Hotel Rimini (Foto: Max Threlfall)
Die sechsköpfige Band Hotel Rimini veröffentlicht diesen Freitag ihre Debüt-EP “Die Zeit schlägt mich tot, aber ich schlag zurück”. Die besungenen Befindlichkeiten pendeln sich auf den fünf Songs irgendwo zwischen (dem Wunsch nach) Verschwendung und Schwermut ein.
Hotel Rimini, das sind Paul Pötsch (Trümmer, Ilgen-Nur), Valentin Link (KUF, Monoglot), Jakob Dinkelacker (Fabian Simon & The Moon Machine), Annegret Enderle, Marianne Jordan und Sänger Julius Forster. Zueinander fanden die sechs Musiker*innen im Jahr 2020 am Stadtrand von Leipzig. Ein Jahr später gab es bereits Live Sessions von ein paar ausgewählten Songs aus dem Repertoire der EP auf dem YouTube Kanal der Band zu sehen.
Eröffnet wird die EP allerdings von einem bis dato unveröffentlichten Song: “Fassaden”. Mit den Worten “Ich steh’ zu Gast an einem Zaun / Um von hier drüben in ein Haus zu schauen” meldet sich Julius Forster das erste Mal zu Wort. Beteuert wenig später, dass er sich am Rand wohl fühle – Toco-Referenz inklusive. Aus dem nachdrücklichen „Aber hier leben, nein danke“ machen Hotel Rimini ein sanftes und dennoch bestimmtes „Aber hier wieder leben, danke nein“. Zufrieden in der Rolle des ewigen Gastes kommt eine Rückkehr in das aufgeräumte und strukturierte Leben also nicht in Frage, oder etwa doch?
Mitten im Leben oder neben sich stehen
Zeitvertrieben singt Julius Forster auf “Hapag & Lloyd” weiter über das Leben anderer, in das er verstohlene Blicke wirft. Vom erwarteten Nachwuchs über den Hausbau bis hin zur Hochzeit. Bei den anderen geht es Schlag auf Schlag und nach Plan. Die eigenen Sorgen und Bedürfnisse wirken hingegen profan. Man selbst hat mit seiner immer teurer werdender Wohnung in der Großstadt und einem weggezogenen Freundeskreis genug zu kämpfen und wird das Gefühl nicht los, seine Zeit bloß zu verschwenden.
“Deine Freunde kriegen Kinder, kaufen teures Mobiliar / Du kriegst Anfragen auf Tinder und verschwendest noch ein Jahr”
Hotel Rimini – Hapag & Lloyd
In “Arbeit und Struktur” wird die vermeintliche Konsequenz aus “Hapag & Lloyd” gezogen. Im beinahe süffisanten Unterton wird nun Struktur, die man zuvor noch erhobenen Hauptes ablehnen konnte, eingefordert. Auch wenn man sich nur begrenzt mit dem piefigen Einfamilienhaus-Leben der anderen identifizieren kann, scheint es doch Aspekte zu geben, die man in seinem tiefsten Inneren am geordneten Lebensentwurf anderer beneidet. Vielleicht sind die Ameisen im Flur der Preis, den man für das eigene Widerspiel zahlen muss. Wer weiß das schon so genau…
“Ertrunkener Pilot” kommt düsterer daher, zieht einen mit in die besungene Tiefe. Hotel Rimini klagen leeres Gerede an, attestieren sich selbst das Gefühl der Zerschlagenheit und ertränken ihre Sorgen in halbvollen Gläsern.
Das melancholische “Alles bleibt wie es war” komplettiert das Debüt der Leipziger Formation und erzählt von der Verschanzung und Entfremdung vor der Welt da draußen. Der titelgebende Slogan “Die Zeit schlägt mich tot, aber ich schlag zurück” kommt hier endlich zum Ausdruck; eine moderate Kampfansage an die eigene Ohnmacht und Zurückgezogenheit. “Alles bleibt wie es war” mutiert final zu einem ermutigenden “Nichts bleibt wie es war”. Die Worte hallen nach. Sie sind ein Versprechen, das man nur sich selbst geben kann.
“Ich hab keine Geschenke / Aber dafür zu viel Zeit / Und ich möchte mich verschwenden / Doch ich fühl mich nicht bereit”
Hotel Rimini – Alles bleibt wie es war
Fazit
Hotel Rimini ist der musikalische Ausdruck für all jene, die sich genauso wohl am Rand fühlen, wie das lyrische Ich in “Fassaden”, das schwermütig Blicke in das sorgfältige Leben anderer wirft. Dazu kommt Julius Forsters markante und unverwechselbarer Artikulierung, die die Umstände sinnbildlicher nicht ausdrücken könnte. Assoziationen mit deutschsprachigen Größen wie Element Of Crime sind naheliegend – ganz ohne Hotel Rimini je auf diesen Vergleich reduzieren zu wollen, gar zu können.
Prima facie: Trotz seiner Schwere ist der August ganz und gar nicht enttäuschend, weil es sich mit dieser EP einfacher in den Spätsommer hinein lebt.