Ausbrechen mit System: Fließende Genregrenzen mit Sharktank in Köln 

Sharktank live in Köln (alle Fotos im Artikel: Jenni Repp)

Innerhalb einer Woche waren sie in der Schweiz, Paris, London, Dublin, Amsterdam – und an Tag sieben haben sie dann die Bühne eines ehemaligen Fabrikareals in Köln zum Beben gebracht. Wir waren dabei, als das österreichische Trio Sharktank mit ihrem neuen und dritten Album „3“ gezeigt hat, wie sich kontrolliertes Ausbrechen aus Genres anhören kann.  

Es ist eine der Locations in Köln, bei denen zwei Spaßgetränke noch keinen zweistelligen Betrag kosten. Pfand inklusive. Als ich ankomme, bringt bereits das Kölner-Duo EESE mit seinen experimentellen und künstlerischen Visuals eine ganz besondere Atmosphäre in den Raum. Die langjährigen Freunde Max (Gitarre und Synthesizer) und Luca (Vocals und Synthesizer) bereiten uns darauf vor, was in den nächsten Jahren in unseren Indie-Playlisten immer öfter auftauchen könnte: experimentelle Elemente aus Indie, Alternative und Electro, die es schaffen, dass sich ein Song wie eine kurze Flucht aus der Realität anfühlt.

„I can’t turn my emotions off, look after my thoughts a lot“ singt Luca mit melancholisch-kraftvollen Vocals zwischen lauten Electro-Beats in einem ihrer bekanntesten Songs „Move on“. Und auch meine Emotionen sind in diesem Moment nicht abgestellt, aber das Duo hat es geschafft, sie mit Leichtigkeit zu füllen und meine Gedanken im Moment verweilen zu lassen, ohne an morgen zu denken.

Voracts haben es verdient, gesehen und gehört zu werden – das hat auch die Crowd gecheckt. Erst als die letzten Töne vom Synthesizer und die langgezogenen Gitarrenakkorde im Raum verklingen und das Duo sich für die gute Zeit bedankt, zieht es die Ersten nach draußen, auf eine Kippe unter dem Bierschirm. Könnte ich mich auf einen Dienstagabend dran gewöhnen. 

Als der Konzertsaal plötzlich wieder fast leer war und nur noch die Stimmen von draußen hinein driften, richtet Sharktank bereits ihr Bühnen-Set-up her – bis sie wieder im Backstage verschwinden. Der Raum liegt noch halb im Dunkeln, als die Soundinstallation die Crowd sofort in ihren Bann zieht: Einzelne Piano Töne, akustisch und hallverzerrt treffen auf leise, vibrierende Elektronik. Ein Klang, der irgendwie direkt Sharktank ist: zwischen Glitch und Gefühl. Der Albumname „3“ verrät nicht nur, dass das Trio aktuell mit ihrem dritten Album tourt, sondern auch,  dass sie als Trio musikalisch kaum unterschiedlicher sein könnte: Katrin bringt Synth-Pop-Fun mit, Mile seine Rap-Parts und Hip-Hop-Einflüsse und Marco experimentiert mit Samplings, Texturen und auditiven Kontrasen. Auf der Tour begleitet sie Bassist Tobias, der hier definitiv seine Credits kriegen sollte! 

Mit ihrem Opener „neon screen“ setzen sie direkt ein Statement: Kapitalismuskritik im Indie-Pop-Format, umhüllt von Elektro-Beats, einer übersteuerten Gitarre und Drums, die es auf den Punkt bringen. „I found god on a neon screen“ hallt durch den Raum wie eine Selbstdiagnose des digitalen Zeitalters. Von Beginn an bringen sie so eine Energie mit auf die Bühne, dass sie schon jetzt mehr Schritte gemacht haben als ich den gesamten Tag über. „Feeling like im falling“ singt Katrin, während sich der Beat langsam herantatstet und Mile passend zum Song fast schon verträumt die Rassel rhythmisch mitschwingt, bis er in seinen sanften Rap-Part übergeht. Sie singen über das Verlorengehen in Pop-Songs, die voller Klischees sind – und wie befreiend genau dieses Gefühl, diese Flucht in eine Love-Story, die eigentlich überhaupt gar kein Potential hat, manchmal sein kann. 

Dann ein kurzer Sprung zu älteren Songs, die zwar eher elektronisch geprägt sind, aber auch ihre ganz eigenen melodramatischen Geschichten erzählen. Kreative Visuals auf den Leinwänden, die zur Atmosphäre beitragen, braucht es nicht einmal – das schafft die Band auch so. Während sie „dangerous“ und „i’m right here“ aus ihrem neuen Album spielen, taucht die Bühne in himmelblaues Licht, so intensiv, dass sie Band fast darin verschwindet. Alles fühlt sich träumerisch an, tranceartig, und Shartktank wirken so sehr bei sich, dass sich das Konzert weniger nach Performance und mehr nach Fun unter Freund*innen anfühlt. Katrin kniet mit ihrer Gitarre zu Boden, während Mile im Kreis hüpft und Tobias mit seinem Bass umbunden seinen Kopf zu Marcos Schlägen auf die Drums bewegt. 

„I’ve been sleeping, dreaming, crawling, creeping, aweating, bleeding, anything I can. I’ve been waiting for you“ – diese Zeilen aus ihrem 2023 veröffentlichten Song „Sleeping“ in Kombination mit sanften Drums und Bass-Tönen bringen Ruhe ins Publikum. Es fühlt sich an, als würde jede Person gerade in ihrer eigenen Welt sein und auch wenn nicht gewollt, bewegen sich die Körper fast schon automatisch zum Rhythmus. Bis auch hier die Drums reinhauen und „I’ve been waiting for you“ von Katrin ins Mirko geschrien wird. Die Schreie werden immer lauter und die Sprünge in der Menge härter, und selbst als sie das Mirko sinken lässt, trägt ihre Stimme den Raum. Wut, Katharsis, pure Energie.

Sie selbst sagen, auf diesem Album klingen sie so sehr nach sich selbst wie nie zuvor – und ihr Live-Auftritt  hat genau danach ausgehen und geklungen. Nach einer Band, die darauf scheißt, in welche vermeintliche Genre-Schublade sie vielleicht gesteckt wird. Sondern mit Lyrics, Sounds und Samplings so lange experimentiert, bis es sich einfach richtig anfühlt. Vielleicht ist es genau das, was Sharktank ausmacht: dieses Gefühl, im Chaos kurz Klarheit zu finden. Denn sie klingen nach allem, außer Stillstand. 

Hier könnt ihr direkt in ihr Album “3” reinhören:

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