JPD im Interview über „Feelings“ und Männlichkeit

Pressebild JPD

Foto: Aline Pape

JPD hat heute seine EP „Feelings“ herausgebracht. 3 Jahre nach seinem letztem Album, widmet er sich hier auf 5 Songs den ganzen Gefühlen in seinem Kopf und allem was da so dran hängt. Picky Basti hat sich mit ihm verabredet, um ein bisschen über Emotionen, Männlichkeitsbilder, Bücher und seine neue Musik zu quatschen.

picky Basti: Wie geht‘s dir?

JPD: Mir geht’s gerade ziemlich gut. Ich hab‘ viel zu tun, aber das Jahr ist gut losgegangen. Ich fühl mich ganz gut.


picky Basti: Was war die Inspiration für die neue EP? Gab es eine? Oder hast du einfach drauf losgelegt und Feelings  ist dabei herausgekommen?

JPD: Ich glaube die große übergeordnete Inspiration war zwangsläufig Corona beziehungsweise alles was daran hing. Ich lebe alleine und ich war einfach sehr viel einsam. Ich hatte keine gute Zeit, mir ging’s nicht sonderlich gut. Es war eine Zeit von vielen Prozessen, die ich durchlebt habe und dann gleichzeitig noch diese große globale Unsicherheit – Was passiert hier eigentlich gerade? Das ist ein großer Einfluss für diese 5 Songs gewesen.


picky Basti: Die zwei Themen die in deiner EP für mich sehr präsent sind, sind mentale Gesundheit und toxische Männlichkeit bzw. Gender Konstrukte. Spielen diese Themen für dich zusammen?

JPD: In meiner Therapie ging’s im Kern darum für mich den Zugang zu meinen eigenen Emotionen zu finden, da einen besseren Verlass drauf geben zu können. Daraus abgeleitet besser für seine eigenen Bedürfnisse einstehen zu können und das ist, wenn man sich ein bisschen in die Thematik reinliest, etwas was häufig mit sozialisierten Männern einhergeht. Also keinen guten Zugang zu sich selber, zu seinen Emotionen zu haben und im Zweifel nicht den Mund aufkriegen, sich anderen nicht anvertrauen, dieses „seinen Mann Stehen“ und so weiter. Dieses Ganze, ich benutz mal das Modewort „toxische“, was da eben dranhängt. Aber so programmatisch war das überhaupt nicht, das waren einfach verschiedenen Prozesse, die mich da beschäftigt haben zu diesen Zeiten.


picky Basti: Du hast gerade gesagt, dass „toxisch“ für dich ein Modebegriff ist…

JPD: *fällt ein* Ne, das Wort „toxisch“ ist in aller Munde. Grundsätzlich finde ich, ist das etwas sehr, sehr Wichtiges und Gutes und will das weder auf die Mental Health oder die Männlichkeitsbilder abwerten. Es ist etwas sehr, sehr Gutes, dass das gerade immer mehr im Fokus ist, nur ich glaube dieses Wort „toxisch“ wird sehr häufig benutzt und verliert dadurch etwas an Trennschärfe.


picky Basti: Du hast ja schon gesagt, dass für dich dieses „seinen Mann stehen“ ein krasses Thema war. Würdest du sagen, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das du für dich selbst widerspiegeln konntest?

JPD: Ja oder andersrum gesagt. Ich hab mit Hilfe der Therapie festgestellt, dass auch wenn ich mich vermeintlich als progressiv empfunden habe, dass ich trotzdem viele Anteile habe. Ich bin auf ´nem Dorf aufgewachsen, war 16 Jahre im Fußballverein und so weiter. Da bekommt man schon einen großen Kübel an Männlichkeitsbildern, die man – ob man will oder nicht – erstmal unhinterfragt adaptiert und erst in einer Auseinandersetzung die dann stattfindet wird man sich überhaupt gewahr, dass natürlich vieles Scheisse ist und für Leid bei anderen Menschen sorgt, im Zweifel aber vor Allem dir selbst irgendwann auf die Füße fällt. Wenn’s dir über einen längeren Zeitraum nicht gut geht und du das aber aus irgendwelchen Gründen – gewollt oder nicht gewollt – nicht offenbaren kannst, dann erhöht das deinen Leidensdruck. Eben weil ich in diesen Jahren grundsätzlich viel über diese Themen gelesen habe, weiss ich dass das etwas ist, was auch die Studien und die Wissenschaft sagt: Ok, persé ist in diesem Bild von Männlichkeit, in dem wir unsere Jungs aufziehen, ist das etwas was dir überall begegnet.

