentlicht, falls es jemanden interessiert, was wir so privat hören. Die findet man auf unserer Künstlerseite bei Spotify. 

Daniel: Ich hatte auf der Fahrt sehr oft die Funky Town Melodie im Kopf.

Florian: Die ganze Tour lang.

(alle lachen)

picky Nadine: Ich hoffe ihr habt die Frage noch nicht allzu oft gehört, aber ihr nehmt ja nun seit einiger Zeit im eigenen Studio auf. Wie kam es dazu und wie unterscheidet sich der ganze Aufnahmeprozess?

Florian: Also wir haben die ersten beiden Platten mit Warner Music veröffentlicht, einem großen Label, und die haben uns ganz gut Vorschuss gezahlt. Da dachten wir uns die beste Investition ist jetzt eigentlich ein eigenes Studio: Bei uns auf dem Land und direkt neben dem Proberaum einen eigenen Space zu haben, in dem wir voll autark sind und recorden können, wann wir wollen. Und seitdem hat sich der Prozess extrem verändert. Wir schreiben und nehmen direkt auf. Also die Grenzen sind so fließend zwischen Songwriting und wirklicher Produktion. Früher war es immer so, dass man Songs geschrieben, Demos gemacht hat und üben musste, bis man dann zwei Wochen im Studio Zeit hatte um ein ganzes Album einzuspielen. Und jetzt ist es halt viel chilliger. Wir können einfach ins Studio, wenn wir uns danach fühlen. Nehmen dann einen Song auf, lassen den mischen und bringen den raus. Ich glaub das merkt man auch gerade an der Art, wie wir Musik veröffentlichen.: Ziemlich regelmäßig, aber eben kein Album.

picky Nadine: Schön, das heißt ihr wohnt dann auch in der Nähe des Studios, also ihr könnt da jeder Zeit hin?

Florian: Wir sind dort aufgewachsen und wohnen da auch noch zum größten Teil. Eigentlich wohne ich in Berlin und Jonas jetzt auch. Ich denke, dass wir dieses Jahr noch unseren Mittelpunkt nach Berlin ziehen werden, aber ich finde es auch einen schönen Grund, immer mal wieder nach Hause zu kommen. Es hat schon eine andere Qualität auf dem Land, wo einfach nichts drum herum ist. Berlin kann auch cool sein, aber erfahrungsgemäß brauchen wir immer unsere Ruhe.

picky Nadine: Das glaub ich. Klingt sehr schön. Würdet ihr sagen, dass der Wandel vom Rock zu mehr Indie damit zu tun hat, dass ihr jetzt einfach selbstbestimmter aufnehmen und eure Sachen bearbeiten könnt? Oder kam das noch durch andere Gegebenheiten?

Florian: Ich glaub das kam durch andere Gegebenheiten, aber es hat bestimmt auch damit zu tun, oder? Ich glaube dadurch, dass wir viel mehr Musik machen und viel mehr Musik schreiben und aufnehmen, entwickeln wir uns auch einfach schneller.

Daniel: Ja genau, das glaube ich auch. Das ist eine recht natürliche Entwicklung, die sonst auch passiert wäre – nur vermutlich nicht so schnell.

Florian: Aber unser Musikgeschmack hat sich auf jeden Fall stark verändert in den letzten sechs, sieben Jahren. Die Musikwelt da draußen ja auch. Also es gibt jetzt nicht mehr so viele freshe Rockbands, die man hören kann – hab ich das Gefühl – und es kommen eher mehr coole andere Sachen raus. Dann sind wir halt davon inspiriert.

picky Nadine: Verstehe. 2021 habt ihr euer letztes Album „Aus der Ferne“ rausgebracht. Seitdem sind es ja nur noch Singles gewesen. Hat das auch einen bestimmten Grund?

Florian: Wir wollten so ein bisschen frei bleiben. Ich finde so ein Albumrelease ist auf jeden Fall immer krass viel Arbeit und das streckt sich so lang. Und ich hab das Gefühl die Hälfte der Songs auf der Platte interessieren eh nicht so viele Menschen, was schade ist. Ein Album muss man dann machen, wenn man es so richtig fühlt und selber auch voll Lust drauf hat. Und wir wollten diese Entwicklung, von der ich gerade gesprochen hab, einfach ausreizen und in regelmäßigen Abständen Musik schreiben. Also uns so weiter entwickeln und so experimentieren. Das ist mit einzelnen Songs deutlich leichter. Wenn da ein ganzes Album dran hängt, dann musst du dich da für einen Stil entscheiden, sodass es auch rund wird. Und so sind wir halt total frei und können – bevor wir ein neues Album schreiben – erst einmal auschecken was wir überhaupt machen wollen und was überhaupt möglich ist. Und da geht auf jeden Fall so einiges mit VAN HOLZEN, da kann man sich schon aus dem Fenster lehnen und sich stilistisch einiges erlauben. Und das merken wir gerade.

picky Nadine: Das glaub ich. Würdet ihr euch denn noch ins Rockgenre verordnen? Beziehungsweise wie steht ihr generell zu Labels?

Florian: Es ist immer noch Rock. Also vor allem wenn man die Live-Shows sieht… Das hab ich mir letztens auch wieder gedacht auf Tour: Es rockt halt einfach voll. Aber ich würde uns so gut es geht, von diesem Deutsch-Punk-Rock abgrenzen wollen. Das ist nicht so unser Ding. Das hören wir selbst nicht so viel und da sehe ich uns auch thematisch nicht. Und naja ansonsten, Labels: Ich glaub die sind ganz cool um sich zu sortieren und auch um nach außen zu kommunizieren. Also wenn jemand, der uns nicht kennt, fragt „Hey was macht ihr denn eigentlich für Musik?“, dann kann man das so ein bisschen eingrenzen. Aber ich glaub VAN HOLZEN ist eh so weird die ganze Zeit und verändert sich so viel, da kann man gar nicht so richtig sagen „Das ist jetzt Rock mit deutschen Texten und das wars.“, sondern es ist mal so mal so.

Wie rockig VAN HOLZEN klingen kann, beweist die Band vor allem bei ihren Live-Auftritten

picky Nadine: Klingt gut. Wie schreibt ihr denn eure Songs? Beginnt ihr bei den Texten, oder bei den Instrumenten?

Daniel: Das ist immer so ein bisschen alles gleichzeitig. Also es ist nicht so, dass man immer mit Instrumental anfängt und dann kommt der Text. Oder, dass beim Instrumental immer zuerst die Gitarre kommt oder so. Im Prozess kommt oft alles gleichzeitig. Welches Instrument beginnt ist immer ein bisschen anders, aber Text und Instrumental wachsen meistens zur selben Zeit.

Florian: Ja, stimmt. Aber es kommt selten vor, dass ich mit einem fertig geschriebenen Song, so Singer-Songwriter mäßig, mit Gitarre und Text ins Studio komme und wir dann darauf noch den Rest der Band arrangieren.

Im Zuge dessen erzählt mir Florian außerdem, wie die Texte entstehen. Sie seien zwar keine direkten Geschichten, aber Beobachtungen seien darin auf jeden Fall enthalten. Oft beschäftige sich Florian aber auch mit seinem Inneren und so entstehen mal eher melancholische und mal eher luftigere Texte. So handelt „Zeit Zieht“, ihr letzter Track, von den Ups und Downs im Leben und wie viel Schönheit diese in sich tragen.

picky Nadine: Gibt es denn etwas, was euch in letzter Zeit sehr beschäftigt hat und ihr noch loswerden möchtet?

Florian: Es gibt etwas, das die letzten Wochen immer wieder Thema war, auch bei Gesprächen mit anderen Musiker*innen: Es ist einfach so wichtig und schön, auf die Straße zu gehen und Konzerte zu spielen. Und das muss man sich einfach extrem erarbeiten. Viele hängen den ganzen Tag auf TikTok oder Instagram und versuchen einen Hype zu generieren. Das kann auch funktionieren und kann auch schön sein, aber es macht auch echt einige fertig. Ich glaube, viele würden sich da einen Gefallen tun, wenn sie hin und wieder mal rauskommen und einfach versuchen, mit den Leuten direkt zu connecten. Leider ist es nun mal schwierig, mit wenigen Followern eine*n Veranstaltende*n zu finden. Aber es gibt schon immer irgendeinen Weg. Also: mutig sein! Das Wichtigste ist, dass man sich wohl fühlt und Spaß daran hat. Weil aus Geldgründen muss man das hier nicht machen. Es muss einfach Spaß machen und den darf man sich nicht versauen lassen von irgendwelchen Social Media Companies und Algorithmen.

Jonas: Ich würde gerne noch hinzufügen, wie viele auf die Tour gekommen sind. Und dass einfach auch kleinere Bands und Artists unterstützt werden. Und dass man sich, wie Flo auch sagt, nicht nur übers Internet inspirieren lässt. Weil es gibt natürlich die Seite der Künstler*innen, aber auch die andere Seite. Und es ist auch wichtig, dass die Leute die das im Internet sehen, sich das auch im Real Life mal anschauen.

Daniel: Ich kann mich den beiden nur anschließen. Back to real life, geht mehr auf Konzerte! Und ja, hängt nicht so viel auf TikTok rum. (lacht)

picky Nadine: Na dann: Vielen, vielen Dank!

Daniel und Jonas: Danke auch!

Florian: Danke, Nadine.

„Stich für Stich“ hier auszuchecken: