Bombay Bicycle Club – the boys are back!

Nachdem letztes Jahr das zehnjährige Jubiläum von I Had The Blues But I Shook Them Loose anstand, merkten die vier Londoner Musiker, wie sehr ihnen das gemeinsame Musikmachen fehlte. Wenn das kein schöner Grund ist, ein neues Album aufzunehmen, dann weiß ich auch nicht weiter. Am 17. Januar 2020 haben Bombay Bicycle Club ihr fünftes Album Everything Else Has Gone Wrong veröffentlicht und Picky Franzi hat es für Dich genauer angeschaut.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich letztes Frühjahr überhaupt nicht mitbekommen habe, dass die vier Jungs vom Bicycle Club nach knapp fünf Jahren an einem neuen Album arbeiten. Umso mehr habe ich mich dann gefreut, als Ende August (für mein uninformiertes Ich überraschend) die erste Singleauskopplung Eat, Sleep, Wake (Nothing But You) veröffentlicht wurde. Das war wie ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk für mich. Spätestens als ich den Auftritt der Band beim PULS Festival in München Ende November gesehen habe, konnte ich das neue Album kaum noch erwarten. Und jetzt sitz ich hier, höre es auf Repeat und ihr dürft meinen Senf dazu lesen 🙂

Frischer Wind bei Bombay Bicycle Club

Ganz sanft fängt der erste Track an, der passenderweise Get Up heißt, und schafft so einen ruhigen melodischen Einstieg in das Album. Ist ganz schön, aber irgendwie hatte ich zu Beginn schon etwas mehr Energie erwartet. Aber ich sollte nicht zu voreilig urteilen, denn die tiefen Gitarrenklänge lassen nicht lange auf sich warten. In den kurzen zweieinhalb Minuten, die der Song braucht, kommen immer mehr Instrumente dazu – eine wilde Mischung aus vielschichtigem Gesang, bis kurz vor dem Ende nur noch der Nachhall und ein Klavier zuhören sind. Viel gesagt wird in diesem Stück nicht, aber das braucht es auch gar nicht.

Der nächste Song ist schon eher das, was ich erwartet hatte. Is It Real kommt mit einem super eingängigen Gitarrenriff daher, wie man es von Bombay Bicycle Club kennt. Thematisch ist der Song eine kleine Reise in die Vergangenheit. Es geht um das Schwelgen in Erinnerungen und die Frage, wieso die ganzen schönen Momente neben Alltagsverpflichtungen verschwimmen und die Zeit nur so verfliegt. Damit spricht, beziehungsweise singt, Frontmann Jack Steadman mir voll aus der Seele. Und das sage ich, die grade mal Mitte zwanzig ist, immer noch studiert und eigentlich nur für sich selbst sorgen muss haha. Aber auch hier schaffen es BBC traurige und nachdenkliche Texte mit einer super catchy Melodie zu kombinieren.

Der namengebende Song Everything Else Has Gone Wrong beginnt mit einem tiefen Gitarrenriff und die Stimmlage, in der gesungen wird, bleibt erstmal ziemlich monoton. Ich finde, das baut irgendwie eine gewisse Anspannung auf. Ich will jetzt nicht zu viel reininterpretieren, aber das spiegelt für mich schon auch das Thema des Songs ganz gut wider. Dass man, wenn alles andere schief geht, in der Musik ein Ventil findet oder auch eine Möglichkeit, mit der man wieder neue Energie tanken kann. Wenn sich nach dem zweiten Refrain mit den Worten „I guess I found my peace again and yes I found my second wind“ diese düstere Stimmung vom Anfang des Songs auflöst, bringt das auch gut rüber, was die Band mit der Wirkung von Musik verbindet oder meint. Weil mal ehrlich, wie froh sind wir alle, dass BBC ihren „second wind“ nach knapp vier Jahren Pause wiedergefunden haben!

Übrigens: beim PULS sind spätestens ab diesem Teil im Song alle mit gesprungen! Das hat, finde ich, ganz gut gezeigt, dass BBC auch mit den neuen Songs ihre Fans immer noch mitreißt.

Gemeinsam durch die Quarterlife-Crisis

Treibende Drums eröffnen den vierten Song, mit der warmen und ruhigen Stimme von Jack Steadman. In I Can Hardly Speak hört man im Hintergrund ein tiefes Blasinstrument (Posaune? don’t know), die halligen Effekte auf dem Gesang nach dem zweiten Refrain lässt den Song auf eine Art leicht klingen. Nachdenklich und grübelnd („I got that ego, what do I know“) wirken die Lyrics hier, aber in der Kombination mit warmen und lockeren Synthies und Drums wirkt das ganze garnicht so schwer.