Das Artwork der neuen EP „Feelings“

picky Basti: Was würdest du Menschen empfehlen, die sich bis dato noch nicht damit auseinander gesetzte haben? Ist es dir wichtig darüber aufzuklären oder hat sich das einfach nebenbei ergeben?

JPD: Mir ist nicht wichtig in irgendeiner Form ein Apostel zu sein oder irgendwas. Ich war mit mir einfach grundsätzlich und in der Theorie über all die Sachen gar nicht bewusst. Ich kann einfach nur widergeben, dass mir das insgesamt für meine Entwicklung sehr geholfen hat und nach wie vor hilft, sich grundsätzlich damit auseinanderzusetzen. Wenn du einmal angefangen hast, dich damit auseinanderzusetzen, dann kannst du damit auch nicht mehr aufhören. Dann siehst grundsätzlich die Ungerechtigkeiten, die damit einhergehen, die Probleme, die damit einhergehen und dann kann man nicht sagen: Ok, ich klapp das wieder zu.
Das ist ein Buch, wenn’s einmal offen ist, dann ist es offen. Ich kann nur empfehlen es zu öffnen, eben aus eigener Erfahrung. Ich will niemanden missionieren, aber ich finde das ist etwas sehr Bereicherndes; diese Perspektive aufzumachen und sich dahin gehend zu reflektieren und auch zu entwickeln.


picky Basti: Du liest viel, du teilst auch auf Instagram ab und zu Bücher. Hast du Buchempfehlungen?

JPD: Ganz aktuell, das ist in aller Munde: Daniel Schreiber – Allein.
Das hat wenig bis gar nichts damit zu tun, was Männlichkeit angeht, hat für mich aber diese Zeit, in der die EP entstanden ist, nochmal komplett zusammengefasst. Die letzten zwei Jahre, dieser Wind der da geweht hat, dieses viele Einsam- und Alleinsein und insgesamt einfach kluge Gedanken.

Das erste Buch, dass ich zum Thema Männlichkeitsbilder gelesen habe, was aber auch ein bisschen einsteigermäßig ist, ist Sei kein Mann von JJ Bola. Ich würde sagen, dass das insgesamt ein guter erster Einstieg in die Thematik ist, aber vieles auch eher nur oberflächlich berührt. In meinem Fall hat es auf jeden Fall dafür gesorgt, dass ich gemerkt habe: I’m onto something.

Letztes Jahr im Januar, das war auch ein ganz entscheidender Moment für die EP, bin ich vollkommen auf Erich Fromm – Kunst des Liebens abgefahren. Was natürlich auch hochproblematisch ist, gerade was er da zu Homosexualität sagt, aber im Kern, seine Schilderung was Liebe eigentlich ist wie man daraus resultierend lieben sollte beziehungsweise sein Leben begehen sollte… Das muss man ein bisschen abstrahieren können. Also nicht unbedingt ´ne Leseempfehlung, aber das hat auf jeden Fall bei mir krass gevibet und voll das letzte Jahr geprägt.

Şeyda Kurt – Radikale Zärtlichkeit, schönes Buch!

picky Basti: Du hast 2 Jahre an der EP gearbeitet. Wie verlief der Schaffensprozess?

JPD: Ich hatte das latente Gefühl die ganze Zeit eigentlich nichts zu haben. Dann hat sich irgendwann herauskristallisiert – Bruce T, ein sehr guter Freund der auch letztes Jahr drei Monate bei mir gewohnt hat, mit dem ich das produziert habe; wir haben immer wieder gearbeitet, Sachen produziert und ich war trotzdem so: Was machen wir da eigentlich?
Irgendwann hat’s ein bisschen Klick gemacht, ich glaube tatsächlich mit dem Song Feelings. Und dann waren das so Teile die sich angesammelt haben. Bei Oh Boy war der Refrain und die Idee da – den hab ich angefangen nachdem ich Sei kein Mann gelesen habe – dann hab ich irgendwann gesehen: es ist ja gar nicht Nichts was ich habe. Das war dann so ein bisschen das Zusammentragen, eine Weile Produzieren mit Tilmann (Bruce T), aber das war auch überschaubar. Im Sommer letzten Jahres haben wir sie dann in den Mix gegeben.

picky Basti: Dann hast du das meiste zuhause produziert?

JPD: Alles im Wohnzimmer produziert.


picky Basti: Deine Musik ist seit deinem letzten Album Auf den großen Knall politischer geworden. Ich hatte das Gefühl schon bei der Single 1,5 Grad, die du letztes Jahr herausgebracht hast. Ich habe mich gefreut, dass da endlich mal wieder jemand ist, der Themen ausspricht. Ich weiss nicht ob du den Anspruch hast politisch zu sein, du hast ja vorhin schon gesagt, dass du kein Moralapostel sein willst und es dir nicht darum geht jemanden zu belehren, aber du sprichst Sachen ja direkt aus. Ist dir das wichtig?

JPD: Ich war damals kein unpolitischer Mensch, aber ich bin auf jeden Fall auch und besonders durch die Stadt die in ich gezogen bin – Leipzig – noch mal ganz anders politisiert worden, mit ganz anderen Menschen konfrontiert worden, mit ganz anderen Themen. Ich will nicht sagen, dass ich mir meiner Sache, der ich da bin, sicher bin – im Gegenteil. Also in diesem Songwriting und Ding, sondern es ist nach wie vor jedes Mal so: Wie macht man das jetzt. Aber ich bin mir klarer darüber, dass ich meine Haltung, gerade meine politische Haltung, nicht isoliert davon betrachten kann. Es ist immer wieder ein Suchen und eben genau diese Pole aus kein Zeigefinger und so weiter… Dann hab‘ ich letztens irgendwo gelesen, das fand ich ganz cool… Ich glaube Danger Dan hat gesagt, dass politische Songs so schlecht altern. Was auch einfach sehr wahr ist. Also diesen Grad an Haltung und politischer Haltung zu finden ist irgendwie nicht immer einfach, aber ich fühle mich mit den Songs ganz gut. Die sind politischer, ohne in sich tagespolitisch zu sein. Darüber bin ich eigentlich gerade ziemlich glücklich, wie das da jetzt so getroffen wurde.

JPD (Julian Philipp David) fotografiert von Aline Pape

picky Basti: Was würdest du deinem alten Ich gerne mal mitgeben?

JPD: Es ist okey, wie du bist. Ich glaube ich habe sehr viel Zeit darauf verwendet und sehr viel damit gehadert, wer ich bin oder was ich nicht bin und wie ich sein möchte.


picky Basti: Ist das auch das, was du dir Wünschen würdest, dass deine Hörer*innen das aus der EP mitnehmen?

JPD: Also wär‘ ja schön. Ich glaube grundsätzlich weich zu sich selbst zu sein, nachgiebig mit sich selbst zu sein. Das ist glaub ich ein ganz, ganz großer Schritt zu mehr Gefühl, zum Lebensglück und wenn das der Beitrag ist, wenn das Leute hören, dann wäre ich mehr als glücklich. Aber ey, was auch immer die Leute mitnehmen, so soll‘s sein.


picky Basti: Was ist für dich das präsenteste Feeling auf der EP?

JPD: Einsamkeit oder das was da dranhängt. Damit einhergehend auch ein Abgeschnittensein, sprichwörtlich auch von seiner Umwelt, die ausbleibenden Konzerte, überhaupt irgendwie so’n aufeinanderprallen von Menschen, was immer voll wichtig für mich ist und war. Überhaupt auf andere Menschen treffen, mit Menschen reden, davon irgendwie beeinflusst sein. Das Vorherrschende. Feelings ist für mich Gefühlsoverload in alle Richtungen und dieses Gefühl von: Jetzt muss ich irgendwo aufprallen, jetzt werde ich irgendwo aufprallen.


picky Basti: Wie fühlt es sich für dich an sich emotional nackt zu machen mit der EP?

JPD: Ich glaube ich kann sagen, es fühlt sich somehow sehr befreiend an. Es ist insgesamt wie wenn man anfängt – besonders als Typ – mal den Mund aufzumachen, sich zu artikulieren. Es ist nicht unbedingt gemütlich, aber es entstehen auf jeden Fall auch Sachen daraus. Ich habe ein sehr distanziertes Verhältnis zu meinem Vater und jetzt habe ich einen Brief bekommen. Ich habe beim Aufmachen schon gedacht: Ich wette, dass er Bezug nimmt auf die „meist nicht da“- Zeile. Ich habe ihm die davor nicht gezeigt. Es scheint gerade so, als ob daraus gerade ein neuer Dialog entstehen kann und entsteht. Das ist für mich sinnbildlich ein bisschen das was passiert, wenn man offen spricht. Das ist in meinem Fall bezogen auf die Musik, erstmal ein befreiendes Gefühl, weil man sich offenbart hat. Ich fühle mich sehr verstanden, auch in Nachrichten, die ich bekomme, in den Reaktionen darauf. Das ist etwas, das ich nicht missen möchte.

In „Oh Boy“ findet ihr die Zeile, von der Julian gerade geredet hat.

picky Basti: Bist du bereit wieder auf der Bühne zu stehen?

JPD: Mein letztes Konzert war Dezember 2019, war ein richtig geiles Konzert. Ich bin ursprünglich in Freiburg aufgewachsen, das war so ein Heimspiel Konzert, ausverkauft, ein richtiges sickes Konzert, geile Aftershow Party. Es war auch meine letzte richtige Party, zumindest bis zum Morgengrauen. Ich war immer sehr unbedarft und bin einfach auf die Bühne und hab‘ nie groß nachgedacht. Ich hatte keine Bühnenangst oder sowas. Und manchmal denk ich mir so: Boah es ist soviel passiert in den letzten Jahren, ich hab mich so viel verändert und denke so viel nach; vielleicht kann ich das gar nicht mehr so. Vielleicht bin ich, wenn das dann wieder ein Thema ist, todesnervös. Und gleichzeitig fühlt es sich super weit weg an. Ich freu mich auf den Punkt, ich freu mich sehr darauf, ich bin sehr gespannt wie das sein wird. Ich kann keine Prognose wagen.


picky Basti: Welcher ist dein Lieblings Song auf der EP?

JPD: Ich würde gerade impulsiv den Song auswählen, der am wenigsten ein richtiger Song ist: Gurr. Der ist für mich eigentlich fast wie ein Skit oder ein Outro, aber irgendwie hat der nen Vibe. Ich bin nach wie vor sehr happy mit Himmelblau, das war einen Herzensding, aber ich mag da eigentlich gar keinen Song so sehr herausheben. Gurr wird wahrscheinlich der underratedste Song sein.


picky Basti: Favourite Nagellack?

JPD: Flieder-Lilac. Ich mag Gold, der kommt geil mit Schmuck. Ansonsten bin ich bei Pinktönen, Pastell und Flieder.


picky Basti: Zum Schluss gibt’s bei uns immer einen Blank Space, an dem du unseren Leser*innen mitteilen kannst, was du möchtest.

JPD: Passt auf euch auf, bleibt gesund und stay soft!

Mehr zum Thema findest du hier.