„London Calling“ von The Clash jährt sich heute zum 43. Mal. Nächste Woche liegt der Todestag von Frontsänger und Gitarrist Joe Strummer bereits zwei Dekaden zurück. (Foto: Micheal Putland)
Vor 43 Jahren erschien The Clash’s drittes Album „London Calling“. Über die Doppel-LP wurde vermutlich schon alles erzählt. Doch wieso bedarf es eines weiteren Artikels dazu? Ein Kommentar über die Rolle des Musikjournalismus in einer hochpolitischen Zeit und die Suche nach dem Geist des Albums.
„London calling to the faraway towns / Now war is declared and battle comes down”, ist die Begrüßung Joe Strummers zu Beginn von “London Calling” auf einem der wohl besten Alben aller Zeiten und womit er der britischen Politik und den von ihr verursachten Zuständen den Krieg erklärt. Vor 43 Jahren erschien das gleichnamige Album über CBS Records (am 14.Dezember 1979).
Über die Doppel-LP wurde vermutlich schon alles erzählt, später ausgegraben und mit einer neuen Anekdote mehr wiedererzählt, es wurde unter die Lupe genommen und alle konnten sich darauf einigen, dass man es mit einem Meisterwerk zu tun hat. Von den einzelnen Liedern, die nach und nach die Anerkennung bekamen, die sie verdienten wie „Train in vain“ oder „Lost in the Supermarket“, bis hin zu einem der legendärsten Cover der vielleicht ganzen Rockgeschichte inklusive dessen Entstehung und der Elvis Presley-Referenz.
Doch wieso bedarf es noch eines weiteren Artikels, einer ach so essenziellen und unfehlbaren Meinung dazu? Jegliche Ketten des Musikjournalismus wurden durch Kommentare und Kritiken gesprengt, um sie dann zum 25- beziehungsweise 40-jährigen Jubiläum noch stärker durch den erneuten Erguss an Lobeshymnen zusammenzusetzen. Immer wieder wird auch auf den politischen Inhalt des Albums verwiesen, ohne aber weiter an dem Gerüst zu rütteln, womit Joe Strummer und The Clash begonnen haben. Auf „London Calling“ wird wie auf kaum einem anderen Album der Zeit der lebensgefährliche Zustand einer Gesellschaft deutlich, die auf der Intensivstation liegt.
Und das sieben Monate nach dem Amtsantritt der Eisernen Lady, die fortan für elf Jahre ebendieses innehaben sollte. In den letzten zwölf Jahren folgte in Großbritannien Tory auf Tory. Eine Maggie Thatcher ersetzte nach einer äußerst explosiven Amtszeit eine andere Maggie Thatcher. Während sich die britischen PremierministerInnen durch ihren Kurs darin messen zu scheinen, wer arme Menschen denn jetzt mehr verachtet und ihnen das Leben zur Hölle auf Erde machen kann, spitzen sich die Zustände – wie auch in Deutschland – durch Inflation, Energiekrise und den zusätzlichen Brexit-Auswirkungen im Allgemeinen weiter zu.
Man fragt sich, was aus der Kriegserklärung wurde, die einst den Zeitgeist einer ganzen Schicht und Generation auf den Punkt brachte. Die Löhne sinken, die Kosten steigen und statt drei werden bis zu 14
Millionen Briten sehenden Auges in die Armut stürzen, sollte es keinen drastischen Politik-Wechsel geben. Großbritannien erlebt den größten Rückgang der Reallöhne seit 1977 – The Clash sangen damals auf ihrem Debütalbum „White Riot“, die Hochphase des Punks und der gesellschaftlichen Unzufriedenheit aufgrund der sozioökonomischen Zustände.
Joe Strummer sah sich selbst als Sozialist, The Clash wurden immer durch ihre Themen und Aussagen der radikalen Linken zugeordnet. Am 22. Dezember jährt sich der Todestag des Frontmanns zum zwanzigsten Mal und es kommt unweigerlich die Frage auf, womit er einen heute auf einem Album begrüßen würde. Streng genommen bedarf es keiner weiteren unfehlbaren Meinung zu „London Calling“. Vielleicht bedarf es aber einer neuen Stimme, die im Geiste Joe Strummers und des Albums, der Politik und den von ihr verursachten Zuständen den Krieg erklärt.