Eher ruhig beginnt der nächste Song. In Good Day ist der Fokus mehr auf dem super ehrlichen und emotionalen Text. Und die Stimmung kommt grade auch voll bei mir an, irgendwie melancholisch. Diejenigen von uns, die ihre Quaterlife Crisis schon erreicht haben, können die Textzeile „I just wanna have a good day and it’s only me that’s standing in my way“ bestimmt gut nachfühlen. Zumindest geht mir das so. Aber trotz des deprimierend klingenden Inhalts, schafft es der Song irgendwie ein warmes Gefühl auszulösen und einen nicht komplett hoffnungslos da stehen zu lassen. Vielleicht liegt es auch daran, wie charmant manche Zeilen geschrieben sind, wie zum Beispiel “First my looks and now my friends/ Day by day I’m losing them, losing collagen, losing elastin“ – ich mag’s sehr.

Kommen wir nun zu dem Song, den ich mit am liebsten mag. Wie oben schon erwähnt, wurde Eat, Sleep, Wake (Nothing But You) schon Ende August des letzten Jahres als erster Einblick in das neue Album veröffentlicht. Synthies, wuchtiger Bass und ein eingängiges Gitarrenriff – Bombay Bicycle Club ist zurück und ich bin in love. Es klingt sehr nach dem Sound, mit dem uns die Band zurückgelassen hatte. Und dabei schwingt eine so schöne Sehnsucht mit – nach jemanden, den man die ganze Zeit im Kopf hat und von dem man nicht loskommt.

Sorgenvoll, dafür aber mit weiblicher Unterstützung  

Mit Rasseln und einem Sound, der irgendwie nach einem gesampelten Schluchzen klingt, beginnt der Song I Worry Bout You. Hier beschäftigt sich die Band mit Sorgen, untermal diese aber mit leichten Klängen, Trompeten und fröhlichem Hintergrundgesang. Mir persönlich gefällt der Song nicht so gut, weil mich das zu Beginn erwähnte Schluchzen und Rasseln auf Dauer irgendwie stört.

People People trifft mit den Gitarren gleich am Anfang schon wieder mehr meinen Geschmack. Der Einstieg erinnert mich stark an Bubbles von Biffy Clyro – aber das nur mal so als Randbemerkung. Für diesen Song haben sich Bombay Bicycle Club mit Liz Lawrence weibliche Verstärkung geholt. Liz war auch bei dem Auftritt im November mit den Jungs unterwegs und hat sie auf der Bühne unterstützt.  Was ich an diesem Song wirklich schön finde ist der Aufbau. In der ersten Strophe besingt Jack die Situation, wie er einen Brief schreibt, weil er eine Person nicht aus dem Kopf bekommt. In der zweiten Strophe folgt die Antwort von Liz, der es genauso geht. Das Stück endet damit, dass die beiden den letzten Refrain mit den Worten „and we’re standing side by side“ zusammen singen – richtig schön!

Ein gefühlvoller Abschluss

Neuer Song – neue Synthies. In Do You Feel Loved? sind es diesmal Flötenklänge. Dazu kommen noch rhythmische Drums und warme Gitarrenklänge. Auch der Gesang und das langgezogene „do you feel loooooved“ geben dem Song einen super ruhigen und warmen Klang. Thematisch beschreibt der Song, welche heilende Wirkung Beziehungen haben können – „all the cracks around your head will fill with light, throw your arms around my neck and hold me tight“. Ich find den Song nicht schlecht, aber er kriegt mich irgendwie auch nicht richtig.

Der vorletzte Track ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie BBC die Songs oft ruhig anfangen lassen. Mit den gesampelten „tatim tatim“-Vocals, mit denen Let You Go anfängt, erinnert mich das erstmal irgendwie an ein Weihnachtslied – fragt mich nicht wieso haha. Im Verlauf des Songs kommen aber treibende Beats dazu. Spätestens kurz vorm Ende, wenn Jack „No, no, no, no don’t you let me let you go“ singt, fühlt man seine Emotionen richtig.

Am Ende der Platte geht es genauso emotionsgeladen weiter, aber in einer etwas ruhigeren Art als bei dem vorherigen Song. Racing Stripes kommt super ohne Drums und die Bombay-typischen catchy Gitarrenriffs aus. Das ruhige Arrangement mit Akkordeon und Jacks sanfter Stimme gibt dem Song wieder eine super melancholische Stimmung. Die sich wiederholende Zeile „This light will keep me going and I don’t even know wherever I may go“, die zum Ende Billie Marten mitsingt, schließt das Album und die Themen, die darauf behandelt werden, wunderbar ab.        

Süße Melancholie

Melancholie hat die Jungs wieder zusammengebracht und findet sich vielleicht auch gerade deswegen so häufig auf ihrem fünften Album wieder. Ich glaube man merkt an den Texten gut, was die vier Jungs von Bombay Bicycle Club seit 2016 beschäftigt hat. Aber ich finde, sie schaffen es gekonnt solche großen und schwermütigen Themen wie Selbstzweifel, Verantwortungen und allgemeine Schwierigkeiten des Erwachsenseins mit optimistischen und leichten Melodien zu unterlegen. Ich hoffe sehr, dass wir nicht wieder fünf Jahre auf ein neues Album warten müssen.

Wenn du in Everything Else Has Gone Wrong noch nicht reingehört hast, kann ich dir das trotzdem nur empfhelen:

Fotos: Josh Shinner