Foto: Felicitas Boell, Logo: Neue Wellen
Feuerspuckende Metallskulpturen zieren den Ort des Geschehens, das Schild „Neue Wellen“ hängt über dem Eingang und es erklingen Indie-Wave-Pop-Tunes. Eine ungewöhnliche Soundkulisse für das Kölner Odonien, das eigentlich vor allem für seine Techno-Partys bekannt ist. Dennoch: Für die zweite Auflage des Festivals „Neue Wellen“ hätte es am letzten Juli-Samstag keine geeignetere Spielstätte geben können. Den detaillierten Bericht gibt es hier.
Die ersten neuen Wellen erklingen
13:30 Uhr: Jean Baker eröffnen mit insgesamt sechs indie-folkigen Songs das Tagesfestival. Dabei werden bekannte und unbekannte Tracks gespielt und sogar Lieder auf Deutsch gesungen. Auch die Sonne kommt heraus und die Gegebenheiten machen es den Besucher*innen leicht, auf dem Festivalgelände anzukommen und die familiäre Stimmung aufzusaugen.
5, 6, 7, 8 und Pose!
Abgelöst werden die Kölner Musiker mit überzeugendem Kontrastprogramm von Ben und Annika von Rave Aerobic. Im Stil alter Sport-Workouts auf vergessenen VHS-Kasetten werden die Besucher*innen motiviert, gemeinsam zu Songs von (u.a.) Blond oder futurebae zu tanzen. Das Besondere: In den kleinen Choreografien stecken wichtige Messages zu Themen wie Feminismus und Selbstliebe. Eingängige Tanzschritte gepaart mit passenden Bewegungen verwandeln die Menge innerhalb der nächsten 45 Minuten zu authentischen Aerobic-Raver*innen.
„Fernsehgarten, seid ihr da?“
Ein Rosenkavalier betritt die Bühne und feiert seine Präsenz ironisch (und verheißungsvoll) selbst. Und während er lässig auf die Bühne joggt, tun die Besuchenden ihm dies nach und gesellen sich bis kurz vor den Bühnenrand. Nur mit MacBook und Mikrofon bewaffnet spielt Ein Rosenkavalier, der mit bürgerlichem Namen Dominik heißt, sein Set, getragen von der Textsicherheit der Menge. Entsprechend den Erwartungen findet viel Interaktion mit den Besuchenden statt — in treuer Anlehnung an Auftritte von großen Schlagerstars. Fernsehgarten eben. Während er mit seinen Songs treffsicher den Bann auf sich zieht, fängt es, als sei es Teil seiner Show, bei „Wolkentanz“ an zu regnen.
Brendas Energie feuert Blitze
Drei Frauen betreten die Bühne und stellen sich rücklinks zum Publikum auf. Eine der drei Frauen ist Brenda Blitz. Der Beat setzt ein und langsam rotieren die Drei gen Menge. Wie man es bereits von der Musikerin kennt, gleichen Brenda Blitz‘ Konzerte vielmehr einer durchkomponierten, mitreißenden Show. Energetisch liefert die Wahl-Berlinerin an diesem Samstag Ohrwurmsong um Ohrwurmsong.
Nadine Primo über die Tatsache, dass Konsens sexy ist
Für die einzige Lesung an dem Festivaltag öffnet sich Odoniens Wintergarten. Dort sitzt Nadine Primo, freie Autorin und Kolumnistin, auf der Bühne und ließt aus ihrem diesjährig erschienenen Werk „Konsens ist sexy. Von persönlichen Grenzen und weiblicher Lust“. Im Anschluss folgt ein inspirierendes Gespräch mit Anne Pfund über Themen wie veraltete Geschlechterrollen, die eigene Sexualität und das Setzen von Grenzen.
Eine Nadelstreifen-Krawatte, ein weißes Hemd, ein Keyboard
Das Set-up ist klein, die Sounds und Theatralik umso größer. Luis Ake bringt neben wilden Bewegungen vor allem neue Wellen und den Puls der Zeit auf die Bühne. Wie viel Herzblut in seinem Musikprojekt steckt, bestätigt er immer wieder, indem er sich beim Singen an das eigene Herz fasst, um danach mit viel Passion die nächsten Worte ins Mikrofon zu rufen. Und obwohl seine Nadelstreifen-Krawatte im Laufe des Sets, ähnlich wie die Regentropfen, fällt, bleiben Luis Akes Worte.
Großbritannische Vibes straight from Donkey Kid
Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen die vier Donkey Kids seien für ihre Show am Samstag extra aus Großbritannien eingeflogen. Anstelle dessen steht gegen 19:30 Uhr der aus Steglitz stammende Juri aka Donkey Kid mit seinen drei Bandkollegen auf der Bühne. Sie holen die Zuhörerschaft mit ihren Indie-Klängen ab und nehmen uns mit auf eine Reise in raues Gedanken-Wirrwarr. Auch die Tatsache, dass während der Show eine Saite von Juris Gitarre reißt, kann der runden Performance nichts anhaben: Mit einem kurzen Überbrückungs-Jam erhalten die Drei (Juri, der Vierte, ist schließlich mit der Organsation einer Ersatz-Gitarre beschäftigt) die Stimmung aufrecht, bis es dann in bekannter Formation mit geliehener E-Gitarre weitergeht.
Nickende Köpfe und wippende Knie bei futurebae
Warum „ja“ sagen schön, aber „nein“ sagen in manchen Momenten noch viel schöner ist, erklärt uns futurebae während ihrer, der letzten, Show des Festivaltags. Mir ihrer Ja/Nein-Thematik bezieht sich die Musikerin auf Sexismus, denn „der ist immer scheiße, Ende der Ansage.“ Kurz darauf regt sie die Menge an, als Zeichen der Solidarität ihre Mittelfinger gegen sexuelle Übergriffigkeit in die Luft zu strecken. Aber futurebae kann nicht nur Ernst, sondern auch für ziemlich gute Stimmung sorgen. Dies beweist sie mit ihrem Track „Sektfrühstück“ (feat. Dilla), vor welchem sie sich auf der Bühne von einer Besucherin die Sektflasche um die Ohren knallen lässt. Als sie kurz darauf „Immer Sommer“ (feat. Tropikel Ltd) zum Besten gibt, formt sich die Menge zu einem hüpfenden Ball aus Menschen. Kein Wunder, dass es zum krönenden Abschluss in der Zugabe sogar noch einen Moshpit gibt.
Bis bald, „Neue Wellen“!
22:00 Uhr: Auch neue Wellen ebben irgendwann ab, so auch dieses Festival. Ziemlich kurzweilig geht so auch der letzte Samstag im Juli vorbei. Und damit auch ein sehr schönes und safe-spaceiges Festival mit guter Musik (und mehr als guter Playlist für die Umbau-Pausen).
Die Playlist zur zweiten Edition von „Neue Wellen“ gibt es hier: