Foto: Marco Begic
ENDLICH RUDERN inszenieren sich als Begründer der Münchner Schule. Mit ihrem empathisch ehrlichen Post-Punk rütteln sie die vermeintlich untersättigte Szene in der Bayrischen Landeshauptstadt ganz schön auf. Heute ist die Debüt-EP des Trios erschienen.
Woran denkt ihr als aller erstes, wenn ihr an München denkt? An den glorreichen FC Bayern, an die Wiesen oder etwa doch an die Münchner Musikszene? Zugegeben: Letzteres ist wohl eher unwahrscheinlich. Aber vielleicht ändert sich das nach heute. Denn mit ENDLICH RUDERN gibt es eine hoffnungsvolle Post-Punk Band aus der bayrischen Landeshauptstadt, die mit ihrer Debüt-EP Lust auf mehr macht. Scheinbar liegt es auch der Stadt selbst am Herzen ihr kulturelles Image aufzupolieren – so gehören ENDLICH RUDERN zu eine von drei Bands, die 2019 von der Stadt mit einem Stipendium für Popmusik gefördert wurde. Damit haben die Verantwortlichen ein gutes Händchen bewiesen. Denn in ENDLICH RUDERN schlummert das Potential eine Referenzband für noch viele weitere upcoming Artists aus dem bayrischen Raum zu werden, die ihre Liebe für Gitarrenmusik nicht länger unterschlagen wollen. Aber von vorne…
Münchner Schule
Klar. Fällt der Begriff „Hamburger Schule“ in einen Raum voller Musik-Nerds dauert es nicht lange, bis die Diskussionen und Schwärmereien rundum Bands wie Die Sterne und Tocotronic losgehen. Was Ende der 80er in der Hansestadt eine glorreiche Dekade für Indie-Rock und Punk einläutete, wird, zumindest in der Grundidee, gerade weiter südlich neugeboren und in ein neues Gewand getaucht. Max, Felix und Simon sind ENDLICH RUDERN und haben für ihr Bandprojekt den Genrebegriff „Münchner Schule“ für sich beansprucht. Seit 2019 veröffentlichen die drei unter diesem Branding ihre Musik. Seit heute reiht sich in die noch junge Diskografie voller Singles auch endlich eine EP ein, die den Namen „Luftschlösser“ trägt.
Die EP beginnt mit Aufbruchstimmung…
Was später in eine bittersüße Melancholie kippt (ohne dabei je das Hoffnungsschöpfende zu verlieren), klingt anfangs sorglos. „Schau an die Strände im Donaukanal, die meisten der Gedanken sind fort.“ ist der erste Satz, den wir auf „Luftschlösser“ von ENDLICH RUDERN zu hören bekommen und hört sich für mich gleichzeitig wie eine Bitte an. Die Bitte sich von dem schnelllebigen städtischen Wahnsinn auch einmal eine Pause zu gönnen.
Es wird die tagträumerische Beobachtung seiner Umwelt vertont, die selten etwas so Besänftigendes und eine Aufbruchstimmung zugleich verkörpert, wie in diesem Song. Und auch wenn „Jeder Tag [davon] schwimmt“ hält das ENDLICH RUDERN nicht davon ab, mit dem Bau ihres Luftschlosses zu beginnen. „Lass es bau’n!“ heißt es am Ende des Openers „Sand“. Ob sich der Bau lohnt? Dazu später mehr…
Richtig rauchen lernen
Der Song „9 vor der 0“ hat es mir besonders angetan und ist mein persönliches EP-Highlight. Es fühlt sich so an, als würde der Song einen erst der Kälte aussetzen, um einen schließlich mit einem warmen Mantel umhüllen zu können. Soll heißen: Hier trifft Tristesse auf Zuversicht. „9 vor der 0“ handelt davon sich nach schweren Rückschlägen zurück ins Leben zu kämpfen und für seine Träume einzustehen.
Was auf den ersten Hinhörer ein banaler Song übers Rauchen zu sein scheint, offenbart immer wieder, dass es eigentlich um etwas anderes geht. So umreißen ENDLICH RUDERN im Song subtil das Thema Mentale Gesundheit, indem sie beispielsweise dem Club 27 eine Absage erteilen. Dabei vergessen sie nicht an die Dinge zu erinnern, für die es sich zu leben lohnt. Richtig rauchen zu lernen bedeutet für ENDLICH RUDERN richtig träumen zu lernen, damit sich Sehnsüchte eben nicht mehr einfach nur in Rauch auflösen.
„Solange bis ich endlich weiß, ob etwas Leben glücklich macht / Eine 2 vor der 6 reicht mir nicht“
ENDLICH RUDERN – 9 vor der 0
„Luftschlösser“: Der Traum ist aus?
Im Titelsong ihrer EP begraben ENDLICH RUDERN die Träume, für die sie in „9 vor der 0“ noch gekämpft haben in einem Garten. „Vor zwei Wochen grub ich ein Loch in einem Garten. Dort ein Stein mit Inschrift: ‚Hier ruht Illusion‘ – Seitdem komm‘ ich jeden Abend von der Arbeit und habe mit Schlössern gar nichts mehr am Hut.“ heißt es im Outro. Ein tragisches Ende für das erbaute Luftschloss, das aber auch zeigt, dass die Beerdigung seiner Träume nicht die Lösung sein kann – nein, sogar nicht die Lösung sein darf! Denn wie ENDLICH RUDERN schon ganz richtig konstatieren: „Nicht das Herz, die Welt ist das Problem“.
Die Welt in der wir sozialisiert sind will keinen Platz für (Tag-) Träumer. Man soll funktionieren, und das bitte so effizient wie möglich. Träumen steht dieser Prämisse im Weg. Umso wichtiger scheint es, dass wir uns den Raum und die Zeit zum Träumen nehmen, damit wir am Ende nicht enttäuscht feststellen müssen, dass unsere Illusionen in einem piefigen Vorgarten begraben liegen.
„Nicht das Herz, die Welt ist das Problem.“
ENDLICH RUDERN – Luftschloss
Grand Finale: „Triff mich“
Der Closer „Triff mich“ nimmt eine unerwartete Wendung, die allerdings die Ups und Downs, die wir gemeinsam mit ENDLICH RUDERN in diesen knapp 20 Minuten durchlebt haben, akkurat widerspiegelt. Wie genau ich das meine, müsst ihr wohl selbst herausfinden. Unten könnt ihr euch die EP anhören, was ich an dieser Stelle ausdrücklich empfehle.
Und wenn ihr das nächstes Mal an München denkt, sollte sich von nun an bei euch die Assoziation zur Münchner Schule und ihren Direktoren ENDLICH RUDERN auftun. Grüß Gott oder so.
Jetzt reinhören: